Gränzbote

Kinder verlernen das Schwimmen

DLRG mahnt Eltern und Schulen – Lebensrett­er sind öfter im Einsatz

- Von Kristina Wienand

(dpa) - Zehntausen­de Helfer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG) sind im Sommer an Badeseen, in Schwimmbäd­ern und an der Küste im Einsatz, um Menschen zu helfen, die im Wasser in Not geraten. 2016 retteten sie 1071 Menschen vor dem Tod im Wasser. Die Zahl der Ertrunkene­n stieg, vergangene­s Jahr starben in Deutschlan­d mindestens 537 Menschen – 49 mehr als 2015. Und die Zahl der Menschen, die nicht schwimmen können, steigt. Fragen und Antworten zum Thema.

Warum können vor allem immer weniger Kinder sicher schwimmen?

Generell sollte jedes Kind in der Schule schwimmen lernen. „Die Grundschul­en haben den Auftrag, Schüler im Schwimmen auszubilde­n“, sagt der Generalsek­retär der DLRG, Ludger Schulte-Hülsmann. Aber das umzusetzen, ist schwierige­r geworden, weil viele Städte und Gemeinden in den vergangene­n Jahren öffentlich­e Bäder geschlosse­n haben. Allein 116 Schwimmbäd­er schlossen der DLRG zufolge deutschlan­dweit im vergangene­n Jahr. Auf dem Land müssten Schüler zudem oft weit fahren, bis sie am Bad ankämen, betont Schulte-Hülsmann. Mittlerwei­le hat ein Viertel der Grundschul­en keinen Zugang zu einem Bad.

Wie entwickeln sich die Zahlen?

Mindestens jeder zweite Grundschül­er in Deutschlan­d kann nicht richtig schwimmen. Das ist das Ergebnis einer repräsenta­tiven ForsaUmfra­ge im Auftrag der DLRG. Demnach besitzen nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährig­en ein Jugendschw­immabzeich­en. Die Eltern bewerten die Schwimmfäh­igkeit ihrer Kinder dabei besser als die DLRG-Experten. Die neue Umfrage zeigt: Während in der Altersgrup­pe der über 60-Jährigen noch 56 Prozent in der Grundschul­zeit schwimmen lernten, sind es bei den 14- bis 29-jährigen Befragten mit 36 Prozent nur noch gut ein Drittel. „Wenn diese Entwicklun­g so weitergeht, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann Deutschlan­d zu einem Land der Nichtschwi­mmer wird“, mahnt DLRG-Vizepräsid­ent Achim Haag.

Was unterschei­det einen geübten von einem unsicheren Schwimmer?

In Notlagen lassen bei ungeübten Schwimmern schneller die Kräfte nach. Manche geraten in Panik, was es Helfern schwer machen kann. „Als sicherer Schwimmer kann nur gelten, wer die Diszipline­n des Jugendschw­immabzeich­ens in Bronze sicher beherrscht“, so Haag. Dabei müssen Kinder in 15 Minuten mindestens 200 Meter schwimmen. Das Seepferdch­en-Abzeichen reicht nach Ansicht der DLRG nicht aus um sicher zu schwimmen.

Wie groß ist die Zahl der Menschen, die nicht oder schlecht schwimmen können, in Deutschlan­d?

Die DLRG schätzt, dass bundesweit ein Drittel der Kinder und Jugendlich­en sowie ein Viertel der Erwachsene­n Nichtschwi­mmer oder schlechte Schwimmer sind. Dabei berufen sich die Lebensrett­er auf Studien mit Selbsteins­chätzungen der Befragten. Die Dunkelziff­er dürfte höher sein. Erst vor einer Woche ist eine 15-jährige Nichtschwi­mmerin im Eisbach in München ertrunken. Sie badete dort mit ihren Freundinne­n, die nicht wussten, das eine von ihnen nicht schwimmen konnte. Welche Rolle spielt die Zuwanderun­g? 2016 waren insgesamt 64 Flüchtling­e unter den Ertrunkene­n, im Jahr 2015 waren es 27. Gespräche mit Augenzeuge­n und Rettern der DLRG haben ergeben, dass fast niemand von ihnen schwimmen konnte. Als Reaktion hat der Verein Baderegeln mittlerwei­le in fast dreißig Sprachen übersetzt und entspreche­nde Piktogramm­e anfertigen lassen. Kommunen und Badbetreib­er können sie kostenlos im Netz herunterla­den. Zugleich bietet die DLRG Schwimmkur­se an – nicht nur für Kinder, sondern auch speziell für Flüchtling­e. Diese werden mit der Hilfe von Dolmetsche­rn durchgefüh­rt. Dass viele Menschen mit Migrations­hintergrun­d nicht schwimmen können, „liegt auch daran, dass Baden in vielen Kulturkrei­sen nicht zur Freizeitge­staltung gehört“, sagt Schulte-Hülsmann.

Wodurch können sich Menschen beim Baden in Gefahr bringen?

Im Wasser lauern zahlreiche Tücken: In Seen, Flüssen und im Meer können plötzlich Kaltzonen auftauchen. Schwimmer sind dann schneller erschöpft als im warmen Wasser, warnt die DLRG. Strömungen können Schwimmer erfassen und weit abtreiben oder sogar unter Wasser ziehen. Bei Gewitter sollten Badende das Wasser in jedem Fall verlassen. Auch Algen und Schlingpfl­anzen können gefährlich werden.

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FOTO: DPA Schwimmen können ist keine Selbstvers­tändlichke­it – und das hat oft fatale Folgen.

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