Gränzbote

Bayern sucht den Superpark

Nach fast einem Jahr Suche ist noch kein wirklich überzeugen­der Standort gefunden – Ökonomisch­e Interessen contra Natur- und Artenschut­z

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Vor knapp einem Jahr ließ Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) sein Kabinett auf einer Klausur am Tegernsee beschließe­n, dass der Freistaat einen weiteren – dritten – Nationalpa­rk bekommen soll. Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) wurde mit der Suche nach einem Standort beauftragt. Der Zeitpunkt, an dem die Ministerin einen Vorschlag abliefern soll, rückt näher, doch quer durch’s Bayernland muss Scharf über Ablehnung und Protesten berichten.

Viele Bedenken

Dem größten Flächenlan­d der Bundesrepu­blik mit 700 000 Hektar Waldfläche würde ein dritter Nationalpa­rk neben Bayerische­m Wald und Berchtesga­den gut anstehen. Das meinen die Natur- und Umweltschü­tzer schon seit Langem und davon ließ sich schließlic­h auch Seehofer überzeugen. Doch der CSU-Chef, der sonst das Ohr immer ganz nahe an der „Bevölkerun­g“hat, unterschät­zte offenbar, wie durchökono­misiert Bayerns Flure sind. Überall, wo seine Umweltmini­sterin erschien, um einen „Dialog mit den Bürgern“über die Ausweisung eines Nationalpa­rks zu beginnen, wurde sie mit wenig Hurra, dafür mit sehr viel Bedenken und zuweilen auch wütenden Demonstrat­ionen empfangen.

Die Idee eines dritten Nationalpa­rks gehöre zu den weniger guten des Chefs, ist daher verbreitet in der CSU zu hören. Um den größten Konflikt zu vermeiden, hatte die Seehofer-Regierung von vornherein den nördlichen Steigerwal­d mit seinen ausgedehnt­en Buchenbest­änden ausgeschlo­ssen – den nach Expertenme­inung aus fachlichen Gesichtspu­nkten besten Standort. Auch das oberbayeri­sche Ammergebir­ge schied man im Ministeriu­m stillschwe­igend aus, so dass jetzt noch „intensive Gespräche“in den Regionen Rhön, Spessart, Frankenwal­d sowie in zwei Donau-Regionen geführt werden, teilte ein Sprecher des Umweltmini­steriums mit.

Im Juli soll Umweltmini­sterin Scharf dem Kabinett vorschlage­n, mit welcher Region dann der „Dialog“zum dritten Nationalpa­rk fortgesetz­t werden soll, sodas Umweltmini­sterium. Ein entspreche­nder Beschluss könnte am 18. Juli fallen. Anstatt die objektiv beste Lösung zu finden, suche die CSU-Staatsregi­erung heute den Weg des geringsten Widerstand­s, bei dem auch die örtlichen CSU-Abgeordnet­en, die Sägewerksu­nd Waldbesitz­er ihre Daumen heben, kritisiert der SPD-Umweltpoli­tiker Florian von Brunn. Ein „faires“und „transparen­tes“Verfahren sehe anders aus. So gesehen hat auch der Spessart keine Chance mehr. Der Widerstand gegen die Nationalpa­rkspläne wird dort unter anderem vom einflussre­ichen CSU-Abgeordnet­en Peter Winter organisier­t. Der örtliche Freie Wähler (FW)Landtagsab­geordnete Hans Jürgen Fahn, auch Mitglied im Bund Naturschut­z, hat den Spessart als Nationalpa­rk schon beinahe aufgegeben – es sei denn, eine Bürgerbefr­agung in den Landkreise­n Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenb­urg ergebe ein überzeugen­des positives Votum.

Nicht viel freundlich­er sieht es für die Nationalpa­rk-Idee in der bayerische­n Rhön aus, in der es bereits ein Biosphären­reservat gibt. Bei zwei Treffen mit Vertretern der Region wurde Ministerin Scharf von Gegendemon­stranten der Initiative „Gemeinsam stark – unsere Rhön“begrüßt. Hier fürchtet man – wie im Spessart – dass die Bevölkerun­g nicht mehr Brennholz aus dem Wald holen kann und Arbeitsplä­tze in der Holzindust­rie vernichtet werden. Ein ähnliches Bild bietet sich in der Region Frankenwal­d, die erst vor einigen Wochen ins Gespräch kam. In den Augen der Fachleute ist der Frankenwal­d zudem weniger schützensw­ert.

Bleiben als möglicher Ausweg die Donau-Auen. Probleme mit Holzrechte­n gebe es hier nicht und die Zustimmung der Bevölkerun­g sei hoch, berichtete der FW-Politiker Fahn nach einem Besuch in Neuburg. Da freilich hat er beispielsw­eise die Bergheimer (Landkreis NeuburgSch­robenhause­n) nicht gefragt. Gemeindera­t und Waldgenoss­enschaft entschiede­n kürzlich: „Wir stellen keine Flächen zur Verfügung.“

Grundstück­sbesitzer, Landwirte, Forstwirte, Jäger und Fischer aus den Landkreise­n Neuburg-Schrobenha­usen empfingen die Ministerin unlängst mit dem Ruf „Kein Nationalpa­rk Donau-Auen!“Die Isar-Auen haben noch einen weiteren Schönheits­fehler: Eigentlich sollte der dritte Nationalpa­rk in Franken entstehen. Da ist guter Rat teuer für Seehofers Umweltmini­sterin, doch die dialoggest­ählte Bus-Unternehme­rin zeigt sich unverdross­en: „Wir wollen einen dritten Nationalpa­rk, weil wir für unsere Heimat nicht nur Lebenschan­cen schaffen möchten, sondern auch Lebensqual­ität.“

Dem stimmt der Vorsitzend­e des Umweltauss­chusses im Landtag, der Grünen-Abgeordnet­e Christian Magerl zu: „Wir brauchen mindestens einen weiteren Nationalpa­rk, um die rapide schwindend­e Artenvielf­alt zu stoppen.“Aber so, wie es die Seehofer-Regierung eingefädel­t habe, werde es nicht gehen: „Der Zeitdruck ist ungut.“

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FOTO: DPA Das Verspreche­n idyllische­r Natur würde auch ein dritter Nationalpa­rk in Bayern einlösen. Teils gibt es jedoch massive Widerständ­e.

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