Gesellschafter mit schlechtem Leumund
Deutsche Bank, VW, Siemens: Der umstrittene Golfstaat Katar ist an renommierten Unternehmen beteiligt
FRANKFURT - Notfalls würden sie die Kataris gerne wieder los: Deutsche und auch europäische Unternehmen, die zu einem Teil dem Emirat Katar gehören. Auch das immer wieder geplante Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven ist von der politischen Lage in Katar betroffen.
Es sind gar nicht mal die rund 620 000 Barrel Öl, die Katar täglich fördert und das Land reich gemacht haben. Vor allem ist Katar zugleich der weltgrößte Exporteur von Flüssiggas. Alles zusammen hat die Finanzreserven des Landes, vieles davon zusammengefasst im Staatsfonds Qatar Investment Authority, auf gut 330 Milliarden Dollar steigen lassen. Das Geld wird investiert, zuletzt auch in die Hamburger Reederei HapagLloyd. Denn die hat, weil sie notwenige Investitionen nicht mehr allein stemmen konnte, vor ein paar Tagen mit der Containerreederei United Arab Shipping fusioniert. Und hat nun zwei neue Großaktionäre: mit 14,4 Prozent die Qatar Investment Authority und mit 10,1 Prozent einen saudischen Staatsfonds. Freund und Feind in der nahöstlichen Fehde hat Hapag-Lloyd also nun im Aktionariat sitzen. Die Frage, wie unangenehm das werden könnte, beantwortet das Unternehmen nur mit: „Kein Kommentar.“
Noch ist Abwarten angesagt
Die Sorgen sind also groß. Anderswo wird erst mal abgewartet. Bei der Deutschen Bank etwa, wo Mitglieder der katarischen Herrscherfamilie offiziell 6,1, inzwischen aber wohl rund neun Prozent der Aktien halten. Oder bei VW, wo die Kataris 14,6 Prozent der Stammaktien besitzen. Siemens ist zu 3,2 Prozent im Eigentum des gasreichen Emirats. Die Konzerne schauen genau hin, wie sich der Konflikt Katars mit seinen Nachbarn entwickelt.
Noch ist Abwarten angesagt. „Die Aktieninvestitionen von Katar würden für deutsche Unternehmen erst dann ein Problem, wenn Katar auf internationale Bannlisten gesetzt würde, beispielsweise seitens der USA“, sagt der Jurist und Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Klaus Nieding. Der Arm der Amerikaner ist lang: Noch heute scheuen etwa deutsche Banken, Industrieprojekte mit dem Iran zu finanzieren – aus Angst, sie könnten der amerikanischen Ausgrenzungspolitik gegenüber dem Iran auf die Füße treten und dann auch vom amerikanischen Markt vertrieben werden. Sollte Katar zum internationalen Schurkenstaat werden, so Nieding, wüssten sich die Beteiligten in der Praxis zu helfen: „Ich gehe davon aus, dass in einem solchen Fall dann Bemühungen gestartet werden, dass das Paket, was Katar an dem betreffenden Unternehmen hält, gegebenenfalls an einen anderen Ankerinvestor weitergereicht wird.“Das seien Aufgaben für Investmentbanken.
Bisher hört man aber nichts von schurkenhaftem Verhalten der Kataris in ihren ausländischen Beteiligungen. Beim Essener Baukonzern Hochtief waren sie bis 2015 mit elf Prozent beteiligt. Im Aufsichtsrat hätten sie eine konstruktive Rolle gespielt, ist zu hören. In der Deutschen Bank benähmen sie sich wie ein normaler Finanzinvestor. In Solarworld hat Katar ein Unternehmen, an dem das Emirat Anteile von 29 Prozent hielt, in den Konkurs gehen sehen. Auch in anderen europäischen Ländern waren die Kataris als Investoren aktiv: in Großbritannien etwa bei der Barclays Bank oder der Londoner Börse, in der Schweiz bei Credit Suisse, in Frankreich beim Medienkonzern Lagardère oder beim Baukonzen Vinci.
In Wilhelmshaven hat die Hafenwirtschaftsvereinigung zusammen mit anderen vor Kurzem eine Potenzialund Wirtschaftlichkeitsanalyse in Auftrag gegeben. Es geht um ein Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven. Die seit knapp zehn Jahren ruhenden Pläne sind in der Region noch nicht aufgegeben, zumal im französischen Dünkirchen, in Polen und in Litauen zuletzt solche Terminals errichtet worden sind – nicht zuletzt, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu mindern. Derzeit bezieht Deutschland etwa 36 Prozent seiner Öleinfuhren und 35 Prozent seiner Gaseinfuhren aus Russland. Die politischen Risiken, die sich nun in Katar gezeigt haben, müssten in die Analyse einfließen, hängt doch die Wirtschaftlichkeit eines bis zu einer Milliarde Euro teuren Terminals auch von der zuverlässigen Lieferung von Flüssiggas aus Katar ab.