Mieterbund kritisiert Wohnungspolitik
Zahl der Neubauten zu gering und Mietpreisbremse wirkungslos, rügt der Bundesverband
BERLIN - In Deutschland wird weiterhin deutlich zu wenig gebaut. „Es fehlen inzwischen eine Million Wohnungen“, schätzt der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Franz-Goerg Rips. Dabei läuft die Baukonjunktur auf Hochtouren. Seit 2013 stiegen die Neubauzahlen um fast ein Drittel. 2016 wurden fast 277 691 neue Wohnungen fertiggestellt. Um den Bedarf zu decken, müssten es jedoch rund 400 000 Einheiten pro Jahr sein. „In erster Linie fehlen bezahlbare Mietwohnungen“, kritisiert Rips. Denn meist investieren die Bauherren in teure Eigentumswohnungen oder in Einfamilienhäuser. Im vergangenen Jahr wurden nur gut 53 000 klassische Mietwohnungen gebaut.
Der Mieterbund wirft der Bundesregierung Fehler und Versäumnisse vor. Die gut gemeinte Mietpreisbremse funktioniere nicht. „Das Gesetz ist unbrauchbar“, sagt Rips. Eigentlich sollte es den übermäßigen Anstieg der Mieten beim Wechsel der Mieter verhindern. Doch laut Mieterbund sind sie zuletzt noch stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Wenn Mieter 2016 in Großstädten in eine neue Wohnung gezogen seien, hätten sie durchschnittlich 6,3 Prozent mehr Miete gezahlt, als wenn sie im Vorjahr eingezogen wären. „Offensichtlich hält sich ein Großteil der Vermieter nicht an die gesetzlichen Regelungen“, erläutert Rips und fordert eine Nachbesserung der Regelungen.
Die Wohnungsunternehmen halten die Mietpreisbremse insgesamt für ein falsches Instrument im Kampf gegen die Wohnungsnot in Zentren und Ballungsgebieten. „Bezahlbare Mieten entstehen durch Wohnungsneubau“, betont die Sprecherin des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Katharina Burkhard. Der Eigentümerverband Haus und Grund schlägt in dieselbe Kerbe. „Man sollte sie abschaffen“, fordert dessen Sprecher Alexander Wiech. Mietern mit geringeren Einkommen müsse der Staat individuell durch Wohngeldzahlungen helfen.
25 000 neue Sozialwohnungen
Das Wohngeld steht auch auf der politischen Wunschliste des Mieterbundes. Der DMB setzt sich für eine regelmäßige Anpassung der Unterstützung an die Mietpreisentwicklung ein. Und auch der Aufwand für energetische Sanierungen, die auf die Mieten durchschlagen, sollte nach Ansicht des Mieterbundes beim Wohngeld berücksichtigt werden.
Der Bundesregierung stellt Rips auch beim sozialen Wohnungsbau ein schlechtes Zeugnis aus. Zwar sei die Förderung in den letzten Jahren auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr verdreifacht worden. Doch stehe der soziale Wohnungsbau durch eine Änderung des Grundgesetzes nach 2020 vor dem Aus. Immer mehr der 1,25 Millionen geförderten Bestandswohnungen fallen aus der Sozialbindung heraus. Und der Bund zieht sich aus der Finanzierung zurück und überlässt die Förderung preiswerten Wohnraums den Ländern. „Das Grundgesetz muss erneut geändert werden, damit der soziale Wohnungsbau eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern bleibt“, verlangt Rips. Dabei weiß der Mieterbund die Wohnungswirtschaft an seiner Seite. „Der Bund muss die Länder bei dieser Mammutaufgabe unterstützen“, sagt Burkhardt. Ihr Verband schätzt den jährlichen Bedarf an Sozialwohnungen auf 80 000. 2016 wurden 25 000 gebaut.
Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht dagegen eine Trendwende beim Wohnungsbau. „Wir haben die Wohnungsbaupolitik in dieser Legislaturperiode wiederbelebt“, sagt die Ministerin. Die Bauwirtschaft erlebe den größten Boom seit Mitte der 90er-Jahre. Die Opposition sieht das anders. „Die Koalition sieht zu, wie Familien, Geringverdiener und Alleinerziehende immer weiter an den Rand gedrängt werden“, kritisiert die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Karin Göring-Eckardt.