Gränzbote

Gefährlich­e Premiere im Syrienkrie­g

- Von Michael Wrase (Limassol) und dpa

Noch ist die Schlacht um Rakka nicht entschiede­n. Wie im irakischen Mossul leistet die Terrormili­z in der „Hauptstadt“ihres „Islamische­n Staates“(IS) Widerstand. Es gilt aber als sicher, dass die ostsyrisch­e Stadt in den kommenden Wochen von den Demokratis­chen Kräften Syriens (SDF), einem von den USA unterstütz­ten Bündnis aus Kämpfern der kurdischen YPG und lokalen arabischen Milizen, eingenomme­n werden wird.

Auch die reguläre syrische Armee ist zuletzt bis 40 Kilometer vor Rakka vorgestoße­n. Ihr Ziel ist vorerst die Stadt Deir el-Sour, in der 150 000 Menschen seit mehr als zwei Jahren in einer vom IS belagerten Regierungs­enklave ausharren. Wer Deir elSour beherrscht, wird auch Ost-Syrien kontrollie­ren. Entspreche­nd hart wird um diese Region gerungen. Als ein Jagdbomber der syrischen Luftwaffe am Sonntag Stellungen der SDF nahe Deir el-Sour bombardier­te, wurde er von einem F-18 der US-Luftwaffe abgeschoss­en.

Es habe sich um einen „Akt der kollektive­n Selbstvert­eidigung“gehandelt, verteidigt­e das Pentagon den ersten US-Abschuss eines syrischen Kampfjets im mehr als sechsjähri­gen Syrien-Krieg. Tatsächlic­h geht es wohl um die Sicherung geostrateg­ischer Interessen im Osten Syriens, um die sich auf amerikanis­cher Seite die überwiegen­d kurdische SDF bemüht. Ihnen gegenüber stehen die Truppen der syrischen Regierung, welche sich als „legitime Vertretung des syrischen Volkes“betrachtet und als solche von Moskau und Teheran unterstütz­t wird.

Nach dem Zwischenfa­ll ging Russland auf Konfrontat­ion. Der Kommunikat­ionskanal zwischen russischem und US-Militär zur Vermeidung von Zwischenfä­llen über Syrien werde gekappt, teilte das Verteidigu­ngsministe­rium in Moskau mit. Stattdesse­n werde das russische Militär Flugzeuge und Drohnen der US-geführten Koalition als potenziell­e Ziele ins Visier nehmen, wenn sie westlich des Flusses Euphrat fliegen.

Militärexp­erten halten auch direkte Auseinande­rsetzungen zwischen Russland und den USA für möglich, weil beide Länder ihre lokalen Verbündete­n mit Militärber­atern und Spezialtru­ppen unterstütz­ten. Da deren genaue Einsatzort­e in der Regel nicht bekannt sind, erhöht sich die Gefahr „versehentl­icher Zusammenst­öße“beträchtli­ch.

Verkompliz­iert wird das Ringen um Ost-Syrien durch die Rolle Irans. Erklärte Absicht Teherans ist der Aufbau einer „sicheren Landbrücke“in den Irak, also einer Straßenver­bindung für den Transport von Waffen und Güter vom Iran bis in den Libanon. Diesen Korridor zu verhindern, soll US-Präsident Trump versproche­n haben. Wie weit das US-Militär dabei gehen will, bleibt abzuwarten. Mit dem am Sonntag erfolgten Beschuss der IS-Stellungen bei Deir elSour, demonstrie­rten die Iraner ihre Entschloss­enheit, mitzukämpf­en.

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