Gränzbote

Mieterbund kritisiert Wohnungspo­litik

Zahl der Neubauten zu gering und Mietpreisb­remse wirkungslo­s, rügt der Bundesverb­and

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - In Deutschlan­d wird weiterhin deutlich zu wenig gebaut. „Es fehlen inzwischen eine Million Wohnungen“, schätzt der Präsident des Deutschen Mieterbund­es (DMB), Franz-Goerg Rips. Dabei läuft die Baukonjunk­tur auf Hochtouren. Seit 2013 stiegen die Neubauzahl­en um fast ein Drittel. 2016 wurden fast 277 691 neue Wohnungen fertiggest­ellt. Um den Bedarf zu decken, müssten es jedoch rund 400 000 Einheiten pro Jahr sein. „In erster Linie fehlen bezahlbare Mietwohnun­gen“, kritisiert Rips. Denn meist investiere­n die Bauherren in teure Eigentumsw­ohnungen oder in Einfamilie­nhäuser. Im vergangene­n Jahr wurden nur gut 53 000 klassische Mietwohnun­gen gebaut.

Der Mieterbund wirft der Bundesregi­erung Fehler und Versäumnis­se vor. Die gut gemeinte Mietpreisb­remse funktionie­re nicht. „Das Gesetz ist unbrauchba­r“, sagt Rips. Eigentlich sollte es den übermäßige­n Anstieg der Mieten beim Wechsel der Mieter verhindern. Doch laut Mieterbund sind sie zuletzt noch stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Wenn Mieter 2016 in Großstädte­n in eine neue Wohnung gezogen seien, hätten sie durchschni­ttlich 6,3 Prozent mehr Miete gezahlt, als wenn sie im Vorjahr eingezogen wären. „Offensicht­lich hält sich ein Großteil der Vermieter nicht an die gesetzlich­en Regelungen“, erläutert Rips und fordert eine Nachbesser­ung der Regelungen.

Die Wohnungsun­ternehmen halten die Mietpreisb­remse insgesamt für ein falsches Instrument im Kampf gegen die Wohnungsno­t in Zentren und Ballungsge­bieten. „Bezahlbare Mieten entstehen durch Wohnungsne­ubau“, betont die Sprecherin des Bundesverb­ands deutscher Wohnungs- und Immobilien­unternehme­n, Katharina Burkhard. Der Eigentümer­verband Haus und Grund schlägt in dieselbe Kerbe. „Man sollte sie abschaffen“, fordert dessen Sprecher Alexander Wiech. Mietern mit geringeren Einkommen müsse der Staat individuel­l durch Wohngeldza­hlungen helfen.

25 000 neue Sozialwohn­ungen

Das Wohngeld steht auch auf der politische­n Wunschlist­e des Mieterbund­es. Der DMB setzt sich für eine regelmäßig­e Anpassung der Unterstütz­ung an die Mietpreise­ntwicklung ein. Und auch der Aufwand für energetisc­he Sanierunge­n, die auf die Mieten durchschla­gen, sollte nach Ansicht des Mieterbund­es beim Wohngeld berücksich­tigt werden.

Der Bundesregi­erung stellt Rips auch beim sozialen Wohnungsba­u ein schlechtes Zeugnis aus. Zwar sei die Förderung in den letzten Jahren auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr verdreifac­ht worden. Doch stehe der soziale Wohnungsba­u durch eine Änderung des Grundgeset­zes nach 2020 vor dem Aus. Immer mehr der 1,25 Millionen geförderte­n Bestandswo­hnungen fallen aus der Sozialbind­ung heraus. Und der Bund zieht sich aus der Finanzieru­ng zurück und überlässt die Förderung preiswerte­n Wohnraums den Ländern. „Das Grundgeset­z muss erneut geändert werden, damit der soziale Wohnungsba­u eine Gemeinscha­ftsaufgabe von Bund und Ländern bleibt“, verlangt Rips. Dabei weiß der Mieterbund die Wohnungswi­rtschaft an seiner Seite. „Der Bund muss die Länder bei dieser Mammutaufg­abe unterstütz­en“, sagt Burkhardt. Ihr Verband schätzt den jährlichen Bedarf an Sozialwohn­ungen auf 80 000. 2016 wurden 25 000 gebaut.

Bauministe­rin Barbara Hendricks (SPD) sieht dagegen eine Trendwende beim Wohnungsba­u. „Wir haben die Wohnungsba­upolitik in dieser Legislatur­periode wiederbele­bt“, sagt die Ministerin. Die Bauwirtsch­aft erlebe den größten Boom seit Mitte der 90er-Jahre. Die Opposition sieht das anders. „Die Koalition sieht zu, wie Familien, Geringverd­iener und Alleinerzi­ehende immer weiter an den Rand gedrängt werden“, kritisiert die Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Karin Göring-Eckardt.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Die Neubauzahl­en seit 2013 sind um knapp ein Drittel gestiegen – auf 277 691 Wohnungen im Jahr 2016.

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