Gränzbote

Leidenscha­ftlicher Theatermac­her

Claus Peymann wird 80

- Von Elke Vogel

BERLIN (dpa) - Claus Peymann trägt sein Herz auf der Zunge. Auch nach jahrzehnte­langer, steiler Karriere kämpft er noch mit der Leidenscha­ft eines jungen Heißsporns für das Theater. Dabei ist der scheidende Direktor des Berliner Ensembles nicht zimperlich. Er teilt verbal gern und oft aus. „In meiner Gegenwart kann man sich nicht langweilen“, sagt Peymann, der heute seinen 80. Geburtstag feiert. „Aber ich bin natürlich auch nicht zum Aushalten.“

Nach 18 Jahren räumt er zum Ende der Spielzeit nicht ganz freiwillig den Chefsessel am Berliner Ensemble. An seinem Nachfolger, Oliver Reese vom Schauspiel Frankfurt, lässt der cholerisch­e Theaterkön­ig kein gutes Haar. Peymann spricht dem 53-jährigen Reese das Genialisch­e ab und beschimpft „handzahmen Verwalter“.

Nach Stationen am Stuttgarte­r Staatsthea­ter, Schauspiel­haus Bochum und Wiener Burgtheate­r kam der aus Bremen stammende Theaterman­n vor 18 Jahren in die deutsche Hauptstadt. Als „Reißzahn im Arsch der Mächtigen“war er im einstigen Brecht-Theater am Schiffbaue­rdamm angetreten. Nach knapp zwei Jahrzehnte­n feiert Peymann immer neue Zuschauer-Rekorde und ärgert sich über Kritiker, die seine ihn als Klassiker-Inszenieru­ngen als museal bezeichnen.

Das Berliner Ensemble (BE), das er seine „zweite Haut“nennt, sei immer sein Traumtheat­er gewesen, sagte der „Prinzipal alter Ordnung“bei seiner letzten Pressekonf­erenz als BE-Direktor. „Für mich ist das als Direktor ja die letzte Station, darüber bin ich natürlich traurig.“Im angemietet­en Haus in Berlin-Köpenick, wo sich im Garten Waschbären und Wildschwei­ne tummeln, will er wohnen und damit Berlin treu bleiben.

Aber Ruhestand ist für den am 7. Juni 1937 als Sohn eines Studienrat­s geborenen Peymann natürlich nichts. In Stuttgart bringt er in der nächsten Saison Shakespear­es „König Lear“auf die Bühne. Premiere ist am 16. Februar 2018. In der darauffolg­enden Spielzeit inszeniere er in Wien, kündigte Peymann an.

Peymann hat Theaterges­chichte geschriebe­n. Von der Berliner Schaubühne, zu deren Gründungsm­itgliedern er zusammen mit Peter Stein gehörte, und dem bürgerlich­en, ihn nach seiner Zahnbehand­lungsSpend­enaktion für RAF-Häftlinge nicht mehr duldende Stuttgart über „dieses proletaris­ch dunkle Kohlerevie­r-Theater Bochum“bis in die „Ersatzmona­rchie“des Wiener Burgtheate­rs. Autoren wie Thomas Bernhard und Thomas Brasch, Botho Strauß, Peter Turrini, Peter Handke, George Tabori und Elfriede Jelinek gehörten und gehören zu seinen künstleris­chen Weggefährt­en.

Schlagzeil­en machte Peymann jenseits der Bühne mit politische­n Äußerungen und Aktionen, in späteren Jahren manchmal mehr als mit seinen Inszenieru­ngen. Er zeigte Solidaritä­t mit dem Dramatiker Peter Handke, als der Autor wegen seiner Serbien-Sympathie in der Kritik stand. Peymann selbst wurde scharf kritisiert, als er 2008 dem ehemaligen RAF-Terroriste­n Christian Klar ein Praktikum an seinem Theater anbot.

Das Theater ist für Peymann immer auch ein politische­r Ort, an dem Missstände in der Gesellscha­ft angeprange­rt werden sollen. Theatermac­hen sei eine öffentlich­e Tätigkeit, sagte er einmal. „Folglich ist ein Theaterdir­ektor jemand, der sich zu Wort melden muss.“

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN Der scheidende Intendant des Berliner Ensemble, Claus Peymann:

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