Kinder verlernen das Schwimmen
DLRG mahnt Eltern und Schulen – Lebensretter sind öfter im Einsatz
(dpa) - Zehntausende Helfer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) sind im Sommer an Badeseen, in Schwimmbädern und an der Küste im Einsatz, um Menschen zu helfen, die im Wasser in Not geraten. 2016 retteten sie 1071 Menschen vor dem Tod im Wasser. Die Zahl der Ertrunkenen stieg, vergangenes Jahr starben in Deutschland mindestens 537 Menschen – 49 mehr als 2015. Und die Zahl der Menschen, die nicht schwimmen können, steigt. Fragen und Antworten zum Thema.
Warum können vor allem immer weniger Kinder sicher schwimmen?
Generell sollte jedes Kind in der Schule schwimmen lernen. „Die Grundschulen haben den Auftrag, Schüler im Schwimmen auszubilden“, sagt der Generalsekretär der DLRG, Ludger Schulte-Hülsmann. Aber das umzusetzen, ist schwieriger geworden, weil viele Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren öffentliche Bäder geschlossen haben. Allein 116 Schwimmbäder schlossen der DLRG zufolge deutschlandweit im vergangenen Jahr. Auf dem Land müssten Schüler zudem oft weit fahren, bis sie am Bad ankämen, betont Schulte-Hülsmann. Mittlerweile hat ein Viertel der Grundschulen keinen Zugang zu einem Bad.
Wie entwickeln sich die Zahlen?
Mindestens jeder zweite Grundschüler in Deutschland kann nicht richtig schwimmen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen ForsaUmfrage im Auftrag der DLRG. Demnach besitzen nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen. Die Eltern bewerten die Schwimmfähigkeit ihrer Kinder dabei besser als die DLRG-Experten. Die neue Umfrage zeigt: Während in der Altersgruppe der über 60-Jährigen noch 56 Prozent in der Grundschulzeit schwimmen lernten, sind es bei den 14- bis 29-jährigen Befragten mit 36 Prozent nur noch gut ein Drittel. „Wenn diese Entwicklung so weitergeht, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann Deutschland zu einem Land der Nichtschwimmer wird“, mahnt DLRG-Vizepräsident Achim Haag.
Was unterscheidet einen geübten von einem unsicheren Schwimmer?
In Notlagen lassen bei ungeübten Schwimmern schneller die Kräfte nach. Manche geraten in Panik, was es Helfern schwer machen kann. „Als sicherer Schwimmer kann nur gelten, wer die Disziplinen des Jugendschwimmabzeichens in Bronze sicher beherrscht“, so Haag. Dabei müssen Kinder in 15 Minuten mindestens 200 Meter schwimmen. Das Seepferdchen-Abzeichen reicht nach Ansicht der DLRG nicht aus um sicher zu schwimmen.
Wie groß ist die Zahl der Menschen, die nicht oder schlecht schwimmen können, in Deutschland?
Die DLRG schätzt, dass bundesweit ein Drittel der Kinder und Jugendlichen sowie ein Viertel der Erwachsenen Nichtschwimmer oder schlechte Schwimmer sind. Dabei berufen sich die Lebensretter auf Studien mit Selbsteinschätzungen der Befragten. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Erst vor einer Woche ist eine 15-jährige Nichtschwimmerin im Eisbach in München ertrunken. Sie badete dort mit ihren Freundinnen, die nicht wussten, das eine von ihnen nicht schwimmen konnte. Welche Rolle spielt die Zuwanderung? 2016 waren insgesamt 64 Flüchtlinge unter den Ertrunkenen, im Jahr 2015 waren es 27. Gespräche mit Augenzeugen und Rettern der DLRG haben ergeben, dass fast niemand von ihnen schwimmen konnte. Als Reaktion hat der Verein Baderegeln mittlerweile in fast dreißig Sprachen übersetzt und entsprechende Piktogramme anfertigen lassen. Kommunen und Badbetreiber können sie kostenlos im Netz herunterladen. Zugleich bietet die DLRG Schwimmkurse an – nicht nur für Kinder, sondern auch speziell für Flüchtlinge. Diese werden mit der Hilfe von Dolmetschern durchgeführt. Dass viele Menschen mit Migrationshintergrund nicht schwimmen können, „liegt auch daran, dass Baden in vielen Kulturkreisen nicht zur Freizeitgestaltung gehört“, sagt Schulte-Hülsmann.
Wodurch können sich Menschen beim Baden in Gefahr bringen?
Im Wasser lauern zahlreiche Tücken: In Seen, Flüssen und im Meer können plötzlich Kaltzonen auftauchen. Schwimmer sind dann schneller erschöpft als im warmen Wasser, warnt die DLRG. Strömungen können Schwimmer erfassen und weit abtreiben oder sogar unter Wasser ziehen. Bei Gewitter sollten Badende das Wasser in jedem Fall verlassen. Auch Algen und Schlingpflanzen können gefährlich werden.