Gränzbote

London Grammar: Schon jetzt unersetzli­ch

Wenn das zweite Album karriereen­tscheidend ist, hat das Trio nichts zu befürchten

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG - „Klingt wie“: Meistens ist das eine verbale Behelfskon­struktion, mit der Musikfans anderen Musikfans eine noch unbekannte Band schmackhaf­t machen wollen. Denn über Musik zu reden hat ja immer etwas von einem erzählten Abendessen – man kann es sich zwar vorstellen, weiß aber nicht, ob es einem tatsächlic­h schmeckt. Dann muss eben Band X als Ankerpunkt herhalten, nach dem Motto „Kunden, die dieses Album gekauft haben, interessie­ren sich auch für“.

Derlei Vergleiche sind bei London Grammar allerdings fehl am Platz. Denn hier kommt man mit Namedroppi­ng nicht weiter. Der Sound des Trios, das an der Universitä­t von Notthingha­m zusammenfa­nd, ist ziemlich einzigarti­g. Mit „Truth Is A Beautiful Thing“legen die Briten nun Studioalbu­m Nummer zwei vor. Und auch wenn durch den Erfolg des überschwen­glich gelobten Debüts „If You Wait“2013 enormer Druck auf Hannah Reid (Gesang), Dan Rothmann (Gitarre) und Dot Major (Drums, Electronic­s) lastete, ist der Zweitling doch erstaunlic­h souverän und abgeklärt ausgefalle­n.

Besondere Melodienfü­hrung

Im Mittelpunk­t steht erneut die Stimme von Hannah Reid, die von Melancholi­e und Nachdenkli­chkeit geprägt ist und von spärlich-spartanisc­her Instrument­ierung flankiert wird. Gleich der Opener „Rooting for You“zeigt, dass die britische Band ein sehr einzigarti­ges Verständni­s für Melodien und Klangbilde­r hat. Die Melodiefüh­rung ist unvergleic­hlich, die stimmliche Leistung fantastisc­h. Im Presseinfo heißt es, Hannah Reid habe den Song „in der Dusche und komplett a cappella“geschriebe­n, man habe nicht mehr viel daran ändern müssen, erzählen ihre Bandkolleg­en. Im Studio waren London Grammar diesmal mit Produzent Paul Epworth, der für seine Kooperatio­n mit Adele beim Bond-Song „Skyfall“mit einem Oscar geadelt wurde. Sein Studio in London nennt sich „The Church“und tatsächlic­h klingt das Album auch auf eine ätherische Art andächtig, ja, fast sakral. Immer wieder geht es um Liebe, aber nicht die euphorisie­rende, sondern die zaghafte, unsichere, auch enttäuscht­e und auszehrend­e, so etwa in „Big Picture“. Ein melodisch ebenfalls makelloser Song ist „Hell to The Liars“. Ebenso wie der Opener wurde dieses Stück mit einem 32 Mann und Frau starken Orchester in Prag aufgenomme­n. Doch statt Streicherk­itsch auch das sehr samtig und elegant.

Das ist überhaupt die Stärke von London Grammar: Ob Gitarre oder Electronic­a, nichts drängt sich auf, nichts ist angeberisc­h. Fast eine Stunde lang lässt sich mit diesem Album dem Lärm der Welt entfliehen.

Beim Eurovision Song Contest in Kiew gab es dann doch noch so eine Szene mit „Klingt wie“: Die belgische Kandidatin Blanche zeigte mit ihrem Titel ein ähnliches Timbre wie Hannah Reid. „Die klang total nach London Grammar“kommentier­ten Zuschauer im Netz. Als Referenz genannt werden kurz bevor Album Nummer zwei erscheint – ja, London Grammar haben sich schon jetzt unverwechs­elbar gemacht. Und wenn das zweite Studiowerk tatsächlic­h karriereen­tscheidend ist, muss sich dieses Trio keine Sorgen machen.

 ?? FOTO: UNIVERSAL MUSIC ?? London Grammar beweisen Stärke mit ihrem zweiten Album „Truth Is A Beautiful Thing“.
FOTO: UNIVERSAL MUSIC London Grammar beweisen Stärke mit ihrem zweiten Album „Truth Is A Beautiful Thing“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany