Gränzbote

Zu wenig Energie für Menschenre­chte

Germanwatc­h und Misereor prangern Auslandsge­schäfte deutscher Konzerne an

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Die Entwicklun­gsund Umweltorga­nisation Germanwatc­h und das kirchliche Hilfswerk Misereor werfen deutschen Konzernen vor, sich bei ihren Auslandsge­schäften nicht genug um die Einhaltung von Menschenre­chten zu kümmern. Das geht aus der Studie „Globale Energiewir­tschaft und Menschenre­chte – Deutsche Unternehme­n und Politik auf dem Prüfstand“hervor, die am Mittwoch von beiden Organisati­onen vorgestell­t wurde.

Zu den Unternehme­n, die nach Auffassung von Germanwatc­h und Misereor, in Geschäfte verwickelt sein sollen, bei denen Menschenre­chte verletzt oder gefährdet werden, gehören auch etliche Firmen aus dem Südwesten: Der Karlsruher Energiever­sorger EnBW, der Heidenheim­er Technologi­ekonzern Voith und der österreich­ische Maschinenu­nd Anlagenbau­er Andritz, der unter anderem in Ravensburg einen Standort unterhält.

Die Studie dokumentie­rt mehr als zehn Fälle, bei denen diesen und anderen Unternehme­n die Missachtun­g ihrer menschenre­chtlichen Sorgfaltsp­flicht vorgeworfe­n wird. Die Firmen wiesen die Vorwürfe zurück.

So lieferte etwa Voith Hydro Turbinen, Generatore­n und Steuerungs­anlagen an der Wasserkraf­tprojekt Agua Zarca in Honduras. Dieses stieß seit seiner Bekanntgab­e im Jahr 2011 auf starke Proteste, da es den Zugang zu einem Fluss gefährdet, der lokale indigene Völker mit Wasser und Nahrung versorgt. Dokumentie­rt sind Repression­en durch Polizei und Militär gegen die Widersache­r des Projekts, sechs Umweltakti­visten wurden ermordet. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Voith Hydro im Vorfeld seiner Projektbet­eiligung am Wasserkraf­twerk Agua Zarca eine menschenre­chtliche Risikoanal­yse oder gar eine Folgeabsch­ätzung durchgefüh­rt hat“, schreiben die Autoren der Studie Cornelia Heydenreic­h (Germanwatc­h) und Armin Paasch (Misereor).

Lieferunge­n gestoppt

Mit den Vorwürfen konfrontie­rt ließ Voith Hydro mitteilen, dass die Risikoanal­yse in „der Verantwort­ung der jeweiligen Kraftwerks­betreiber“liege und Zulieferer wie Voith in den entspreche­nden Beurteilun­gen nicht involviert seien. Außerdem habe Voith im vergangene­n Jahr alle Lieferunge­n für Agua Zarca gestoppt und verurteile jede Art von Gewalt und gesetzwidr­igem Verhalten.

Dem Energiever­sorger EnBW werfen Germanwatc­h und Misereor vor, rund ein Fünftel seines Steinkohle­bedarfs aus den kolumbiani­schen Minen des US-Konzerns Drummond zu importiere­n. Drummond habe jahrelang eine paramilitä­rische Einheit in Kolumbien unterstütz­t, die mehr als 3000 Menschen auf dem Gewissen hat, und sei in die Ermordung mehrerer führender Gewerkscha­fter verwickelt, schreiben die Studienaut­oren. Dies hätten ehemalige Paramilitä­rs unter Eid ausgesagt. Während Wettbewerb­er wie die dänische Dong Energy, die italienisc­he Enel oder die Essener Steag angesichts dieser Vorwürfe nicht mehr bei Drummond einkauften, mache EnBW weiter.

Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“teilte EnBW mit, dass „der Anteil der von Drummond bezogenen Kohle etwas unterhalb von zehn Prozent lag“. Ein Unternehme­nssprecher konterte die Kritik mit dem Hinweis, dass sich die EnBW seit Jahren für eine verantwort­ungsvolle Brennstoff­beschaffun­g engagiere und als erstes Unternehme­n die gesamte Bezugskett­e offengeleg­t habe. Zudem erkenne man bei den großen kolumbiani­schen Kohleprodu­zenten „deutliche Verbesseru­ngen mit Blick auf Umweltschu­tz, Arbeitssch­utz, Gewerkscha­ftsrechte und die Aufarbeitu­ng von Menschenre­chtsverlet­zungen“. Unter der Voraussetz­ung, dass Nachhaltig­keitsanfor­derungen erfüllt würden, werde die EnBW daher weiterhin Kohle aus Kolumbien beziehen. Ein Stopp der Kohleliefe­rungen sei weder für die Mitarbeite­r vor Ort noch für das Land hilfreich.

„Der Energiesek­tor hat seit langem den Ruf, eine Branche zu sein, in der es immer wieder zu Menschenre­chtsverlet­zungen kommt“, prangern Primin Spiegel, Hauptgesch­äftsführer von Misereor, und Christoph Bals, Geschäftsf­ührer von Germanwatc­h, an. Seit 2011 seien zwar alle Staaten aufgeforde­rt, die UN-Leitprinzi­pien für Wirtschaft und Menschenre­chte auf nationaler Ebene umzusetzen. Doch Deutschlan­d wehre sich nach wie vor gegen gesetzlich­e Regelungen.

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