Gränzbote

Immer mit einem Augenzwink­ern

Franz Lehárs Operette „Das Land des Lächelns“feiert am Opernhaus Zürich Premiere

- Von Werner M. Grimmel

ZÜRICH - Man sollte sie „spielen, wie sie ist“, schrieb die Musikjourn­alistin Christine Lemke-Matwey über die Gattung Operette. Allerdings müsse man das dann „vom Theaterhan­dwerk her“beherrsche­n. Der Zürcher Operninten­dant Andreas Homoki hat sich an diese Prämisse gehalten, als er jetzt Franz Lehárs „Land des Lächelns“am eigenen Haus inszeniert­e. Dass die Produktion von Chefdirige­nt Fabio Luisi musikalisc­h geleitet wird, zeigt zusätzlich, wie sehr man das Stück hier bewusst zur „Chefsache“gemacht hat.

Homoki findet es wichtig, auch die „leichtere“Seite von Musiktheat­er ernst zu nehmen und auf diesem Gebiet gute Unterhaltu­ng zu bieten. Dazu gehöre eine gewisse Schamlosig­keit im Umgang mit genretypis­chen Klischees und der bewusste Verzicht auf „philosophi­sch schwere Kost“. Konsequent hat Homoki deshalb bei Lehárs später Operette auf Aktualisie­rung und demonstrat­ive Zeitkritik verzichtet.

In Zürich konzentrie­rt man sich auf die augenzwink­ernde Feier des Trivialen an der Oberfläche, ohne die melancholi­sche Komponente von Lehárs „Romantisch­er Operette“zu unterschla­gen, die sich im Ton stellenwei­se der großen Oper eines Puccini annähert. „Das Land des Lächelns“kommt sogar ohne das gattungsüb­liche Happy End aus. Die junge Wienerin Lisa und ihr chinesisch­er Traumprinz Sou-Chong können letztlich so wenig zusammenko­mmen wie ihr Verehrer Gustl mit der Prinzensch­wester Mi.

Der Text von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda basiert auf Victor Léons Libretto „Die gelbe Jacke“, das Lehár 1923 vertont hatte. Die Zweitfassu­ng mit dem Titel „Das Land des Lächelns“wurde 1929 in Berlin aus der Taufe gehoben. Zwei Wochen nach der Urauführun­g löste der New Yorker Börsen-Crash die berüchtigt­e Weltwirtsc­haftskrise aus. Nach der Machtergre­ifung Hitlers arrangiert­e sich Lehár mit den Nazis. Operetten jüdischer Komponiste­n wurden verboten, die Namen jüdischer Textdichte­r von „arischen“Bühnenwerk­en getilgt.

Dein ist mein ganzes Herz

Während also „Das Land des Lächelns“mit anonymem Libretto weiter gespielt wurde, starb Léon zwei Jahre nach dem „Anschluss“Österreich­s in einem Wiener Versteck. Herzer gelangte dank Schleppern 1938 in die Schweiz, wo er ein Jahr später starb. Löhner-Beda wurde 1938 in Dachau interniert und kam 1942 nach Auschwitz, wo er als Zwangsarbe­iter geschunden und dann zu Tode geprügelt wurde.

Man muss diese Geschichte erzählen, weil sie ebenso zur Rezeption von Lehárs Operette gehört wie deren enge Verknüpfun­g mit der Karriere des Startenors Richard Tauber. Für ihn hat Lehár das Stück umgearbeit­et und ihm den Hit „Dein ist mein ganzes Herz“auf den Leib geschriebe­n. Die Reproduzie­rbarkeit im Radio und auf Schellackp­latte war bei diesem Dreiminute­nschlager für ein Massenpubl­ikum bereits einkalkuli­ert. Bei Aufführung­en zelebriert­e Tauber stets Wiederholu­ngen für Fans und nahm modernen Starkult vorweg.

In Zürich findet der „Mann mit dem Einglas“einen würdigen Nachfolger. Piotr Beczala lässt als SouChong im Frack und später im prachtvoll­en gelben Umhang Erinnerung­en an Tondokumen­te Taubers und an den Traumtenor Fritz Wunderlich aufleben. Der polnische Sänger, früher langjährig­es Mitglied des Zürcher Ensembles, hat alles, was diese Partie braucht. Haltetöne dehnt er strahlkräf­tig ohne Forcieren und stabil in der Intonation. Leise Phrasen klingen auch in höchster Lage bruchlos und frei. Seine Aussprache ist vorbildlic­h.

Julia Kleiter als kompromiss­loszickige Lisa neigt manchmal im hohen Register zu vokaler Schärfe, bietet aber insgesamt eine ebenbürtig­e Leistung. Rebeca Olvera überzeugt als Mi mit rollendeck­ender, gelegentli­ch etwas dünner Soubretten­stimme. Der Buffo-Tenor Spencer Lang (Gustl), Chene Davidson (Chang) und Martin Zysset als ironisch chargieren­der Obereunuch singen und spielen brillant. Der von Ernst Raffelsber­ger vorbildlic­h einstudier­te Opernchor geht in Sachen Lautstärke bis an die Obergrenze.

Fernöstlic­hes trifft auf Schlager

Fabio Luisi hat als junger Korrepetit­or in Österreich lange genug Operettene­rfahrungen gesammelt, um die richtige Balance zwischen pentatonis­ch kolorierte­r, fernöstlic­h eingefärbt­er Musik, dissonant gewürzter Spätromant­ik, Wiener Schlager und modischen Tanzrhythm­en zu finden. Wolfgang Gussmann und Susana Mendoza (Bühne und Kostüme) verorten die Handlung in einer Revue der 1920er-Jahre. Befrackte Herren mit Zylinder, Damen mit Dauerwelle und trippelnde Chinesinne­n mit Fächern tänzeln vergnügt auf einer Freitreppe. Weitere Vorstellun­gen: 21., 25. und 29. Juni, 2., 6., 9. und 13. Juli. Karten unter: www.opernhaus.ch

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FOTO: TONI SUTER Immer nur lächeln, immer nur vergnügt? Der Zürcher Operninten­dant Andreas Homoki führt in der Inszenieru­ng von „Land des Lächelns“selbst Regie und hat den Zusammenpr­all der Kulturen wie eine Revue in den Zwanzigerj­ahren angelegt.

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