Den Behörden gut bekannt
Es gab Hinweise auf die Radikalität der Terroristen von London – Streit um Sicherheit
LONDON - Den Sicherheitsbehörden bekannt: Nachdem Details über die drei islamistischen London-BridgeAttentäter bekannt geworden waren, stand am Dienstag der vorletzte Tag des Unterhaus-Wahlkampfes ganz im Zeichen der Debatte um die innere Sicherheit. Ihre Regierung habe den Geheimdiensten zusätzliche Kompetenzen und mehr Personal zur Verfügung gestellt, sagte Premierministerin Theresa May im mittelenglischen Stoke. Die Sicherheitskräfte würden der Frage nachgehen, warum zwei der Täter auf freiem Fuß sein konnten: „Ich verstehe, dass die Leute sich Sorgen machen.“
Die oppositionelle Labour-Party unter Oppositionsführer Jeremy Corbyn wies auf die anhaltenden Kürzungen im Polizeibudget hin; dadurch sei das Land unsicherer geworden. Außer den drei islamistischen Tätern kamen bei dem Attentat am Samstagabend in London sieben Menschen ums Leben; von den 48 Verletzten wurden am Dienstag noch 15 auf der Intensivstation behandelt.
Während noch immer nicht alle Toten zweifelsfrei identifiziert sind, begann eine heftige Debatte über deren Mörder. Zwei Tage lang hatten sich die Londoner Zeitungen an die Bitte Scotland Yards gehalten, die Namen der Täter noch nicht zu nennen. Am Dienstag formulierten sie auf den Titelseiten bohrende Fragen an Sicherheitsbehörden und Politik. „Wie konnte er davonkommen, verdammt noch mal“, schrieb „Daily Mirror“neben einem Foto des 27-jährigen Khuram Butt. Auf dessen Rolle als einer der Stars in einer kürzlichen TV-Dokumentation über die „Dschihadisten von nebenan“wies „The Sun“hin. „Warum durfte er frei herumlaufen?“empörte sich „Daily Star“. Und „The Times“verwies darauf, Butt habe im Fitness-Studio eines bekannten alKaida-Propagandisten gearbeitet.
Nachbarn zeigten sich besorgt
Über Butt wussten Polizei und Geheimdienst tatsächlich sehr viel. Der in Pakistan geborene Mann gehörte zu den Anhängern des bekannten, mittlerweile inhaftierten Hasspredigers Anjem Choudary und dessen längst verbotener Islamistengruppe al-Muhajiroun. Aus seiner lokalen Moschee in Barking (Ost-London) war der Mann herausgeflogen, nachdem er im Vorfeld der Unterhauswahl 2015 demokratische Wahlen als „unislamisch“bezeichnet hatte. Unabhängig voneinander meldeten sich im selben Jahr zwei Nachbarn des Vaters zweier kleiner Kinder bei der TerrorHotline der Behörden, um ihrer Sorge über Butt Ausdruck zu verleihen.
Daraufhin sei der Islamist einer Überprüfung unterzogen worden, berichtete der zuständige Abteilungsleiter bei Scotland Yard, Mark Rowley. „Aber es gab keine Hinweise auf eine geplante Attacke.“Butt blieb auf freiem Fuß und agierte in dem Dokumentarfilm des Minderheitensenders Channel Four. Trotz dieser Prominenz als fanatischer Islamist wurde er später als Trainee bei der Londoner U-Bahn angestellt. Zu seinen Aufgaben gehörte dort auch die Sicherheit von Passagieren in Ausnahmesituationen. Offenbar verließ Butt den Job nach sechs Monaten auf eigene Initiative.
Einen seiner Mittäter, den 22-jährigen Yussef Zagba, hatte vor gut einem Jahr die italienische Grenzpolizei in Bologna festgesetzt. Die Beamten fanden auf dem Telefon des in Marokko geborenen italienischen Staatsbürgers Propagandamaterial der Terrorgruppe IS. Weil sie annahmen, Zagba wolle nach Syrien weiterreisen, hinderten sie ihn am Flug nach Istanbul und setzten ihn auf eine Liste islamistischer Verdächtiger. Diese sei auch den britischen Behörden zugänglich gemacht worden, berichtete die italienische Polizei der BBC. Der Londoner Polizei aber scheint Zagba ebenso unbekannt gewesen zu sein wie der dritte Täter, der aus Marokko stammende Koch Rachid Redouane, 30.
Seit Mitte März haben Polizei und Geheimdienste fünf weitere Attacken vereitelt. Es sei „unglücklicherweise nicht möglich“, alle Terroranschläge zu stoppen, teilte Innenministerin Amber Rudd der BBC mit. Theresa May versuchte, die schwierige Sicherheitslage politisch zu nutzen: Wenn es jemals eines Regierungschefs bedurft hätte, der seinen Job vom ersten Tag an ausüben kann, „dann ist es jetzt. Wir haben keine Zeit, jemanden neu anzulernen“, sagte die Amtsinhaberin in Anspielung auf ihren administrativ unerfahrenen Konkurrenten Corbyn.