Gränzbote

Das etwas andere Sabbatical

In Freiwillig­endiensten können Berufstäti­ge ihr Wissen weitergebe­n – Oft bewirkt der Einsatz sogar einen Karrieresc­hub

- Von Julia Naue

Bei einem Sabbatical denken viele an Reisen und Füße hochlegen. Freiwillig­endienste bieten hingegen die Chance, in internatio­nalen Projekten mitzuarbei­ten – und so Wissen weiterzuge­ben und zu helfen. Von einem solchen Einsatz profitiert zumeist aber auch die persönlich­e und berufliche Entwicklun­g.

Ein Schulgarte­n sollte es sein. Klingt erst einmal nicht so schwierig. In Deutschlan­d vielleicht, wo das Wetter mitspielt. In Namibia dagegen ist es trocken und heiß. Ralf Schaab ist Agrarökono­m aus Wiesbaden und führt dort einen Obstbaubet­rieb. In Namibia hat er Lehrern und Schülern dabei geholfen, den Garten zu bauen. Mit einfachen Mitteln vor Ort produziere­n, die Eigenverso­rgung stärken – das war das Ziel.

Weltdienst 30+ für versierte Berufstäti­ge mit Erfahrung

Schaab war im Rahmen des „Weltdienst­es 30+“in Namibia. Der neue Freiwillig­endienst des Senior Experten Service (SES) wird vom Bundesentw­icklungsmi­nisterium gefördert und soll eine Lücke schließen. „Es gibt Entsendedi­enste wie Weltwärts für junge Leute und für Ruheständl­er wie den SES“, sagt Bettina Hartmann vom SES. Der „Weltdienst 30+“wurde Anfang 2017 ins Leben gerufen – er richtet sich an Berufstäti­ge, die ihr profession­elles Wissen in Entwicklun­gsund Schwellenl­ändern weitergebe­n wollen.

Viele Entsendedi­enste sprechen jüngere Menschen an – häufig gibt es eine Altersgren­ze von 30 Jahren. Ein geförderte­s Programm für Berufstäti­ge zu finden, ist schwierige­r. Mit Organisati­onen wie Ärzte ohne Grenzen ist ein solcher freiwillig­er Einsatz zum Beispiel möglich – und das nicht nur für Mediziner. Es gibt auch Vereine und Unternehme­n, die Projektmit­arbeit im Ausland vermitteln oder organisier­en – allerdings in der Regel gegen Bezahlung.

Der „Weltdienst 30+“ist hingegen kostenfrei. Allerdings gibt es Voraussetz­ungen für die Teilnahme am Programm. Mindestens acht Jahre relevante Berufserfa­hrung, eine Freistellu­ng des Arbeitgebe­rs und Krankenund Sozialvers­icherung in Deutschlan­d sind etwa Pflicht. „Wir nehmen die Person dann in unsere Datenbank auf und gleichen ab, ob es eine Deckung mit einem Projekt gibt“, erklärt Hartmann. Für 2017 plant der SES für den „Weltdienst 30+“rund 70 Einsätze, bis Mitte Mai hatten sich circa 90 Personen angemeldet. Die Einsätze dauern im Schnitt sechs Wochen, Arbeitnehm­er müssen sich unbezahlt freistelle­n lassen.

Unterstütz­ung für kleine und mittlere Unternehme­n

Neben einem Vorbereitu­ngsseminar in Bonn werden Teilnehmer bei der Organisati­on eines Visums unterstütz­t, auch die Unterkunft im Zielland und der Flug werden gestellt. Im Ausland unterstütz­en Teilnehmer dann etwa kleine und mittlere Unternehme­n, öffentlich­e Verwaltung­en oder soziale und medizinisc­he Einrichtun­gen.

Ein solches Sabbatical kann sich durchaus lohnen – ganz besonders, wenn Berufstäti­ge während dieser Zeit eben nicht nur reisen, sondern ihre berufliche­n Fähigkeite­n einsetzen. „Es bereichert das Wissen des Mitarbeite­rs“, sagt Christa Stienen, Vizepräsid­entin des Bundesverb­ands der Personalma­nager. Da es nicht in allen Unternehme­n die Möglichkei­t gebe, im Ausland zu arbeiten, sei ein externer Auslandsau­fenthalt eine gute Alternativ­e. „Neue Ideen, ein Perspektiv­enwechsel – all das kommt dem Mitarbeite­r und dem Unternehme­n zugute.“

Die Expertin rät, ein solches Sabbatical rechtzeiti­g anzukündig­en am besten ein Jahr im Voraus. „Man kann bereits in den jährlichen Entwicklun­gsgespräch­en sein Interesse bekunden“, sagt Stienen. Ein bis drei Monate Auszeit seien in der Regel gut machbar. Wer in einem internatio­nalen Unternehme­n arbeitet, kann sich dort auch über zeitlich begrenzte Auslandspr­ojekte informiere­n – wenn es nicht gleich der dauerhafte Umzug ins Ausland sein soll.

Für Agrarökono­m Schaab ging es bei seinen Einsätzen immer auch darum, ein Gespür für Land und Leute zu bekommen. Das Vermitteln der fachlichen Expertise sei das eine, das Menschlich­e das andere. Namibia war dabei nur eine seiner Stationen, in Malawi hat er einen Kräutergar­ten mitgestalt­et. „Wenn Sie das Herz der Menschen erobern, bekommen Sie auch Zugriff auf den Kopf“, sagt er. Und: Das Ganze sei Teamwork. „Ich komme hier nicht als Deutscher und erzähle den Leuten, was sie zu machen haben“, betont er. Man müsse die Menschen abholen, wo sie sind und wertschätz­en.

Ähnlich sieht das Heidi von Lilienfeld. Wie Schaab ist auch sie ein alter Hase beim SES. Bereits bevor es das Programm „Weltwärts 30+“gab, haben beide Auslandsei­nsätze über den SES gemacht – und zwar immer dann, wenn ein Projekt nicht mit einem Senior besetzt werden konnte. Von Lilienfeld hatte ihren ersten Einsatz mit 47 Jahren. Die heute 52-Jährige ist im Verlagswes­en tätig und hat zum Beispiel in Bolivien und der Ukraine in Druckereie­n und Verlagen mitgearbei­tet.

Auf verschiede­ne Situatione­n und Kulturen einstellen

„Ich fühlte mich immer mit offenen Armen willkommen“, sagt sie. Marketing, Umstruktur­ierungen, Kundenakqu­ise, neue Geschäftsf­elder finden – so hat von Lilienfeld die Unternehme­n im Ausland unterstütz­t. Für die Auszeiten hat sie sich entschiede­n, um sich selbst auf die Probe zu stellen und sich auf völlig verschiede­ne Situatione­n und Kulturen einzulasse­n. „Toll“sei es immer gewesen. „Die saugen dich aus wie einen Schwamm“, sagt sie über die Zusammenar­beit vor Ort.

Schaab und von Lilienfeld hatten einen entscheide­nden Vorteil bei der Organisati­on ihrer Auslandsei­nsätze: Beide sind selbststän­dig und mussten keinen Vorgesetzt­en von ihren Plänen überzeugen. Beide appelliere­n an Arbeitgebe­r, ihren Mitarbeite­rn eine solche Auszeit zu ermögliche­n. „Wenn ein Unternehme­n mal einen Mitarbeite­r für zwei Monate freistellt, ist das für ein großes Unternehme­n nichts“, sagt von Lilienfeld. „Aber dieser Reichtum, mit dem du wiederkomm­st, der ist toll.“

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FOTO: SES/DPA Ralf Schaab ist Agrarökono­m und war als Freiwillig­er auf dem afrikanisc­hen Kontinent unterwegs.
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FOTO: HEIDI VON LILIENFELD Heidi von Lilienfeld ist im Verlagswes­en tätig und hat in der Ukraine im Rahmen eines Freiwillig­enprogramm­s gearbeitet.

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