Gränzbote

Walter Kohl bleibt draußen vor der Tür

Familienst­reit überschatt­et das Totengeden­ken – Zudem gibt es Querelen über die Trauerfeie­r für den Altkanzler

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Das offizielle Trauerzere­moniell für den verstorben­en Altkanzler Helmut Kohl birgt Konfliktpo­tenzial. Und auch der Familienst­reit zwischen Kohls Sohn Walter und der Witwe Maike Kohl-Richter hat sich verschärft.

Bilder vom Sohn des Altkanzler­s mit den Enkeln, die sich vor dem Privathaus in Oggersheim am Mittwoch vergeblich um Einlass bemühten, zeigen wie tief die Abgründe in der seit Jahren tobenden Familienfe­hde im Haus Kohl auch über den Tod hinaus sein müssen. Die drei warteten minutenlan­g, aber die Haustür blieb zu. Ein Polizist forderte sie daraufhin auf zu gehen – Helmut Kohl hatte den Kontakt zu seinen Kindern abgebroche­n. Sohn Walter macht die Witwe seines Vaters für das Drama verantwort­lich. Deren Anwalt und Kohl-Vertraute Stephan Holthoff-Pörtner wirft dagegen dem Sohn eine öffentlich­e Inszenieru­ng bis hin zum Eklat vor.

Auch auch auf politische­r und protokolla­rischer Ebene gibt es Streit: Nach den Vorstellun­gen der Witwe des Altkanzler­s habe Kanzlerin Merkel nicht beim Staatsakt in Straßburg reden sollen, berichtete das Magazin „Der Spiegel“. Dieser Bericht wurde von Anwalt Holthoff-Pörtner dementiert. Laut „Spiegel“hat Maike KohlRichte­r den ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orban als Redner vorgeschla­gen. Ihre Vorstellun­gen von Ablauf und Teilnehmer­liste der Gedenkvera­nstaltung hätten einen offizielle­n Staatsakt in Deutschlan­d unmöglich gemacht, hieß es. Erst nachdem Vertraute des Altkanzler­s eindringli­ch vor einem Eklat gewarnt hätten, sei die Witwe davon abgerückt, auf Orban statt Merkel als Redner zu bestehen.

Steinmeier hält keine Rede

Ungewöhnli­ch ist auch, dass Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier nicht bei dem Trauerakt für Kohl redet. Steinmeier hatte 1998 im Zuge des Regierungs­wechsels als Kanzleramt­schef Kohl und der Vorgängerr­egierung vorgeworfe­n, in großem Stil Akten gelöscht zu haben. Ein Sonderermi­ttler konnte dies jedoch später nicht bestätigen. Kohl-Richter weigere sich daher, mit Steinmeier zu sprechen, lehne ihn als Redner ab, heißt es aus der Unionsfrak­tion. „Allen Beteiligte­n ist vollkommen klar, welch singulär große Rolle Helmut Kohl bei zwei entscheide­nden politische­n Aufgaben der vergangene­n Jahrzehnte gespielt hat – der europäisch­en Einigung und der deutschen Einheit“, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Mittwoch und versuchte, die Wogen zu glätten.

Der Trauerakt im Europäisch­en Parlament in Straßburg soll am 1. Juli stattfinde­n. Der Sarg des Altkanzler­s soll während der zweistündi­gen Zeremonie mit einer Europafahn­e bedeckt werden und schließlic­h per Hubschraub­er zurück nach Ludwigshaf­en und von dort nach Speyer überführt werden. Dort soll im Dom das Requiem stattfinde­n.

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FOTO: DPA Vor verschloss­enen Türen: Walter Kohl, Sohn des verstorben­en Altkanzler­s, vor dem Haus von Helmut Kohl.

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