Proteste in Marokko gegen Willkür und Unterdrückung
Tausende Menschen haben in den vergangenen Tagen in mehreren marokkanischen Städten für Demokratie, weniger Willkür, bessere Lebensbedingungen und gegen die Unterdrückung der Menschenrechte demonstriert. Die Proteste begannen in der nordmarokkanischen Stadt Al-Hoceima, wo die Menschen seit Tagen auf die Straße gehen und Parolen rufen wie „Der Staat ist korrupt“.
Inzwischen sprangen die Demonstrationen auf etliche andere Städte über. Marokkanischen Medien zufolge gab es Kundgebungen in der Hauptstadt Rabat, in der Wirtschaftsmetropole Casablanca und in der Hafenstadt Tanger.
Demonstrationen sind in Marokko eher selten, da die Ausübung von Bürgerrechten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu Problemen mit Polizei und Justiz führen. So sollen auch im Zuge der jüngsten Demonstrationen nach Behördenangaben 20 Menschen festgenommen worden sein, inoffiziellen Quellen zufolge liegt die Zahl der Festgenommen sehr viel höher. Ein Anwalt berichtete, dass alleine in der Stadt AlHoceima 70 Demonstranten eingesperrt wurden.
Unter den Festgenommen befindet sich der populäre Anführer der Protestbewegung, Nasser Zefzafi. Der 39-Jährige hatte sich tagelang vor der Polizei versteckt. Die Festnahme erfolgte offenbar, nachdem die Polizei das Wohnviertel Zefzafis in Al-Hoceima belagert und durchsucht hatte. Dabei kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Demonstranten, die versucht hatten, Zefzani zu schützen. „Wir sind alle Zefzafi“, riefen sie. Al-Hoceima, wo viele Berber, die Urbevölkerung Marokkos, leben, ist seit Monaten ein Unruheherd. In dieser Küstenstadt mit knapp 60 000 Einwohnern war im Herbst 2016 der 31-jährige Fischverkäufer Mouhcine Fikri unter ungeklärten Umständen in einer Müllpresse umgekommen. Polizisten hatten zuvor seine Ware beschlagnahmt und in ein Müllfahrzeug geworfen. Fikri war hinterhergesprungen, um seine Fische zu retten und war vom Müllschredder zerstückelt worden.
Arbeitslosigkeit und Armut
In der Provinz Al-Hoceima, in deren Hinterland das Rif-Gebirge liegt, ist die soziale Unzufriedenheit besonders groß, weil sich die Menschen von der Regierung in der 500 Kilometer entfernten Hauptstadt Rabat vernachlässigt fühlen. Arbeitslosigkeit und Armut sind hier besonders hoch. Al-Hoceima war auch eine der Hochburgen der Massenproteste, die es im Zuge des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 in Marokko gab,
Nach Angaben der Weltbank sind 40 Prozent der unter 25-Jährigen in Marokkos Städten arbeitslos. Viele junge Leute sehen als einzigen Ausweg die Emigration nach Europa. Auch die radikalen Islamisten profitieren von der großen Frustration der jungen Generation.
Zefzafi hatte vor seiner Festnahme erklärt, es sei nicht hinzunehmen, dass man in Marokko den König und Staatschef Mohammed VI. nicht kritisieren dürfe. Kritische Äußerungen über Mohammed, der als der mächtigste und reichste Mann des nordafrikanischen Staates gilt, werden von der Justiz als Majestätsbeleidigung verfolgt. Nach Angaben von Amnesty International riskieren auch regimekritische Journalisten und Menschenrechtler eine Anklage.