Landesbeauftragte will Anbinden von Kühen verbieten
Neue Tierschutzbeauftragte will Anbindehaltung gesetzlich untersagen
STUTTGART (tja) - Die neue Landestierschutzbeauftragte Julia Stubenbord fordert, das ganzjährige Anbinden von Kühen im Stall zu verbieten. Diese Art der Haltung führe zu erheblichen Problemen und sei mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar. Die Tiermedizinerin sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „In den nächsten zehn bis 15 Jahren sollte die ganzjährige Anbindehaltung von Kühen verboten werden.“Der Landwirtschaftsverband (LBV) lehnt ein Verbot ab. Es gefährde viele kleine Betriebe in ihrer Existenz. „Eine Kuh in Anbindehaltung leidet keine Schmerzen“, sagte Horst Wenk vom LBV. Ohnehin hielten immer weniger Bauern ihre Kühe auf diese Art. Das Problem werde sich im Laufe der Zeit von selbst erledigen.
STUTTGART - An ihrem neuen Job reizt Julia Stubenbord unter anderem, dass man unbequeme Themen ansprechen darf. Das hat die neue Landestierschutzbeauftragte gleich zum Amtsantritt getan: Sie forderte am Dienstag ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Kühen in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren. Bauernverband und FDP bremsen – genau wie Landesagrarminister Peter Hauk (CDU).
Einig sind sich alle Experten in einem: Kühe das ganze Jahr über angebunden im Stall zu halten, ist kein Modell für die Zukunft. Rund 40 Prozent der Betriebe im Land tun dies aber – zumindest zeitweise.
Besonders kleine Höfe haben oft gar keine andere Möglichkeit. Sie haben wenig Land oder liegen mitten in Dörfern ohne Weideflächen. Stubenbord ist sich der Probleme bewusst. „Natürlich ist das ein schwieriges Thema, weil in Baden-Württemberg sehr viele Betriebe betroffen sind.“Dennoch ist ihr Weg klar. „Wir müssen mittelfristig ein Verbot erreichen und vorher im Gespräch mit den Landwirten Lösungen finden, etwa die Möglichkeit, den Tieren zeitweise Auslauf zu ermöglichen.“
Kleinbetriebe in Gefahr
Der Landesbauernverband (LBV) hält nichts von einem Verbot. „Das wäre das Aus für viele kleine Betriebe“, Horst Wenk vom LBV. Zum einen sei die Haltungsform ein Auslaufmodell. 2010 waren laut LBV noch 37 Prozent aller Kühe zumindest über längere Zeiträume angebunden, 2017 nur noch ein Viertel. Deswegen löst sich das Problem aus Sicht des LBV im Laufe der Zeit von allein. Mit dem Landwirtschaftsministerium hat der Verband vereinbart, Bauern zu beraten und ihnen zu erklären, wie man etwa mit Umbauten mehr Freilauf für die Kühe schaffen kann. „Die Tiere leiden keine Schmerzen, sie haben zu fressen, zu saufen und können sich hinlegen“, sagte Wenk. Mehr Auslauf sei tierfreundlicher, doch in der modernen Haltung gebe es kaum Missstände.
Das sieht die Tierschutzbeauftragte anders: „Ganzjährige Anbindehaltung führt zu erheblichen Problemen, die letztlich nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sind.“Oft seien die Stände zu klein, viele Kühe entwickelten Liegeschwielen, hätten offene Wunden oder zu lange Klauen. „Das ist einfach nicht artgerecht, weil sich die Tiere nicht ausreichend bewegen können.“
Friedrich Bullinger, landwirtschaftlicher Sprecher der FDP, bezeichnet eine Übergangsfrist von zehn Jahren als „Unsinn“. „Neue Ställe sind sehr teuer, da kommt leicht eine halbe Million zusammen, auch für 20 Kühe“, so Bullinger. Mit kurzen Übergangsfristen würden jene Landwirte bestraft, die ihre Ställe gerade erneuert und in Anbindehaltung investiert hätten. Wer regionale Produkte wolle, der brauche in einem Land wie Baden-Württemberg auch kleine Höfe – die in schwierigen Lagen wie engen Tälern auf kleinen Flächen wirtschafteten. Auch für die Vielfalt der Landschaft sei das wichtig. „Man sollte die Anbindehaltung jetzt nicht verteufeln. Für eine Übergangszeit hat sie ihre Berechtigung“, sagte Bullinger. Um wenigstens einige der ohnehin gefährdeten Familienhöfe zu erhalten, brauche es lange Übergangsfristen und auf die einzelnen Betriebe angepasste Regeln. „Sonst lohnt sich Landwirtschaft am Ende nur noch dort, wo man sie industriell betreiben kann.“
Ähnliches mahnt der zuständige Minister Hauk an – in dessen Haus Stubenbords Stelle angesiedelt ist. „Wir müssen bei der Umstellung darauf achten, unsere Betriebe wirtschaftlich nicht zu überfordern. Wer schnell Schluss mit der Anbindehaltung machen will, befördert Großställe“, erklärt er und plädiert für großzügige Übergangsfristen. Wie lang die sein sollten, steht laut seiner Sprecherin noch nicht fest – bei analogen Problemen in der Schweinezucht gälten jedoch 20 Jahre.