Gränzbote

Eine Leiche auf dem Thron

Hubert Wolf befasst sich mit der Papstwahl von den Anfängen bis heute

- Von Christoph Wartenberg

Der Münsterane­r Kirchenhis­toriker Hubert Wolf hat ein neues Buch geschriebe­n: „Konklave – Die Geheimniss­e der Papstwahl“. Und wie üblich setzt sich Wolf wieder einmal kritisch mit der Geschichte, den Gesetzen und Riten der katholisch­en Kirche auseinande­r.

Wie der Titel schon sagt, will das Buch die Regeln des für den Laien undurchsic­htigen Konklaves, der Papstwahl, und der Position des Papstes erklären. Dass diese sich im Laufe der Jahrhunder­te in vielen Belangen deutlich verändert und sich den zeitlichen Gegebenhei­ten angepasst haben, versteht sich von selbst. Und doch zeigt Wolf immer wieder Strukturen auf, in denen sich die Kirche stillschwe­igend über eigene Gesetze oder ehrwürdige Traditione­n hinwegsetz­t.

Geradezu subversiv wirkt die Behauptung, dass fast alle Päpste seit dem Hochmittel­alter nicht regulär gewählt worden seien. Denn auf dem Konzil von Nicäa (325) wurde festgelegt, dass ein Bischof seine Diözese nie mehr aufgeben dürfe, analog zum Sakrament der Ehe. Da der Papst zugleich Bischof von Rom ist, hätte also niemand, der nicht römischer Bischof ist, zum Papst gewählt werden dürfen. Denn die Beschlüsse des Konzils von Nicäa wurden nie aufgehoben.

Diesen Regelverst­oß illustrier­t Wolf durch die irrwitzige „Leichensyn­ode von Rom“. Papst Stephan VI. ließ die Leiche seines Vorgängers Formosus exhumieren und den Leichnam auf den päpstliche­n Thron setzen. Dort wird er angeklagt wegen Meineids, Unsittlich­keit und vor allem der Ungültigke­it seiner Wahl zum Papst, eben weil er vorher Bischof von Porto, nicht von Rom gewesen war. Ausgerechn­et Formosus hatte Stephan zum Bischof von Rom ernannt, der nun feststelle­n ließ, dass allein er nach einem Umsturz der legitime Papst sei.

Wer nun aber ein Kaleidosko­p kirchliche­r Verfehlung­en gegen eigene Gesetze erwartet, liegt falsch. Das Buch erklärt auch durchaus wertfrei die Vorgänge bei einer Papstwahl, die nicht immer in der Sixtinisch­en Kapelle stattfand und nach der dann weißer Rauch aufstieg.

Amtierende Päpste, zuletzt Johannes Paul II., haben immer wieder die Formalien und Wertungen geändert, auch die Zahl und Stellung der Wähler und damit die Mehrheitsv­erhältniss­e wurden verändert. Das geschah auch, um ein dauerhafte­s Patt unter den Wählerstim­men zu verhindern und damit die Gefahr der Ausrufung von Gegenpäpst­en zu bannen. Beim Konzil von Konstanz mussten sich die Geistliche­n unter drei Päpsten entscheide­n, bis durch Kaiser Sigismunds Vermittlun­g ein neuer Papst gewählt wurde und das Große Abendländi­sche Schisma beendet war.

Der Verlust der weltlichen Macht der Päpste und seit der Einigung des italienisc­hen Staates (1871) auch der Territorie­n des Kirchensta­ats haben die Päpste seit dem Zweiten Vatikanisc­hen Konzil endgültig auf eine rein kirchliche Rolle beschränkt. Die „imitatio imperii“als Nachfolge der Kaiserreic­he Konstantin­s und Karls des Großen wurde aufgegeben. Als sichtbares Zeichen verzichtet­e Papst Paul VI. auf die Tiara mit ihren drei Kronen. Hubert Wolf: Konklave – Die Geheimniss­e der Papstwahl. C.H. Beck-Verlag 2017, 224 Seiten mit 47 Abb., 19.95 Euro.

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