Gränzbote

Einbrecher gestehen, Rätsel bleiben

Verständig­ung im Prozess, aber keine Klärung über eventuelle Hintermänn­er

- Von Lothar Häring FOTO: ALEXANDRA SCHNEID

ROTTWEIL/TUTTLINGEN - Auch wenn die beiden Angeklagte­n am dritten Verhandlun­gstag vor dem Landgerich­t Rottweil ein Geständnis abgelegt haben, bleiben offene Fragen und Ungereimth­eiten. Ungeklärt ist, ob hinter den Taten eine organisier­te, mafiöse Bande steckt. Dafür gibt es Indizien, aber keine Beweise.

„Wieso kommt man von Berlin ausgerechn­et nach Trossingen?“, fragte Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter. Die beiden Männer auf der Anklageban­k, 46 und 31 Jahre alt, waren per Fernbus von Litauen nach Berlin gereist und von dort per Mietwagen weiter nach Trossingen, wo sie ihren Beutezug starteten.

Immer wieder Ungereimth­eiten

„Zufall“, antwortete­n die Litauer. An der Schweizer Grenze hätten sie „reiche Leute“vermutet. Der weitere Weg führte vom 13. September bis 21. Dezember quer durch die Region, aber gezielt zu Einfamilie­nhäusern der gehobenen Klasse in meist abgelegene­n und für Fremde nur schwer zu findenden Straßen. Sie hätten die Häuser im Vorfeld nicht ausgekunds­chaftet, erzählten sie, sondern seien spontan darauf gestoßen. Auffallend: Es war immer um die Mittagszei­t und nie war jemand daheim – bis auf eine Ausnahme in Böttingen, die dann das Ende einleitete. Übernachte­t haben sie in Waldshut-Tiengen, zunächst im Wohnwagen, später im Hotel.

Schon die zweite Station, nach Trossingen, ließ das Gericht an Zufall zweifeln: Nachdem die Täter in Rietheim-Weilheim Geld und Schmuck im Wert von rund 320 000 Euro erbeutet hatten, flüchteten sie mit einem Tresor im Jeep des Hausherrn und stellten das Auto in Tuttlingen kaum 100 Meter von dessen Firma ab. Das zeige doch, dass man den Mann beobachtet haben müsse, meinte Münzer. Nein, das sei reiner Zufall gewesen, bekam er zur Antwort.

Die Tour ging weiter über Weilersbac­h, Hattingen, Volkertsha­usen (zwei Einbrüche), Wutach, Neuhausen ob Eck, Deißlingen, Böttingen – ebenso die Serie der Ungereimth­eiten.

Der betroffene Mann aus Hattingen wunderte sich, dass sein Holzhaus vor Jahren von Litauern gebaut worden war. Der Betroffene in Hardt wunderte sich, warum bei ihm schon zum dritten Mal eingebroch­en worden sei, obwohl in seiner Straße doch „viel wertvoller­e Häuser stehen“.

Die Angeklagte­n gestanden alle Einbrüche und machten auch Aussagen über ihre Beute. Aber das schleppte sich zäh dahin, dass selbst der Verteidige­r des 46-Jährigen die Geduld verlor. „Das ist kein Geständnis“, rügte er seinen Mandanten, „sondern ein aus der Nase ziehen. Ich bewundere die Geduld des Gerichts. So macht eine Verständig­ung keinen Sinn.“Nach einer Bedenkpaus­e wurde es unwesentli­ch besser.

Staatsanwa­lt Markus Wagner bezifferte den Wert von Bargeld, Uhren und Schmuck auf rund 400 000 Euro. Erlöst hätten sie durch Weiterverk­auf auf dem Schwarzmar­kt in Litauen, so die Täter, insgesamt 30 000 Euro.

Am 21. Dezember verübten sie Einbrüche in Neuhausen, Deißlingen und Böttingen – in dieser Reihenfolg­e und alle um die Mittagszei­t. In Böttingen flüchteten sie unverricht­eter Dinge, nachdem ein 20-Jähriger durch den bellenden Hund aus dem Mittagssch­laf erwacht und nachgescha­ut hatte. Ein Nachbar hatte die Autonummer notiert, weshalb die Täter Stunden später auf der Rückfahrt nach Berlin von der Polizei gestoppt wurden.

Enorme Beute – Wenig Erlös?

Rätsel gibt auch ein Einbruchve­rsuch in Großhansdo­rf (Schleswig-Holstein) bereits im August 2016 auf. Der 46-Jährige gestand, wollte aber seinen Komplizen nicht nennen, dem die Flucht gelungen war. Der 31-Jährige sagte, er sei es nicht gewesen.

Und dann ist da noch die Frage nach dem dritten Mann, der mit den beiden vor ihrem Beutezug in einem Berliner Hotel übernachte­t haben soll. Es gebe keinen dritten Mann, sagten die beiden auf Frage von Richter Münzer.

Jetzt soll am 13. Juni um 16 Uhr noch eine Gutachteri­n gehört und am 23. Juni das Urteil verkündet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany