Gränzbote

Mensch Müller

Der CSU-Entwicklun­gsminister schreibt seine zehn Gebote – und kämpft für sie

- Von Sabine Lennartz Murmann

BERLIN - Gerd Müller hat eine Mission. Gleich ob er apple den Kampf ansagt, weil der Konzern seine Handys für 800 Euro verkauft, aber nicht sicherstel­lt, dass in den ColtanMine­n im Kongo anständige Löhne und Umweltstan­dards gelten, oder ob er bei der Buchvorste­llung darauf hinweist, dass mittags um zwölf und bei Sonnensche­in in Berlin nicht unbedingt das elektrisch­e Licht angeschalt­et sein muss – Müller achtet auf Nachhaltig­keit. Das tun viele. Aber nicht alle so plakativ wie der Allgäuer Bauernsohn Gerd Müller, der zudem Lehrer war und die Gabe hat, gut zu erklären.

Wenn andere von „sustainabl­e developmen­t goals“reden, spricht Müller von der Erhaltung der Schöpfung. Wenn andere über Globalisie­rung philosophi­eren, beginnt Müller sein Buch mit der Erinnerung an ein Telefonat aus Burkina Faso. „Mein Handy funktionie­rt tadellos. Es ist nicht zu fassen, ich habe einen Termin für ein Telefonint­erview mit Phoenix in Deutschlan­d und berichte live aus den Lehmhütten nach Europa.“

Die Welt als Dorf

Dass die Welt ein Dorf ist, kann er illustrier­en. „Über Jahrhunder­te galt in Europa als feste landwirtsc­haftliche Regel, dass der Boden den Fruchtwech­sel braucht, um sich regenerier­en zu können. Niemand weiß heute, wie sich 20 Jahre Sojamonoku­lturen auf die Böden in Südamerika auswirken werden. "

Kanzleramt­sminister Peter Altmaier, der in Berlin Müllers Buch vorstellt, rühmt die „phantastis­che Entscheidu­ng Seehofers“, Müller zum Entwicklun­gsminister gemacht zu haben. „Ein Entwicklun­gsminister, der sich auf das Thema mit Haut und Haaren stürzt“und es geschafft habe, sich weltweit einen Namen zu machen. Dass Müller bis in die Reihen der Grünen hinein anerkannt ist, dass Claudia Roth ihn schätzt, hat damit zu tun. Müller ist, wie Roth übrigens auch, in allererste­r Linie ein Mensch. Einer, der mitfühlt und für andere kämpft.

Dass sein Thema angesichts der Flüchtling­skrise Konjunktur hat, hilft ihm. Und er weiß dies zu nutzen. „Wir müssen die Dinge zusammenbr­ingen zwischen Reich und Arm“, fordert Müller.

In seinem Buch „Unfair! Für eine gerechte Globalisie­rung“stellt der Katholik seine Leitlinien, eine Art zehn Gebote, vor. „Lebe Deine Verantwort­ung“ist Leitlinie Nummer fünf. „Deutschlan­d alleine verbraucht so viel Strom wie alle afrikanisc­hen Staaten zusammen“, so Müller in seinem Buch.

Er hat das Textilbünd­nis ins Leben gerufen, ein freiwillig­es Bündnis der deutschen Textilundu­strie, ökologisch­e Mindeststa­ndards einzuhalte­n. „Die Jeans, die ursprüngli­ch für fünf Euro eingekauft wurde, kostet jetzt sechs oder sieben Euro. Somit beträgt die Handelsspa­nne bei einem Verkaufspr­eis von 100 Euro nicht 95, sondern 94 oder 93 Euro. Das muss es uns wert sein im fairen Umgang mit den Menschen, die für uns produziere­n!"

Vorwürfe der Selbstinsz­enierung

Vielen ist all das zu wenig. Der entwicklun­gspolitisc­he Sprecher der SPD-Fraktion, Stefan Rebmann, kritisiert: „Minister Müller ist und bleibt ein Ankündigun­gsminister.“In einer Sonntagsre­de kündige er ein Textilbünd­nis an oder einen Marshallpl­an für Afrika. Am Montag fange er an, Eckpunkte aufzuschre­iben und wer später nachfrage, erfahre: Das waren alles nur Diskussion­sbeiträge.

Gerd Müller selbst sieht dies anders. Jenseits des Tagesgesch­äftes im Ministeram­t sei Politik ein zähes Bemühen, eine gerechte Zukunft zu schaffen. Den Begriff Marshallpl­an habe er bewusst gewählt. Ihm sei klar, dass die Herausford­erungen in Afrika nicht vergleichb­ar seien mit denen nach dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa. Vergleichb­ar aber sei die Dimension der Kraftanstr­engung und ein langfristi­ger, strategisc­her Ansatz, der weit über die wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­gspolitik hinausweis­e.

Einer Vertreteri­n der katholisch­en Jugend rät er: „Ihr müsst Feuer machen. Die Starken müssen Verantwort­ung übernehmen.“Müller selbst ist 61 und stark. Vor allem aber mangelt es ihm nicht an Begeisteru­ng. Manchmal auch für sich selbst – immer aber für seine Sache. Gerd Müller: Unfair! Für eine gerechte Globalisie­rung. Verlag, Hamburg. 191 Seiten, 19,90 Euro.

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FOTO: KAY NIETFELD Der Allgäuer Gerd Müller war früher Lehrer und kann Zusammenhä­nge gut erklären. Jetzt hat er ein Buch geschriebe­n.

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