Wissen um eigene Kraft stärkt junge Boxer
Neue Serie „Sport vor Ort“– Vom Integrationsprojekt zu Landes- und Bundestiteln
SPAICHINGEN - Seit der SVS eine Boxabteilung hat, sind die Zahlen an Bundes- und Landessiegern, die jährlich bei der städtischen Jugendsportlerehrung ausgezeichnet werden, sprunghaft angestiegen. Die Geschichte der Abteilung ist eine Erfolgsstory.
Und dies nicht nur, weil die Boxer leistungsmäßig unter den ersten fünf bis zehn Vereinen von landesweit rund 60 zu finden sind, sondern auch, weil der ursprünglich auch gesellschaftliche Ansatz nach wie vor gilt. Wie wichtig Sport in der Region ist, beleuchten wir ab 24. Juni in einer Sonderserie in dieser Zeitung.
Es ist die einzige Boxabteilung im Kreis, die Spaichinger SVS-ler: Inzwischen sind die 30, 40 aktiven männlichen und weiblichen Sportler von insgesamt etwa 100 Mitgliedern der Abteilung bunt gemischt aus Jugendlichen und Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund.
Angefangen hat alles 2005 als Integrationsprojekt des damaligen Stadtjugendreferenten. Trainiert wurde über die Jahre erst im Spiegelsaal der Stadionhalle, dann im ehemaligen Forschnergebäude, dann in der alten Berufsschule und schließlich im Untergeschoss des Rathauses.
Seit über zehn Jahren ist die Gruppe Sergej (links) und Waldemar Schmidt (rechts hinten) mit einigen ihrer erfolgreichen Jugendsportler: Kustrim Kinolli, Alexej Felde, Kevin Müller und Vladimir Grinenko. nun eine Sparte des zweitgrößten Spaichinger Vereins, des SVS, und hat noch immer als Zugpferd und Trainer den Spaichinger Waldemar Schmidt. Der frühere Profi-Boxer wird inzwischen von seinem Sohn Sergej als Trainer unterstützt und auch Tochter Natalia engagiert sich für die Sparte.
Was ist ihm wichtig beim Training? „Das erste ist Disziplin, aber das lernen sie automatisch, und Regeln einhalten“, sagt Schmidt. Eineinhalb Stunden wird konzentriert trainiert und nicht gesprochen und kein Wasser getrunken. Das hat auch körperliche Gründe, zu schnell kühle man aus.
Verantwortung
Schmidt fühlt sich für seine Jungen und Mädchen verantwortlich. Eine eherne Regel ist auch: Wer sich auf der Straße prügelt, fliegt raus. „Den brauchen wir hier nicht“, so Schmidt. Denn ein Boxer werde immer schuldig sein, auch wenn er eigentlich im Recht sei, weil seine Kenntnisse als Waffe gewertet würden. „Ich sage immer: Egal wie ihr provoziert werdet, geht auf die Seite.“Nur einmal habe sich nach tagelangen Provokationen ein Schützling nicht beherrschen können. Dann sei auch der Trainer in die Schule zu Gesprächen gegangen.
Für Schmidt ist das Wissen und Spüren der eigenen Kraft, das, was die Jugendlichen innerlich stark mache und ihnen Selbstbewusstsein gebe. Er ermuntert sie, im Wettkampf zu zeigen, was sie können, und nur dort. Außerdem würden sich 99 Prozent potenzieller Provozierer allein durch das Wissen, hier einen guten Boxsportler vor sich zu haben, entsprechend verhalten.
Von den knapp 100 Mitgliedern seien die Hälfte aus Spaichingen, die andere aus den näheren Umlandgemeinden, sagt SVS-Vorsitzender Tobias Schumacher im Gespräch. Da es nur in Rottweil, Schwenningen, Balingen und Singen weitere Vereine gebe, sei ein größerer Einzugsbereich üblich.
Vier, fünf Mädchen trainierten regelmäßig. Andere, wie auch einige männliche Boxer, nutzten das Training, um fit zu sein, denn ein großer Anteil ist auch Kondition und Koordination. An diesem Wochenende nehmen sechs Spaichinger Jugendliche am Black Forest Cup in Villingen teil. Fast 300 Teilnehmer aus ganz Europa sind dort, berichtet Schmidt. Vor Wettkämpfen trainieren die Sportler fünf Mal, ansonsten wird das Training drei Mal angeboten: montags, mittwochs und freitags ab 19 Uhr. Meist gehe es im Stadion los. Denn derzeit müssen die Sportler improvisieren:
Nach der Kündigung durch die Stadt haben sie keinen Trainingsraum mehr. (Siehe Kasten)