Tipp noch einmal, Stan!
Erstmals sind die Top 5 der Tennis-Welt über 30 – Wawrinka Geheimfavorit in Paris
PARIS (SID) - Über kaum eine Sache wird bei den French Open 2017 so viel gesprochen wie über den „StanFinger“. Die Geste stammt von Stan Wawrinka, der sich bei seinen Spielen immer wieder hinstellt und mit dem rechten Zeigefinger an seine Stirn tippt. Nach dem Motto: „Hier oben, im Kopf, beginnt der Weg zum Sieg.“
Auch die Französin Kristina Mladenovic kopiert den „Stan-Finger“inzwischen erfolgreich. Das Urheberrecht besitzt aber eindeutig der Weltranglistendritte, der in Roland Garros zwar im Schatten von Rafael Nadal, dem wohl besten Sandspezialisten der Geschichte, steht, aber dem spanischen Sandplatzkönig den Titel durchaus streitig machen könnte.
Ohne Satzverlust marschierte Wawrinka ins Viertelfinale. Sämtliche vier Tiebreaks hat der 32-Jährige auf dem Weg dorthin gewonnen. Kein Wunder, dass sein Opfer im Achtelfinale, Gael Monfils aus Frankreich über den Westschweizer schwärmte: „Stan ist ein Monster – gerade auch mental.“
Wawrinka ist der Mann für die großen Turniere. In 13 der vergangenen 17 Grand Slams stand der Rechtshänder mit der Bilderbuch-Rückhand mindestens im Viertelfinale. Eine derart konstante Quote haben ansonsten nur die Fantastischen Vier des Tennissports vorzuweisen – Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray. „Trotzdem komme ich an sie nicht heran“, sagte Wawrinka ein wenig ehrfürchtig.
Wawrinkas Großvater zog es es einst aus Deutschland in die Schweiz, weswegen das Tennis-Ass, obwohl es der deutschen Sprache nicht mächtig ist, noch immer auch einen deutschen Pass hat. Er ist der Unscheinbarste aus dem Quintett an der Spitze des ATP-Rankings. Aber der Vater der siebenjährigen Alexia dient als Paradebeispiel für den derzeitigen Trend. Noch nie zuvor waren alle Männer aus den Top 5 der Weltrangliste 30 Jahre oder älter.
Der Reifeprozess ist für DiplomPsychologin Eva Pfaff durchaus erklärbar: „Die Spieler haben eine ausgereifte Technik. Und sie agieren bewusst: Training und Wettkämpfe samt Planung sind höchst effektiv“, sagte Pfaff, selbst die ehemalige Nummer 17 der Welt. Das Beispiel Federer zeige zudem, dass sich Profis mehr als früher gegen Verletzungen absichern und sich längere Pausen nehmen würden, „um langfristig top zu spielen. Sie sind dann mental frisch, total wach und freuen sich auf den Wettkampf“, erklärte Pfaff.
Wawrinka war knapp 29 Jahre alt, als er bei den Australian Open 2014 seinen ersten Major-Titel holte. Mittlerweile kamen die Coups bei den French Open 2015 und im vergangenen September bei den US Open hinzu. Vor dem diesjährigen SandplatzSpektakel im Pariser Arrondissement XVI hatten die wenigsten Experten Wawrinka allerdings auf der Liste der ganz heißen Titelanwärter. Zwar gewann er im Vorfeld das kleine Heimturnier in Genf, doch bei den Masters in Rom, Madrid und Monte Carlo blieb er hinter den Erwartungen zurück.
„Dass wir noch keine Lösung für mehr Beständigkeit gefunden haben, ist frustrierend“, sagte der schwedische Trainer Magnus Norman über seinen Schützling. In seinem vierten Paris-Viertelfinale seit 2013 spielt die aktuelle Nummer 3 der Welt am Mittwoch gegen den Kroaten Marin Cilic (Nr. 7). „Es wird wichtig sein, dass ich auf ein großes Match gut vorbereitet bin“, sagte der Schweizer, der bislang elf von 13 Duellen mit Cilic gewonnen hat - darunter auch alle vier auf Sand.
Wawrinka plagt zwar eine Rückenverletzung, „aber das hält mich nicht davon ab, gut zu spielen.“Es spricht also viel dafür, dass im Stade Roland Garros auch am Mittwoch wieder der „Stan-Finger“zum Einsatz kommt.