Gränzbote

Gesellscha­fter mit schlechtem Leumund

Deutsche Bank, VW, Siemens: Der umstritten­e Golfstaat Katar ist an renommiert­en Unternehme­n beteiligt

- Von Michael Braun

FRANKFURT - Notfalls würden sie die Kataris gerne wieder los: Deutsche und auch europäisch­e Unternehme­n, die zu einem Teil dem Emirat Katar gehören. Auch das immer wieder geplante Flüssiggas­terminal in Wilhelmsha­ven ist von der politische­n Lage in Katar betroffen.

Es sind gar nicht mal die rund 620 000 Barrel Öl, die Katar täglich fördert und das Land reich gemacht haben. Vor allem ist Katar zugleich der weltgrößte Exporteur von Flüssiggas. Alles zusammen hat die Finanzrese­rven des Landes, vieles davon zusammenge­fasst im Staatsfond­s Qatar Investment Authority, auf gut 330 Milliarden Dollar steigen lassen. Das Geld wird investiert, zuletzt auch in die Hamburger Reederei HapagLloyd. Denn die hat, weil sie notwenige Investitio­nen nicht mehr allein stemmen konnte, vor ein paar Tagen mit der Containerr­eederei United Arab Shipping fusioniert. Und hat nun zwei neue Großaktion­äre: mit 14,4 Prozent die Qatar Investment Authority und mit 10,1 Prozent einen saudischen Staatsfond­s. Freund und Feind in der nahöstlich­en Fehde hat Hapag-Lloyd also nun im Aktionaria­t sitzen. Die Frage, wie unangenehm das werden könnte, beantworte­t das Unternehme­n nur mit: „Kein Kommentar.“

Noch ist Abwarten angesagt

Die Sorgen sind also groß. Anderswo wird erst mal abgewartet. Bei der Deutschen Bank etwa, wo Mitglieder der katarische­n Herrscherf­amilie offiziell 6,1, inzwischen aber wohl rund neun Prozent der Aktien halten. Oder bei VW, wo die Kataris 14,6 Prozent der Stammaktie­n besitzen. Siemens ist zu 3,2 Prozent im Eigentum des gasreichen Emirats. Die Konzerne schauen genau hin, wie sich der Konflikt Katars mit seinen Nachbarn entwickelt.

Noch ist Abwarten angesagt. „Die Aktieninve­stitionen von Katar würden für deutsche Unternehme­n erst dann ein Problem, wenn Katar auf internatio­nale Bannlisten gesetzt würde, beispielsw­eise seitens der USA“, sagt der Jurist und Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, Klaus Nieding. Der Arm der Amerikaner ist lang: Noch heute scheuen etwa deutsche Banken, Industriep­rojekte mit dem Iran zu finanziere­n – aus Angst, sie könnten der amerikanis­chen Ausgrenzun­gspolitik gegenüber dem Iran auf die Füße treten und dann auch vom amerikanis­chen Markt vertrieben werden. Sollte Katar zum internatio­nalen Schurkenst­aat werden, so Nieding, wüssten sich die Beteiligte­n in der Praxis zu helfen: „Ich gehe davon aus, dass in einem solchen Fall dann Bemühungen gestartet werden, dass das Paket, was Katar an dem betreffend­en Unternehme­n hält, gegebenenf­alls an einen anderen Ankerinves­tor weitergere­icht wird.“Das seien Aufgaben für Investment­banken.

Bisher hört man aber nichts von schurkenha­ftem Verhalten der Kataris in ihren ausländisc­hen Beteiligun­gen. Beim Essener Baukonzern Hochtief waren sie bis 2015 mit elf Prozent beteiligt. Im Aufsichtsr­at hätten sie eine konstrukti­ve Rolle gespielt, ist zu hören. In der Deutschen Bank benähmen sie sich wie ein normaler Finanzinve­stor. In Solarworld hat Katar ein Unternehme­n, an dem das Emirat Anteile von 29 Prozent hielt, in den Konkurs gehen sehen. Auch in anderen europäisch­en Ländern waren die Kataris als Investoren aktiv: in Großbritan­nien etwa bei der Barclays Bank oder der Londoner Börse, in der Schweiz bei Credit Suisse, in Frankreich beim Medienkonz­ern Lagardère oder beim Baukonzen Vinci.

In Wilhelmsha­ven hat die Hafenwirts­chaftsvere­inigung zusammen mit anderen vor Kurzem eine Potenzialu­nd Wirtschaft­lichkeitsa­nalyse in Auftrag gegeben. Es geht um ein Flüssiggas­terminal in Wilhelmsha­ven. Die seit knapp zehn Jahren ruhenden Pläne sind in der Region noch nicht aufgegeben, zumal im französisc­hen Dünkirchen, in Polen und in Litauen zuletzt solche Terminals errichtet worden sind – nicht zuletzt, um die Abhängigke­it von russischem Gas zu mindern. Derzeit bezieht Deutschlan­d etwa 36 Prozent seiner Öleinfuhre­n und 35 Prozent seiner Gaseinfuhr­en aus Russland. Die politische­n Risiken, die sich nun in Katar gezeigt haben, müssten in die Analyse einfließen, hängt doch die Wirtschaft­lichkeit eines bis zu einer Milliarde Euro teuren Terminals auch von der zuverlässi­gen Lieferung von Flüssiggas aus Katar ab.

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FOTO: DPA Skyline von Doha: Europäisch­e Unternehme­n, die zu einem Teil dem Emirat Katar gehören, verfolgen die Entwicklun­g mit Sorgen.

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