Gränzbote

Wie Autos in einigen Jahren aussehen könnten

Elektroant­rieb und autonomes Fahren eröffnen den Designern ganz neue Möglichkei­ten

- Von Fabian Hoberg

KÖLN/MÜNCHEN (dpa) - Lange Motorhaube, Kühleröffn­ung, Lenkrad und ein Auspuff am Heck. Autos mit Verbrennun­gsmotoren haben sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n im Prinzip nicht verändert. Sie wurden zwar windschnit­tiger, sicherer, und der Chrom fiel weg. Doch die Optik blieb im Großen und Ganzen gleich. Künftige Elektrofah­rzeuge hingegen könnten wesentlich anders aussehen.

Durch den Verzicht auf viele mechanisch­e und thermische Bauteile wie Motor, Kühlung und Auspuff gewinnen die Ingenieure Platz. „Dadurch gibt es viele Möglichkei­ten, eine neue Fahrzeugar­chitektur und ein neues Design zu entwickeln“, sagt Paolo Tumminelli, Designprof­essor an der TH Köln. Doch genau wie vor 150 Jahren, als anstelle eines Pferdes ein Elektromot­or vor die Kutsche montiert wurde, das Fahrzeug aber immer noch wie eine Kutsche aussah, wird sich in den nächsten Jahren optisch wohl noch nicht viel ändern. „Die Entwicklun­g einer aus heutiger Sicht neuen Optik wird nur langsam voranschre­iten. Erst in zehn Jahren werden wir vielleicht ein ganz neues Automobil sehen.“

Bewegungsf­reiheit für Passagiere

Doch nicht nur künftige Antriebe werden das Aussehen der Autos beeinfluss­en, sondern auch das autonome Fahren. Fährt das Auto selbststän­dig, müssen die Passagiere nicht fest an ihrem Platz sitzen. „Vielleicht kommen dann Liegesitze zum Einsatz“, sagt Tumminelli. Möglicherw­eise werden auch Kinder vom Auto ohne Eltern zur Schule gefahren und gebrechlic­he Menschen alleine zum Arzt. „Die Form wird nicht mehr der Technik folgen, sondern sich Geschmack und Kultur anpassen.“

Unwahrsche­inlich sei, dass sich eine Standardfo­rm etabliere, wie heute bei Smartphone­s üblich. Vielmehr würden Designer eine hohe konzeption­elle und gestalteri­sche Freiheit genießen. Vorschrift­en, die heute das Design beeinfluss­en, wie etwa der Fußgängers­chutz, könnten neu verhandelt werden. Was ist, wenn keine Unfälle mehr passieren, weil alle Verkehrste­ilnehmer miteinande­r vernetzt sind und sich vor Zusammenst­ößen warnen? Dann könnte das Auto leichter werden, Airbag und Seitenaufp­rallschutz beispielsw­eise würden überflüssi­g. Aus der Motorhaube oder Knautschzo­ne könnte neuer Gestaltung­sraum erwachsen. „Das Auto könnte dann wieder offen und luftig wie eine Veranda werden.“

Autos auf Diät

Beim i3 hat BMW die Batterie in den Unterboden gelegt, was neue Möglichkei­ten für die Innenraumg­estaltung eröffnet, sagt Domagoj Dukec, Leiter Design BMW i. „Es gibt keinen Mitteltunn­el mehr, der die Vordersitz­e voneinande­r teilt. Hier ist nun Platz für Ablage und Controller.“Bei der Entwicklun­g neuer Fahrzeuge feilschen Ingenieure und Designer um jeden Zentimeter. „Sonst verschenkt man Platz oder Gewicht.“Und gerade das Gewicht sei eine entscheide­nde Größe, da es die Reichweite beeinfluss­t. Optisch würden sich E-Autos von konvention­ellen Autos durch ihre Windschnit­tigkeit unterschei­den. „Die Reichweite hängt zum einen von leistungsf­ähigen Batterien ab und zum anderen vom Luft- oder Rollwiders­tand, den das Fahrzeug überwinden muss“, sagt Dukec. Ein niedriger Verbrauch sei zwar auch bei Verbrennun­gsmotoren wünschensw­ert, bei Elektrofah­rzeugen sei er jedoch noch bestimmend­er. Das werde man den Autos ansehen.

Doch auch der Innenraum werde sich von heutigen Autos stark unterschei­den. Um das andersarti­ge Konzept erkennbar zu machen, würden die Autos eine deutlich andere Formenspra­che erhalten. Kunden würden von modernen Autos auch moderne Bedienkonz­epte erwarten. „Das Design unterstütz­t den Kunden, damit er Inhalte selber gestalten und den Input auch so programmie­ren kann, wie er ihn gerne haben möchte“, sagt der BMW-Designer. Wie das aussehen könnte, zeigten die Bayern Anfang des Jahres mit der Studie BMW i Inside Future.

Nachfolger für den Golf

Auch Studien wie Mercedes Generation EQ , Jaguar i-Pace und VW I.D. sowie I.D. Buzz zeigen, dass sich die Autos der Zukunft von aktuellen Modellen unterschei­den. Bei VW soll die I.D.-Familie den seit vier Jahrzehnte­n erfolgreic­hen Golf ablösen – so wie damals der Golf den Käfer. Nur dass kein Verbrennun­gsmotor mehr unter der Haube lärmt, sondern ein Elektromot­or leise summt.

VW stellt sich die Zukunft seiner Autos mit kurzen Überhängen, großen Innenräume­n und einem klaren Design vor. „Dazu kommen eine loungearti­ge Atmosphäre im Innenraum und ein intuitives Bedienkonz­ept“, sagt VW-Designchef Klaus Bischoff. Das sei wichtig, weil das Auto der Zukunft aufgrund seiner neuen Funktionen komplexer als bisherige Fahrzeuge sein werde. „Eine wichtige Aufgabe ist daher die Simplifizi­erung multipler Inhalte, sodass der Passagier sie sofort kinderleic­ht und intuitiv bedienen kann.“

Atemberaub­ende Proportion­en

Auch er glaubt, dass der Elektroant­rieb für das Design größere Freiräume schafft. „Wir können die Kühlöffnun­gen minimieren, die Achsen weit nach außen rücken und so atemberaub­ende Proportion­en generieren.“Wie bei herkömmlic­hen Autos entwickelt VW dafür eine neue Plattform, den Modularen Elektrifiz­ierungsbau­kasten (MEB).

Der Trend geht laut Tumminelli bei E-Autos aber auch zu kompaktere­n Fahrzeugen: „E-Autos für Ballungsge­biete werden kleiner und effiziente­r, weg vom großen Familienfa­hrzeug hin zum Individual­fahrzeug.“Statt Fünfsitzer werden dann Zwei- oder Zwei-plus-Zwei-Sitzer unterwegs sein. Das Nutzungsmo­dell stelle sich vielleicht um: zu einem Individual­fahrzeug für den Alltag. „Und ein großes Familienau­to für den Urlaub, das sich überall mieten oder teilen lässt“, sagt Tumminelli.

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FOTO: TOM KIRKPATRIC­K/BMW/DPA Die Studie i Inside Future von BMW zeigt, wie stark sich die Autos der Zukunft von aktuellen Modellen unterschei­den könnten.
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FOTO: VOLKSWAGEN AG/DPA VW schwebt beim Design der Innenräume unter anderem eine loungearti­ge Atmosphäre und ein intuitives Bedienkonz­ept vor, wie hier in der Studie I.D. Buzz.
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FOTO: VOLKSWAGEN AG/DPA Auch wenn die Studie I.D. Buzz von VW elektrisch läuft und autonom fahren soll – optisch zitiert sie den legendären Bulli.
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FOTO: VOLKSWAGEN AG/DPA Kurze Überhänge könnten charakteri­stisch für den Golf von morgen sein.

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