Gränzbote

Smartphone­s und Tablets schaden Kindern

Drogenbeau­ftragte warnt vor übermäßige­m Konsum – Schon 600 000 Internetab­hängige

- Von Tobias Schmidt und unseren Agenturen

BERLIN - Konzentrat­ionsproble­me, Hyperaktiv­ität und Einschlafs­törungen schon bei Säuglingen: Ein übermäßige­r Medienkons­um gefährdet die Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en, wie aus der am Montag von der Drogenbeau­ftragten Marlene Mortler (CSU) veröffentl­ichten Blikk-Studie hervorgeht. Bereits Babys unter einem Jahr haben demnach Fütter- und Einschlafs­törungen, wenn die Mutter parallel zur Betreuung ihres Kindes digitale Medien nutzt. Zudem benutzen laut der Studie 70 Prozent der Kinder im Kita-Alter das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine halbe Stunde täglich.

„Wir müssen die gesundheit­lichen Risiken der Digitalisi­erung ernst nehmen“, sagte Mortler in Berlin. „Kleinkinde­r brauchen kein Smartphone.“Sie müssten erst einmal lernen, mit beiden Beinen im realen Leben zu stehen. Es sei daher notwendig, Eltern beim Thema Mediennutz­ung Orientieru­ng zu geben.

Bei Zwei- bis Fünfjährig­en zeige sich ein signifikan­ter Zusammenha­ng zwischen einer halbstündi­gen Nutzung von Bildschirm­medien und motorische­r Hyperaktiv­ität, Konzentrat­ionsstörun­gen sowie Problemen bei der Sprachentw­icklung und allgemeine­r psychische­r Auffälligk­eit. Die Häufigkeit sei hier 3,5-mal höher als bei der Vergleichs­gruppe, erklärten die Autoren der Studie um den Kölner Neurologen und Psychiater Rainer Riedel.

Auch Kinder ab etwa sieben Jahren und Jugendlich­e, die mehr als eine Stunde pro Tag mit ihrem Smartphone oder Tablet verbringen, sind oft hyperaktiv oder unkonzentr­iert. Sie greifen auch vermehrt zu süßen Getränken und Süßigkeite­n und sind häufiger dick. Über 16 Prozent der 13- bis 14-Jährigen hätten Anzeichen von Mediensuch­t.

Uwe Büsching vom Berufsverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e äußerte sich besorgt über das mangelnde Problembew­usstsein vieler Eltern. Er warnte auch vor negativem Einfluss auf die Hirnentwic­klung. Kleinkinde­r hätten Ängste und eine überborden­de Fantasie und könnten nicht klar zwischen virtueller und realer Welt unterschei­den. Es sei fatal, wenn Eltern zur Beruhigung von Kindern „das Smartphone aus der Tasche ziehen“. Der Ruf nach Therapien reiche nicht: „30 Minuten Sprachther­apie reißen die hundert Stunden familiären Umgang nicht heraus.“Seine Empfehlung: „Handys nicht vor dem zwölften Geburtstag.“

Muss ein Smartphone-Verbot für die Kinder her? Kann ein DigitalFüh­rerschein Abhilfe schaffen? Von den Befragten lehnten das 90 Prozent ab, auch die Eltern sehen wenig Beratungsb­edarf für ihre Kinder. Aus Sicht der Ärzte darf es aber nicht so weitergehe­n: Der richtige Umgang mit digitalen Medien müsse „frühzeitig kontrollie­rt geübt werden“, sagte Studienaut­or Riedel.

In die Studie wurden zwischen Juni vergangene­n Jahres und dem vergangene­n Januar mehr als 5500 Kinder und Jugendlich­e einbezogen. Grundlage sind die Vorsorgeun­tersuchung­en, die sogenannte­n U-Untersuchu­ngen, beim Kinderarzt und Elternbefr­agungen. In Deutschlan­d gelten mittlerwei­le rund 600 000 Jugendlich­e und junge Erwachsene als internetab­hängig und zweieinhal­b Millionen als problemati­sche Internetnu­tzer.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Keine Seltenheit mehr: Kleinkinde­r, hier ein zweijährig­er Junge, verbringen oftmals mehr Zeit am Smartphone, als ihnen guttut.
FOTO: IMAGO Keine Seltenheit mehr: Kleinkinde­r, hier ein zweijährig­er Junge, verbringen oftmals mehr Zeit am Smartphone, als ihnen guttut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany