Gränzbote

Der ewige Beatle

Sir Paul McCartney feiert am Sonntag seinen 75. Geburtstag – und ist kreativ wie eh und je

- Von Bernd Guido Weber

Jeder kennt mindestens einen seiner Songs. Immense Begabung und das Zusammentr­effen mit John Lennon haben ihn zu einem der reichsten Menschen von Großbritan­nien gemacht. Er ist der höchstgeeh­rte Popmusiker aller Zeiten. Ex-Beatle Paul McCartney steht immer noch auf der Bühne, die Musik geht weiter. Am morgigen Sonntag (18. Juni) hat er Geburtstag, den 75. Happy Birthday, Sir Paul!

1965, als die Haare lang und die Jeans eng sind, stellt sich für viele Beat- und Rockfans vor allem eine Frage: Beatles oder Rolling Stones? 1965 rotzen die Stones den Hammersong „Satisfacti­on“in die Charts. Die Beatles antworten etwas brav mit dem Album „Help“. Mal wieder das ewige Thema: Liebe, Probleme, Abschied. Da sind die Stones weiter.

Aber: Auf „Help“hört man einen melancholi­schen Ohrwurm, einen Schmuseson­g, das bald meistgespi­elte Lied aller Zeiten: „Yesterday“. Komponiert und gesungen von McCartney, mit Streichern statt mit Ringo, George und John. Eigentlich kein typisches Beatles-Stück, keine Lennon/McCartney-Zusammenar­beit: ein Senkrechts­tarter vom freundlich­en Paul. John Lennon gilt bei den Fans als der ungestüme Kreativkop­f, McCartney als Romantiker. Spätestens jetzt hat er viele, viele Verehrerin­nen. Obwohl ja schon bei den vorherigen Beatles-Auftritten grell gekreischt worden ist. Ausgeflipp­te Teenies kurz vor der Ohnmacht. Beatles-Mania.

Entwickler neuer Formate

Auch wenn McCartney mit die schönsten Songs kreiert, die er gemeinsam mit Lennon in Noten setzt: Ein knuffiger Softie ist er nicht. Jedenfalls nicht nur. Während der Hamburger Zeit im Star-Club hängt er in schwarzem Leder den Rocker heraus. Eine Rampensau. Jetzt aber wird der multiinstr­umentale Musiker aus einem gutbürgerl­ichen Elternhaus in Liverpool zum Treiber, zum Entwickler ganz neuer Formate. „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ist das einflussre­ichste Konzeptalb­um der Musikgesch­ichte, mit innovative­n Klängen. Da steuert McCartney nicht nur die tiefen Töne seines Höfner-Basses bei, er spielt auch Klavier, Gitarre, Drums, andere Instrument­e. Der Schlussakk­ord von „A Day in The Life“, dem letzten Song auf der LP, ist legendär.

Warum die Beatles 1970 nach all den Erfolgsjah­ren letztlich auseinande­rgehen, wird heiß diskutiert. „Die böse Hexe Yoko Ono hat John Lennon gekapert und den Fab Four weggenomme­n“, heißt es lange. Tatsächlic­h ist das Verhältnis LennonMcCa­rtney immer schlechter geworden, vom anfänglich­en gemeinsame­n Komponiere­n nicht mehr viel übrig. Die Beatles haben innerhalb von acht Jahren die Popwelt revolution­iert, sich selbst aber nicht mehr viel zu sagen. „Yoko ist nicht schuld an der Trennung“, verkündet McCartney später. Und prozessier­t, eine unschöne Sache, um die Urhebersch­aft zahlreiche­r Beatles-Songs. Er will sich nicht mit dem üblichen Verweis „Lennon/McCartney“zufriedeng­eben, seinen eigenen Namen vorne sehen. Die Ideen seien von ihm. Er gilt als smarter, witziger Kerl, aber auch als eitel und knausrig. Trotz seiner vielen Millionen. Help!

Ein Beatle gewesen zu sein, ist eine schwere Bürde, Paul zerbricht fast daran. Während John und Yoko friedliche Happenings und seltsame Songs inszeniere­n, zieht er sich auf einen Hof in Schottland zurück. In den Norden der Insel, wo nicht unbedingt die Dauersonne vom Himmel lacht. Zusammen mit seiner Ehefrau, der USFotograf­in Linda Eastman, Dokumentar­in

des Goldenen Zeitalters des Pop. 1969 haben sie geheiratet. Sein erstes Soloalbum ist, nun ja, ein Achtungser­folg. Widerpart Lennon fehlt. Fehlt sehr.

Der Vegetarier, Tierfreund und Umweltrett­er durchlebt eine schwere Zeit. Manche sagen, er verwahrlos­t, trinkt viel zu viel, bis hin zum Absturz, wird leicht depressiv. Seine Frau schlägt vor, gemeinsam Musik zu machen. Sozusagen ein therapeuti­scher Ausweg aus der Krise. So klingen manche Stücke anfangs auch, Linda am Piano und am Mikro ist nicht gerade der Knaller. Dennoch veröffentl­ichen die Wings zahlreiche Platten, haben ihr Publikum. Landen Number-One-Hits. Paul kann’s eben. Ein Höhepunkt ist der Titelsong für den James-Bond-Film „Live And Let Die“, aber auch „Band on The Run“.

Als Linda im Jahr 1998 an Brustkrebs stirbt, ist dies ein schwerer Schlag für McCartney. Die nächste Ehe, 2002 mit dem Fotomodell Heather Mills geschlosse­n, endet mit einer teuren Scheidung. 32 Millionen Euro muss er angeblich für vier Jahre Ehe(un)glück zahlen. Mills will noch mehr, McCartneys Anwalt kann aber darlegen, dass Sir Pauls Vermögen keineswegs 800, sondern „nur“400 Millionen Pfund (rund 455 Millionen Euro) schwer ist. Heute sind es angeblich 910 Millionen Euro, Mick Jagger ist dagegen mit rund 338 Millionen fast ein armer Mann. Und Pauls 2011 geschlosse­ne Ehe mit der ebenfalls nicht ganz mittellose­n Nancy Shevell scheint in friedliche­n Bahnen zu verlaufen. In allen Genres ein Meister McCartney gibt nie auf, sprudelt vor Ideen. Der fünffache Vater, 1997 von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen, bringt nach der Trennung der Beatles über 20 eigene Platten heraus, teilweise auch mit Ringo Starr. Dazu kommen Livemitsch­nitte, Compilatio­ns und fünf Alben mit klassische­n (!) Werken. McCartney, in allen Genres ein Meister. „Ebony And Ivory“mit Stevie Wonder wird ein Allzeit-Hit, „Say, Say, Say“mit Michael Jackson erobert die Charts. Dann auch noch zahllose CharityAuf­tritte. Paul hilft, wenn er gerufen wird. Unterstütz­t Hungernde. Tritt mit seiner Frau Linda für das Wohl der Tiere ein. Kämpft gegen das Abschlacht­en der Robben. Gegen Tierversuc­he. Gegen Massentier­haltung. „Wenn alle Schlachthä­user gläserne Wände hätten, wären alle Menschen Vegetarier“, stellt er einmal fest.

Der integre Sir Paul heimst reichlich Lorbeeren ein. Von US-Präsident Barack Obama wird er für sein Lebenswerk geehrt. Der Orden der französisc­hen Ehrenlegio­n ist sein. Und, und, und. Er ist der höchstdeko­rierte Popkünstle­r der Welt. Und will weiter Musik machen, wenn er nicht, so ganz nebenbei, den Piratenonk­el von Jack Sparrow in dem Film „Fluch der Karibik“mimt. „Ich habe viele gute Ideen, die auf Platte wollen“, sagt er. Seit letztem Jahr befindet er sich mit fünfköpfig­er Band auf Welttourne­e, „One to One“. Rund eine Million Menschen haben ihn in 41 Konzerten erlebt, nun stehen 21 Termine in den USA und einer in Brasilien an. Mit 75 Jahren gibt Sir Paul McCartney alles, schöpft aus seinem ungemein reichen Fundus.

Am stärksten ist der Beifall allerdings immer dann, wenn er BeatlesStü­cke anstimmt. Damals, in jungen Jahren, hat er seinen Zenit erreicht. Ist so lange her. Paul bleibt der ewige Beatle.

Eine Bildergale­rie sowie ein Quiz zu den Beatles finden Sie online unter www.schwaebisc­he.de/paul

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FOTO: AFP Auch mit 75 Jahren gibt Paul McCartney noch alles, schöpft aus seinem ungemein reichen Fundus.
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FOTO: AKG-IMAGES Die Beatles, die Revolution­äre der Popwelt, im Jahr 1970: Paul McCartney, Ringo Starr, John Lennon, George Harrison (von links).

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