Zu lange ein Auge zugedrückt
Katar, eine Insel des Terrors, das schillernde Emirat als Pate des „Islamischen Staates“– plötzlich sind die Aufregung und das Entsetzen groß. Plötzlich reagieren die arabischen Nachbarn und setzen auf Isolation. Da werden Diplomaten abgezogen, Geldquellen geschlossen und alle möglichen Verkehrsadern gekappt. Dabei ist es seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass das kleine reiche Emirat am Golf die islamistische Terrormiliz unterstützt und fördert, ihrem Führungspersonal Unterschlupf gewährt und auch zum Iran, mit dem vor allem die Saudis im Clinch liegen, enge Beziehungen unterhält.
Hinter der glänzenden Luxusfassade Katars verbirgt sich ein radikales, rücksichtsloses Regime, unmenschlich und voller Gewalt. Doch angesichts der lukrativen Geschäftsbeziehungen und winkender Milliardenaufträge haben nicht wenige Staaten mehr als ein Auge zugedrückt. Ob Volkswagen oder die Deutsche Bank – die Ölmilliarden der Scheichs sind weltweit und weitverzweigt in internationalen Konzernen angelegt. Auch die Bundesregierung genehmigte in der Vergangenheit immer wieder üppige Waffenlieferungen.
Dass sich jetzt aber ausgerechnet Saudi-Arabien an die Spitze dieser Strafaktion der Nachbarn begibt und eine Krise auslöst, ist bemerkenswert. Schließlich ist auch Riad kein Kind von Traurigkeit, wenn es um den Einsatz von Gewalt und die Missachtung der Menschenrechte geht. Saudi-Arabien selbst steht im Verdacht, den islamistisch motivierten Terror zu fördern und für seine Interessen zu instrumentalisieren. Was genau der jüngste Besuch von US-Präsident Donald Trump mit dieser Entwicklung und Isolation Katars zu tun hat, bleibt allerdings noch abzuwarten. Ein überzeugender diplomatischer Plan einer Weltmacht ist allerdings bisher nicht erkennbar.
Allein der Entzug oder der Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar jedenfalls würde zu kurz greifen. Dies kann allenfalls ein Mosaikstein einer internationalen Strategie sein. politik@schwaebische.de