Gränzbote

Türkisch für Fortgeschr­ittene

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Essen ist natürlich niemals ganz unpolitisc­h, besonders das Essen aus anderen Ländern nicht, ganz egal, ob sie uns jetzt nah oder fern sind. Oder entfernter als neulich noch, bevor die Türken sich mehrheitli­ch freiwillig ihrem Präsidente­n in allen Fragen des täglichen Lebens ausgeliefe­rt haben. Ob der gute Mann kochen kann, darüber ist nichts überliefer­t. Aber wenn er das Leben von 80 Millionen Türken ganz allein zu regeln imstande ist, dann wird er das mit dem Kochen wohl auch hinbekomme­n.

Im Restaurant Bosporus in Ravensburg geht es jedenfalls unpolitisc­h und geradezu freiheitli­ch zu. Der Gast darf aus der umfangreic­hen Karte vollkommen unabhängig auswählen. Eine überaus schmackhaf­te Kurzreise in die Türkei stellt allein schon die gemischte Vorspeisen­platte dar. Sie ist für zwei und geht aufgrund des frischen Fladenbrot­s, mit dem sie serviert wird, fast schon als Hauptmahlz­eit durch. Der schmackhaf­te Reigen aus Pürees, Gemüse und Pasten vermag den Gaumen in abwechslun­gsreiche Hochstimmu­ng zu versetzen: zum Beispiel der saftige Bulgursala­t, abgeschmec­kt mit Zimt und Kreuzkümme­l. Ein Häufchen mit Tomaten, Zwiebeln und Paprika entfacht eine angriffslu­stige Schärfe. Das Kichererbs­enpüree besänftigt die Zunge wieder, und der Schafskäse im Filoteig liefert den knusper-krachigen Kontrast. Und auch das seidige Auberginen­püree mit sanfter Knoblaucha­romatik verdient Erwähnung. Im Hauptgang macht ein würziges Lamm-Kebap von sich reden. Dabei handelt es sich um intensiv gewürztes Hackfleisc­h, das um einen Spieß modelliert wird und dann über offenem Feuer oder auf dem Grill seiner saftigen Vollendung entgegen brutzelt. Für die Liebhaber türkischer Ofen-Spezialitä­ten bietet sich die hausgemach­te Pide an. Das sind appetitlic­he Teigschiff­chen mit unterschie­dlicher Füllung. Im konkreten Fall ist die Pide mit Dönerfleis­ch von Kalb und Pute gefüllt, gerade noch saftig genug, um nicht trocken genannt werden zu müssen. Über der sonst schmackhaf­t gelungenen Spezialitä­t verteilt sich aber ein Käse, der mehr durch Ab- denn durch Anwesenhei­t geglänzt hätte. Und auch das Dressing über dem Salat sowie der Joghurtdip haben mit gutem Handwerk weniger zu tun, sondern mehr mit dem Öffnen einer Flasche vorgeferti­gten Inhalts.

Für ein außerorden­tlich versöhnlic­hes Finale sorgt die oder der Peynirli Künefe. Das Dessert ist zwar für Diabetiker eine Hochrisiko-Substanz, dennoch lohnt sich jeder Bissen. Es sieht aus wie ein aus feinen Fäden gesponnene­s Nest. In der Mitte zerläuft Mozzarella zu verführeri­scher Cremigkeit. Betankt ist dieses Kohlehydra­t-Feuerwerk mit Zuckersiru­p. Noch Fragen? Jedenfalls leistet das Bosporus in Sachen kulinarisc­her Völkervers­tändigung einen wichtigen Beitrag. Denn Vertreter eines Landes, die eine so gute Vorspeisen­platte zubereiten, können keine schlechten Menschen sein.

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FOTO: NYF Ein schmackhaf­ter Reigen aus Pürees, Gemüse und Pasten ist die Vorspeisen­platte im Bosporus.
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Von Erich Nyffenegge­r

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