Bayern sucht den Superpark
Nach fast einem Jahr Suche ist noch kein wirklich überzeugender Standort gefunden – Ökonomische Interessen contra Natur- und Artenschutz
MÜNCHEN - Vor knapp einem Jahr ließ Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sein Kabinett auf einer Klausur am Tegernsee beschließen, dass der Freistaat einen weiteren – dritten – Nationalpark bekommen soll. Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) wurde mit der Suche nach einem Standort beauftragt. Der Zeitpunkt, an dem die Ministerin einen Vorschlag abliefern soll, rückt näher, doch quer durch’s Bayernland muss Scharf über Ablehnung und Protesten berichten.
Viele Bedenken
Dem größten Flächenland der Bundesrepublik mit 700 000 Hektar Waldfläche würde ein dritter Nationalpark neben Bayerischem Wald und Berchtesgaden gut anstehen. Das meinen die Natur- und Umweltschützer schon seit Langem und davon ließ sich schließlich auch Seehofer überzeugen. Doch der CSU-Chef, der sonst das Ohr immer ganz nahe an der „Bevölkerung“hat, unterschätzte offenbar, wie durchökonomisiert Bayerns Flure sind. Überall, wo seine Umweltministerin erschien, um einen „Dialog mit den Bürgern“über die Ausweisung eines Nationalparks zu beginnen, wurde sie mit wenig Hurra, dafür mit sehr viel Bedenken und zuweilen auch wütenden Demonstrationen empfangen.
Die Idee eines dritten Nationalparks gehöre zu den weniger guten des Chefs, ist daher verbreitet in der CSU zu hören. Um den größten Konflikt zu vermeiden, hatte die Seehofer-Regierung von vornherein den nördlichen Steigerwald mit seinen ausgedehnten Buchenbeständen ausgeschlossen – den nach Expertenmeinung aus fachlichen Gesichtspunkten besten Standort. Auch das oberbayerische Ammergebirge schied man im Ministerium stillschweigend aus, so dass jetzt noch „intensive Gespräche“in den Regionen Rhön, Spessart, Frankenwald sowie in zwei Donau-Regionen geführt werden, teilte ein Sprecher des Umweltministeriums mit.
Im Juli soll Umweltministerin Scharf dem Kabinett vorschlagen, mit welcher Region dann der „Dialog“zum dritten Nationalpark fortgesetzt werden soll, sodas Umweltministerium. Ein entsprechender Beschluss könnte am 18. Juli fallen. Anstatt die objektiv beste Lösung zu finden, suche die CSU-Staatsregierung heute den Weg des geringsten Widerstands, bei dem auch die örtlichen CSU-Abgeordneten, die Sägewerksund Waldbesitzer ihre Daumen heben, kritisiert der SPD-Umweltpolitiker Florian von Brunn. Ein „faires“und „transparentes“Verfahren sehe anders aus. So gesehen hat auch der Spessart keine Chance mehr. Der Widerstand gegen die Nationalparkspläne wird dort unter anderem vom einflussreichen CSU-Abgeordneten Peter Winter organisiert. Der örtliche Freie Wähler (FW)Landtagsabgeordnete Hans Jürgen Fahn, auch Mitglied im Bund Naturschutz, hat den Spessart als Nationalpark schon beinahe aufgegeben – es sei denn, eine Bürgerbefragung in den Landkreisen Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenburg ergebe ein überzeugendes positives Votum.
Nicht viel freundlicher sieht es für die Nationalpark-Idee in der bayerischen Rhön aus, in der es bereits ein Biosphärenreservat gibt. Bei zwei Treffen mit Vertretern der Region wurde Ministerin Scharf von Gegendemonstranten der Initiative „Gemeinsam stark – unsere Rhön“begrüßt. Hier fürchtet man – wie im Spessart – dass die Bevölkerung nicht mehr Brennholz aus dem Wald holen kann und Arbeitsplätze in der Holzindustrie vernichtet werden. Ein ähnliches Bild bietet sich in der Region Frankenwald, die erst vor einigen Wochen ins Gespräch kam. In den Augen der Fachleute ist der Frankenwald zudem weniger schützenswert.
Bleiben als möglicher Ausweg die Donau-Auen. Probleme mit Holzrechten gebe es hier nicht und die Zustimmung der Bevölkerung sei hoch, berichtete der FW-Politiker Fahn nach einem Besuch in Neuburg. Da freilich hat er beispielsweise die Bergheimer (Landkreis NeuburgSchrobenhausen) nicht gefragt. Gemeinderat und Waldgenossenschaft entschieden kürzlich: „Wir stellen keine Flächen zur Verfügung.“
Grundstücksbesitzer, Landwirte, Forstwirte, Jäger und Fischer aus den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen empfingen die Ministerin unlängst mit dem Ruf „Kein Nationalpark Donau-Auen!“Die Isar-Auen haben noch einen weiteren Schönheitsfehler: Eigentlich sollte der dritte Nationalpark in Franken entstehen. Da ist guter Rat teuer für Seehofers Umweltministerin, doch die dialoggestählte Bus-Unternehmerin zeigt sich unverdrossen: „Wir wollen einen dritten Nationalpark, weil wir für unsere Heimat nicht nur Lebenschancen schaffen möchten, sondern auch Lebensqualität.“
Dem stimmt der Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag, der Grünen-Abgeordnete Christian Magerl zu: „Wir brauchen mindestens einen weiteren Nationalpark, um die rapide schwindende Artenvielfalt zu stoppen.“Aber so, wie es die Seehofer-Regierung eingefädelt habe, werde es nicht gehen: „Der Zeitdruck ist ungut.“