Zwei Praxen statt ein Ärztehaus
Gemeinderat Emmingen-Liptingen beginnt in Sachen ärztliche Versorgung wieder bei Null
EMMINGEN-LIPTINGEN - Die Gemeinde will sowohl in Emmingen als auch in Liptingen eine Arztpraxis einrichten. In Liptingen soll die Erweiterung der Praxis zur Gemeinschaftspraxis ermöglicht werden. Das hat der Gemeinderat entschieden. Die Verwaltung kann bis zu 25 000 Euro einsetzen, um einen Arzt für Emmingen zu werben. Zu Beginn der sehr turbulenten Sitzung hatte Hans Störk Bürgermeister Joachim Löffler 973 Unterschriften von Emmingern übergeben, die eine Praxis in ihrem Ortsteil fordern.
Tagesordnungspunkt drei war dem Antrag von Richard Gnirß gewidmet – unterstützt von Thomas Renner, Harald Heller, (alle drei Unabhängige Wählergemeinschaft), Roger Schöpf und Werner Diener (beide Die Liste). Er wollte, dass vor einer Planung eines Ärztehauses geprüft werde, ob die bisherige Praxis von Jürgen Kaufmann in der Mättlenstraße aus- und umgebaut werden könne. Außerdem solle versucht werden, einen Arzt für Emmingen zu finden.
Dieser Arzt wird definitiv nicht Matthias Grabowski sein, der ursprünglich angekündigt hatte, sich in Emmingen niederlassen zu wollen. Er habe am Sonntagmorgen eine Mail vorgefunden, dass Grabowski in Stetten am kalten Markt bleiben wolle, wo ihm ein attraktives Angebot gemacht worden sei, teilte Löffler mit. Thomas Renner hielt dem entgegen, dass nach seinen Informationen Grabowski nicht länger Spielball bei kommunalpolitischen Streitereien sein wolle, Löffler widersprach ihm nicht.
Die Emminger hatten im Vorfeld der Sitzung klar gemacht, dass sie kein Ärztehaus in Liptingen, sondern eine Praxis in ihrem Ortsteil wollen. „Fast 1000 Unterschriften in relativ kurzer Zeit, das wird in die Entscheidung des Gemeinderats sicher mit einfließen“, sagte der Bürgermeister nach Übergabe der Liste. Ein Aufschnüren des ursprünglichen Beschlusses sei gar nicht zu verhindern, so seine Prognose. Der Gemeinderat hatte sich seit Mitte März schon drei Mal einstimmig für den Bau eines Ärztehauses und gegen die Einrichtung einer zweiten Praxis ausgesprochen.
Verfahrene Situation
Das hörte sich am Montag dann ganz anders an: Spätestens durch die Unterschriften-Aktion habe der Rat den Auftrag bekommen, tätig zu werden, sagte Gnirß. Die Situation sei mittlerweile so verfahren, dass man „wieder auf Null zurück“müsse. Es sei ein Zeichen von Größe, wenn man einen Fehler eingestehen könne, sagte Roger Schöpf (Die Liste). „Wenn wir jetzt nach Paragrafen und nicht nach Fingerspitzen- und Bauchgefühl handeln, dann haben wir verloren.“Es sei schade, dass der Rat erst die Unterschriftensammlung gebraucht habe, um die Situation richtig einzuschätzen, sagte Werner Diener (Die Liste). Klar sei, dass man sowohl eine Praxis als auch einen Arzt in Emmingen brauche.
Vorwurf an Verwaltung
1000 Unterschriften seien nicht wegzuwischen, sagte Harald Heller. „Jeder Gemeinderat, der jetzt nicht hört oder hören will, muss sich fragen, warum er hier sitzt.“
Gerhard Störk warf der Verwaltung und Bürgermeister Löffler Untätigkeit vor. Die Suche nach einem Arzt in Emmingen hätte seit 15 Jahren eine Daueraufgabe sein müssen. Andreas Zeiser-Radtke hieb in die gleiche Kerbe. Andere Gemeinden unternähmen deutlich mehr, um Ärzte anzuwerben. Den Schuh wolle er sich nicht anziehen, sagte Löffler. Er habe sich intensiv um einen neuen Arzt bemüht.
Martina Auchter und Gabriele Rettkowski (Unabhängige Wählergemeinschaft) verlangten, dass bei der weiteren Planung Jürgen Kaufmann mit einbezogen werden müsse. Der hatte in einem Eingangsstatement bemängelt, bisher alle Informationen nur aus der Zeitung bekommen zu haben. Die Unterschriftenaktion empfand er als Ablehnung aus Emmingen und betonte, dass für ihn eine Verlagerung der Praxis durchaus ein Thema sei. Entsprechende Gespräche mit anderen Kommunen würden geführt. Sollte in Emmingen von der Gemeinde eine Praxis eingerichtet werden, verlange er im Sinne der Gleichbehandlung, dass ihm die Ablösung, die er seinerzeit für seine Praxis zahlen musste (mehrere 100 000 Euro), von der Gemeinde erstattet werde (siehe Interview links). Ein Ansinnen, das Andreas ZeiserRadtke (Die Liste) vehement zurückwies.
Otto Schoch sah in der Suche nach einem zusätzlichen Arzt unnötige Konkurrenz für Jürgen Kaufmann. Man möge es dem Mediziner überlassen, einen Partner für eine Gemeinschaftspraxis zu finden und zu entscheiden, ob es eine Zweigstelle in Emmingen geben werde, forderte er.
Andreas Zeiser-Radtke schlug vor, der Verwaltung ein Budget für die Werbung um einen Arzt freizugeben. Bei der nächsten Sitzung solle der Bürgermeister Rechenschaft über den Einsatz ablegen. Der Gemeinderat einigte sich bei Gegenstimmen von Angelika Störk und Martina Auchter und der Enthaltung von Gaby Rettkowski und Klaus Schönbrunn auf 25 000 Euro. Schoch hatte sich an der Abstimmung nicht beteiligt. Er stimmte alleine gegen die Suche nach einem Praxisstandort in Emmingen. Die Entscheidung in Liptingen einen Standort zu suchen und die Möglichkeiten des bisherigen Standrorts zu überprüfen, fiel einstimmig.