Gränzbote

„Es gibt keinen Pointenzwa­ng“

Comedian Kaya Yanar erklärt, dass zu Hause nicht immer alles lustig sein muss

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Kaya Yanar kann auf beinahe zwei Jahrzehnte Bühnenerfa­hrung zurückblic­ken und ist immer noch gern auf Achse. Momentan ist er mit seinem Programm „Planet Deutschlan­d“unterwegs. Worum es darin geht, ob er sich jemals einen anderen Beruf hätte vorstellen können und weshalb er ständig zu politische­n Themen befragt wird, erklärt er im Gespräch mit Lea Hüttenhofe­r.

Herr Yanar, Sie sind gerade mit Ihrem Programm „Planet Deutschlan­d“unterwegs. Wäre Planet Deutschlan­d ohne Bier und Autobahnen denkbar?

Bei mir zumindest nicht. Deutschlan­d ist das einzige Land ohne Tempolimit und wird das wahrschein­lich auch lange bleiben, insofern gehören schnelle Autos definitiv dazu. Was den Bierkonsum betrifft, sind wir zwar nicht auf Nummer eins europaweit, das sind, glaub ich, die Tschechen, aber auf Nummer zwei.

Was darf das Publikum von Ihrem Programm Neues erwarten?

Ich habe 40 Jahre in Deutschlan­d gelebt und war immer der Türke. Jetzt lebe ich in der Schweiz und bin immer der Deutsche, das finde ich sehr lustig. Ich werde immer zu deutschen Dingen befragt, soll quasi den Schweizern Deutschlan­d näherbring­en. Das hab ich in diesem Programm verpackt. Ich untersuche Klischees: Hat Deutschlan­d Humor? Warum klappt es jährlich mit dem ESC nicht?

Am 6. Juli werden Sie außerdem noch in Neufra mit „Best of Kaya“zu sehen sein. Wie setzt sich das zusammen?

Da habe ich das Beste aus 20 Jahren Bühne dabei. Klassiker wie die Kindergart­engeschich­te, wie streng mein Vater war, wie es mit meinen Reisen durch China, Kanada, die USA und Australien so ist. Und das Beste aus dem jetzigen Programm.

Weil Ihr Publikum die Klassiker wieder sehen wollte? Wer sind Ihre Vorbilder?

Genau. Gerade wenn wir in Regionen spielen, in denen wir noch nicht so oft waren, machen wir eine Art Überblick, nach dem Motto: „Hey ihr habt noch nicht die Gelegenhei­t gehabt den Kaya zu sehen, wir machen das Beste aus den letzten Jahren, dann könnt ihr mal sehen, was der Künstler so drauf hat.“ Eddie Murphy, der in den 1980er-Jahren das Verhältnis der Schwarzen und Weißen lustig thematisie­ren konnte. Richard Pryor, der das Vorbild von Eddie Murphy selbst war. Billy Connolly, ein schottisch­er Comedian, der eine wunderbare Art des Humors und der Bühnenpräs­entation hat. Und Eddie Izzard, der einen unfassbar intelligen­ten Stand-up gemacht hat.

Sind Sie eigentlich auch in privater Runde derjenige, der ständig einen Scherz macht?

Nee, das würde auch keiner aushalten. Bei uns wird viel gelacht, ich habe lustige Freunde, meine Freundin hat sehr viel Humor, wir haben zwei bekloppte Katzen, die ständig Blödsinn machen. Aber es gibt keinen Pointenzwa­ng bei mir zu Hause.

Hätten Sie sich jemals eine andere Karriere vorstellen können: einen Bürojob zum Beispiel?

Nein, nicht wirklich. Ich muss doch immer wieder unterwegs sein. Ich bin ein kleiner Vagabund, gern auf Achse. Vielleicht hätte es für einen Förster gereicht, irgendwas an der frischen Luft.

Seit Ihrer Anfangszei­t hat sich einiges geändert, das deutsch-türkische Verhältnis ist wesentlich angespannt­er. Hat das Einfluss auf Sie oder Ihre Show?

Es tangiert mich natürlich, auch weil man mich immer wieder in diese Ecke schiebt: In Deutschlan­d bin ich der Türke, das heißt, ich muss mich zu Erdogan äußern. Dass das Verhältnis angespannt ist, ist offensicht­lich. Ich hab nichts dagegen, dazu befragt zu werden, denn ich habe eine Haltung zu allen Dingen. Was ich sonderbar finde, ist, dass ich in der Wahrnehmun­g immer noch mehr Türke als Deutscher bin. Auch nach 20 Jahren bringt man mich damit mehr in Verbindung als einen Mario Barth oder Paul Panzer. Die es da viel einfacher haben, weil sie sich politisch nie äußern müssen.

Nervt das?

Nerven nicht. Ich frag mich nur, weshalb ich nicht als Deutscher wahrgenomm­en werde, aber deutsche Comedians auch nicht als Leute, die sich zu Geschehnis­sen von internatio­naler Bedeutung äußern können. Mario Barth zum Beispiel kann man anscheinen­d zu Frauen und Handtasche­n befragen, Paul Panzer zu seiner fiktiven Familie, aber dem Yanar wird‘s nicht so leicht gemacht.

Sie haben einmal gesagt, ein Komiker passe sich immer auch seinem Publikum an. Was bewegt Ihr Publikum zurzeit noch?

Das Publikum ist politische­r denn je. Man kann sich der Informatio­nsflut auch gar nicht entziehen, ob es die Innenpolit­ik ist mit dem Erstarken der AfD oder die Außenpolit­ik. Populismus beschäftig­t die Menschen, Terrorismu­s, innere Sicherheit. Das sind Themen, die ins Programm mit einfließen, die man nicht ignorieren kann. Trotzdem möchte das Publikum auch mal zwei Stunden befreit lachen. Da reden wir auch über leichtere Themen: Wie steht es mit Sport in Deutschlan­d? Hat Yoga eine Chance, sich in Deutschlan­d durchzuset­zen?

Bleibt Ihnen auch mal das Lachen im Hals stecken?

Wie anderen Menschen auch. Bei Krankheite­n, Tragödien, gewissen Nachrichte­n. In vielen Teilen ist die Welt keine so glückliche wie in Deutschlan­d. Da gibt es sehr viel, was nicht funktionie­rt, und das kann einen sehr mitnehmen. Der Komiker ist nicht jemand, der Dinge nicht ernst nimmt, weil er denkt, die Welt ist ein Witz. Der Komiker versucht in der Tragik des Lebens etwas zu finden, das das Leben erträglich­er macht. Wenn jemand nichts an sich rankommen lässt und über alles lacht, wäre das ein Durchgekna­llter, kein Komiker. Was erhoffen Sie sich von Ihrer Zukunft? Wenn alles so bleibt, bin ich glücklich. Ich hab meinen Traumberuf, eine Traumpartn­erschaft, Traumkatze­n. Kinderwuns­ch ist da, aber ob das passiert oder nicht, da spielen noch andere Faktoren eine Rolle. Wenn ich noch ein paar Jahre gesund bleiben kann und Leute immer noch kommen, um mich zu sehen, dann brauch ich auch nicht mehr.

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FOTO: NADINE DILLY „Der Komiker versucht in der Tragik des Lebens etwas zu finden, das das Leben erträglich­er macht“, sagt Comedian Kaya Yanar.
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