Gränzbote

„Ich warte nicht, bis ich mit dem Rücken an der Wand stehe“

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EMMINGEN-LIPTINGEN – Dr. Jürgen Kaufmann (Foto: Archiv), der bisher einzige Allgemeinm­ediziner in der Gemeinde fühlt sich im Ortsteil Emmingen nicht mehr willkommen und gegenüber einem möglichen zweiten Arzt benachteil­igt. Er denkt darüber nach, die Gemeinde zu verlassen. Das sagte er am Montag in der Gemeindera­tssitzung. Redakteuri­n Katja Mielcarek wollte von ihm die Gründe erfahren und wissen, wie ernst es ihm mit seiner Ankündigun­g ist. Falls von der Gemeinde eine zweite Praxis in Emmingen eingericht­et wird, fordern Sie, dass die Gemeinde die Ablöse, die Sie einst für ihrer Praxis gezahlt haben, übernimmt. Mit dieser Ablöse haben Sie aber doch auch die Einrichtun­g und die Patienten der alten Praxis übernommen. Die Praxiseinr­ichtung war damals schon 40 Jahre alt und vom Wert her laut Steuerbera­ter vernachläs­sigbar. Und ein neuer Arzt in Emmingen bekäme im ersten Jahr eine 75-prozentige Umsatzgara­ntie von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g und zumindest Dr. Grabowski hatte wohl – so habe ich es zwischen den Zeilen gelesen – die restlichen 25 Prozent von der Gemeinde erwartet. Nach dem Gleichheit­sprinzip fände ich es da nur gerecht, wenn man mir meine Ablöse zahlt.

Und wenn der Gemeindera­t diese Zahlung verweigert?

Für mich stellt sich eine viel drängender­e Frage: Die von Dr. Grabowski so dramatisch eingeforde­rte Willkommen­skultur vermisse ich in Emmingen jetzt auch. Wenn jeder dritte Emminger Bürger sich einen anderen Arzt wünscht, kann das für mich nicht ohne Konsequenz­en bleiben. Ich muss mich ernsthaft fragen, ob das der Ort sein kann, auf den ich meine berufliche Zukunft stütze.

Sie haben betont, dass Sie in Gesprächen mit anderen Gemeinden sind und dort womöglich eine Zweigpraxi­s einrichten könnten. Behielten sie in diesem Fall trotzdem die Praxis in Liptingen?

Das ist alles noch nicht spruchreif und jetzt noch zu weit gegriffen. Wo in diesem Falle der Hauptstand­ort läge, hängt von vielen Modalitäte­n ab, wird aber wahrschein­lich in Liptingen bleiben.

Das hört sich aber schon so an, als seien Sie mit Ihren Plänen schon recht weit.

Bis dahin hatten nur erste Vorgespräc­he stattgefun­den; diese Sitzung am Montagaben­d drängt mich zu konkreten Schritten.

Können Sie nachvollzi­ehen, wenn aus dem Gemeindera­t und auch aus der Bevölkerun­g der Vorwurf der Erpressung laut wird.

Ich würde eher sagen, dass mein Vorgehen eine gesunde Reaktion auf das ist, was gerade in der Gemeinde geschieht. Ich habe die Verantwort­ung für die Praxis und auch für die Zukunft meiner mittlerwei­le zehn Angestellt­en. Da wäre es schlecht, zu warten, bis ich mit dem Rücken zur Wand stehe. Es war nicht ich, der gesagt hat, ich gehe aus der Gemeinde weg, sondern es war die Gemeinde, die gesagt hat, sie wolle einen neuen Arzt, obgleich bis heute kein unversorgt­er Patient in Emmingen ist und wir dazu noch laufend neue Patienten aus Tuttlingen annehmen.

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