Gränzbote

Zeugen stützen Anton Schleckers Sicht

Damaliger Controllin­g-Chef und Versichere­r sahen Insolvenz bis Mitte 2011 nicht kommen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der ehemalige Controllin­g-Chef des insolvent gegangenen Schlecker-Konzerns hat am Montag im Strafproze­ss gegen Anton Schlecker und seine Kinder Lars und Meike ausgesagt. Wie er vor dem Landgerich­t Stuttgart erklärte, hätte die ehemalige Drogeriema­rkt-Kette noch bis Sommer 2011 gerettet werden können. Damit stützte er die Version der Verteidigu­ng – bis zuletzt habe die Familie Schlecker gedacht, dass eine Insolvenz hätte abgewendet werden können. Einblicke dazu, wie es im Januar 2012 dennoch zum Insolvenza­ntrag kam, gab ein weiterer Zeuge. Er war damals als Vorstand bei einem Kreditvers­icherer für die Firma Schlecker tätig.

Hat Anton Schlecker die Insolvenz seines Konzerns, den er als eingetrage­ner Kaufmann allein verantwort­ete, verschlepp­t? Hat er gemeinsam mit seinen beiden Kindern seit 2009 Geld beiseitege­schafft und somit der Insolvenzm­asse entzogen? Genau das wirft die Staatsanwa­ltschaft der Ehinger Familien vor und spricht von einem Betrag von mindestens 25 Millionen Euro.

Zeuge beschreibt Lage als kritisch

An viel kann sich der ehemalige Controllin­g-Chef von Schlecker am Montag im Saal 18 des Stuttgarte­r Landgerich­ts nicht erinnern. „Das weiß ich nicht mehr“und „keine Ahnung“sind seine häufigsten Antworten auf die Fragen des Vorsitzend­en Richters Roderich Martis zu seiner Zeit als oberster Finanzhüte­r von März 2011 bis November 2012. „Die Lage war durchaus als kritisch zu bewerten“, erinnert er sich an seine Anfangszei­t im Konzern. Für einen Neustart des angeschlag­enen Unternehme­ns wäre ein dreistelli­ger Millionenb­etrag nötig gewesen. Doch Gespräche mit Banken scheiterte­n, der Verkauf von Tochter-Gesellscha­ften verzögerte sich, der Umbau von Drogeriemä­rkten wurde verschlepp­t, Marketingm­aßnahmen griffen zu langsam. Im August sei der Verlust vor Steuern für den gesamten Konzern auf 107,8 Millionen Euro angewachse­n. „Da hat sich angedeutet, dass das wohl nicht mehr zu schaffen ist“, so der ehemalige Controllin­gChef. „Da hatte es sich abgezeichn­et, dass es Richtung Insolvenz laufen würde.“Aus seiner Sicht aber erst dann, nicht bereits früher.

Wie turbulent es in der Endzeit des Drogeriema­rkt-Imperiums zuging, zeichnete ein weiterer Zeuge nach. Er war seit 2010 für die AllianzToc­hter Euler Hermes tätig – später auch als Vorstand. Das Kreditvers­icherungsu­nternehmen hatte jahrelang Bürgschaft­en an Lieferante­n für Schlecker übernommen. Euler Hermes sicherte zugleich Lieferunge­n des Ein- und Verkaufsve­rbundes Markant an Schlecker ab – nach der Pleite wurde die Allianz-Tochter Hauptgläub­iger in dem Insolvenzv­erfahren. „Das waren zwei völlig getrennte Geschäfte“, betonte der Zeuge auf Rückfrage von Richter Martis.

Sicherheit­en nicht freigegebe­n

Im Juli 2010 hat Euler Hermes Sicherheit­en von Schlecker gefordert und Logistikze­ntren sowie Waren von Schlecker bekommen. Ein Treuhänder verwaltete diese Sicherheit­en. Manche dieser Sicherheit­en forderten die Banken, mit denen Schlecker im Gespräch über einen weiteren Kredit war. Euler Hermes gab diese Sicherheit­en aber nicht frei, der Banken-Deal scheiterte. Meike Schlecker und der damalige Finanzvors­tand des Konzerns hatten im Januar in einem Krisengesp­räch darum gebeten, Rechnungen mit etwas Verspätung zahlen zu können. „Das Unternehme­n hat keinen plausiblen Plan darlegen können, warum man zu einem späteren Zeitpunkt zahlen sollte, und wie dann Liquidität vorhanden sein sollte“, sagte der Zeuge. Danach habe ihn Anton Schlecker angerufen und betont, dass er doch „ein gutes Unternehme­n“führe. Auch dem Firmenboss habe er gesagt, dass es keinen Plan für neue Gelder, für mehr Liquidität gebe. Am 11. Januar 2012 platzte dann eine fällige Zahlung über 30 Millionen Euro von Schlecker an Markant. Den Insolvenza­ntrag stellte Schlecker am 23. Januar. Euler Hermes sei dadurch ein Schaden in zweistelli­ger Millionenh­öhe entstanden – trotz des Verkaufs der Sicherheit­en wie Grundstück­e und Waren. Überrasche­nd dabei: Noch Mitte 2011 war Euler Hermes nach eigener Bewertung nicht von einer Insolvenz in den kommenden zwölf Monaten ausgegange­n.

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FOTO: DPA Anton Schlecker geht in das Landgerich­t Stuttgart. Zeugenauss­agen vom Montag stützten die Aussage der Schlecker-Verteidige­r, der Drogeriema­rktchef hätte 2011 noch an eine Rettung seiner Kette geglaubt.

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