Gefährliche Premiere im Syrienkrieg
Noch ist die Schlacht um Rakka nicht entschieden. Wie im irakischen Mossul leistet die Terrormiliz in der „Hauptstadt“ihres „Islamischen Staates“(IS) Widerstand. Es gilt aber als sicher, dass die ostsyrische Stadt in den kommenden Wochen von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF), einem von den USA unterstützten Bündnis aus Kämpfern der kurdischen YPG und lokalen arabischen Milizen, eingenommen werden wird.
Auch die reguläre syrische Armee ist zuletzt bis 40 Kilometer vor Rakka vorgestoßen. Ihr Ziel ist vorerst die Stadt Deir el-Sour, in der 150 000 Menschen seit mehr als zwei Jahren in einer vom IS belagerten Regierungsenklave ausharren. Wer Deir elSour beherrscht, wird auch Ost-Syrien kontrollieren. Entsprechend hart wird um diese Region gerungen. Als ein Jagdbomber der syrischen Luftwaffe am Sonntag Stellungen der SDF nahe Deir el-Sour bombardierte, wurde er von einem F-18 der US-Luftwaffe abgeschossen.
Es habe sich um einen „Akt der kollektiven Selbstverteidigung“gehandelt, verteidigte das Pentagon den ersten US-Abschuss eines syrischen Kampfjets im mehr als sechsjährigen Syrien-Krieg. Tatsächlich geht es wohl um die Sicherung geostrategischer Interessen im Osten Syriens, um die sich auf amerikanischer Seite die überwiegend kurdische SDF bemüht. Ihnen gegenüber stehen die Truppen der syrischen Regierung, welche sich als „legitime Vertretung des syrischen Volkes“betrachtet und als solche von Moskau und Teheran unterstützt wird.
Nach dem Zwischenfall ging Russland auf Konfrontation. Der Kommunikationskanal zwischen russischem und US-Militär zur Vermeidung von Zwischenfällen über Syrien werde gekappt, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Stattdessen werde das russische Militär Flugzeuge und Drohnen der US-geführten Koalition als potenzielle Ziele ins Visier nehmen, wenn sie westlich des Flusses Euphrat fliegen.
Militärexperten halten auch direkte Auseinandersetzungen zwischen Russland und den USA für möglich, weil beide Länder ihre lokalen Verbündeten mit Militärberatern und Spezialtruppen unterstützten. Da deren genaue Einsatzorte in der Regel nicht bekannt sind, erhöht sich die Gefahr „versehentlicher Zusammenstöße“beträchtlich.
Verkompliziert wird das Ringen um Ost-Syrien durch die Rolle Irans. Erklärte Absicht Teherans ist der Aufbau einer „sicheren Landbrücke“in den Irak, also einer Straßenverbindung für den Transport von Waffen und Güter vom Iran bis in den Libanon. Diesen Korridor zu verhindern, soll US-Präsident Trump versprochen haben. Wie weit das US-Militär dabei gehen will, bleibt abzuwarten. Mit dem am Sonntag erfolgten Beschuss der IS-Stellungen bei Deir elSour, demonstrierten die Iraner ihre Entschlossenheit, mitzukämpfen.