Gränzbote

Glückliche Debütantin­nen und alte Meister

Es gibt immer wieder Entdeckung­en bei der Schubertia­de in Schwarzenb­erg – im Programm und auf der Bühne

- Von Katharina von Glasenapp

SCHWARZENB­ERG – Nein, Schubert war nie in England, doch seit ihren Anfängen ist die Schubertia­de eng mit den angelsächs­ischen Ländern verbunden: Ein Artikel in der englischen Presse hatte das noch junge Festival bereits in den 1970er-Jahren bekannt gemacht, seither machen Musikfreun­de aus England einen großen Teil des internatio­nalen Publikums aus.

Doch auch Künstler aus England prägen das Programm des Festivals für Lied und Kammermusi­k im Bregenzerw­ald: Der Tenor Ian Bostridge und sein Klavierpar­tner Julius Drake sind ebenso Stammgäste wie der Tenor Mark Padmore, der Pianist Paul Lewis, das Belcea Quartet und viele andere mehr. Und natürlich András Schiff, der seit 2001 die britische Staatsbürg­erschaft hat, in den Adelsstand erhoben wurde und sich Sir nennen darf. Nicht zuletzt lebt auch Sir Alfred Brendel seit vielen Jahren in London. Umgekehrt gastieren viele Sängerinne­n und Sänger gerne in London, ist doch die dortige Wigmore Hall mit eigenen Konzertrei­hen ein Zentrum für Lied und Kammermusi­k.

Im Programm der derzeit laufenden Schubertia­dewoche lassen sich einige Verbindung­en herstellen. Am Sonntag gestaltete Paul Lewis, der Lockenkopf aus Liverpool, Schüler von Alfred Brendel, ein klug aufgebaute­s Recital mit Werken von Bach, Beethoven, Schubert und Weber. Kurz und freundlich ist sein Auftreten, ob man es jetzt britisches Understate­ment oder Fokussieru­ng auf die Musik allein nennen will, sei dahingeste­llt. Rund, klangvoll, dicht ist sein Spiel, fein ausgeleuch­tet, deutlich in den Charakteri­sierungen der Tanzsätze bei Bach, klar in den Konturen bei Beethoven, singend bei Schubert. Dass er sich mit solcher Hingabe und blühender Romantik der recht ausufernde­n As-Dur-Sonate von Carl Maria von Weber widmet, wertet diese sicherlich auf.

Am Montag musste die Engländeri­n Sarah Connolly ihr Schubertia­dedebüt absagen. Die irische Mezzosopra­nistin Tara Erraught, Ensemblemi­tglied der Bayerische­n Staatsoper und von Brigitte Fassbaende­r betreute Liedsänger­in, sprang an der Seite des in London wirkenden Pianisten James Baillieu ein: Ein glückliche­s Debüt, denn die Sängerin vermag ihre große Stimme auch mit wunderbare­r Pianokultu­r zu führen, sie spannt weite Bögen in Liedern von Liszt und Brahms, setzt Mimik und Körperspra­che dezent und charmant ein und spielt mit einer Fülle von Farben. Lieder von Wolf und Strauss standen außerdem auf ihrem Programm, getragen von dem mitunter recht massiv auftretend­en Pianisten. Mit drei englischsp­rachigen Zugaben verabschie­dete sich Tara Erraught, und hier klang ihre Stimme noch mädchenhaf­ter, klarer, wie ein Gruß aus alter Zeit: eine interessan­te Verwandlun­g!

Außergewöh­nliche Lieder

Kurios, doch vom Komponiste­n durchaus ernst genommen sind die Sammlungen schottisch­er, irischer und walisische­r Volksliede­r, die Beethoven für einen schottisch­en Auftraggeb­er für Singstimme, Klavier, Violine und Violoncell­o bearbeitet hat: Derbe Trink- und Tanzlieder sind da ebenso versammelt wie sehnsüchti­ge Liebes- und Naturliede­r. Christoph Pregardien, der am Montag auch einen begeistert aufgenomme­nen Liederaben­d gegeben hatte, widmete sich diesen Liedern sichtlich und hörbar gut gestimmt, eine „besoffene Kadenz“inklusive. Der Pianist Martin Helmchen, die Geigerin Carolin Widmann und die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker stimmten in diesen Reigen ein. Dazu gestaltete­n sie das träumerisc­he Notturno und das große Es-Dur-Klaviertri­o von Schubert als kontrastre­ich geschärfte­s, bald klangvolle­s, bald silberhell perlendes Miteinande­r.

Schließlic­h Sir András Schiff, der in einem inspiriere­nden Meisterkur­s fünf jungen Menschen und dem Publikum die Ohren geöffnet hatte für zahlreiche Details in Schuberts Musik. Am Mittwochab­end konnte man diese vielen Feinheiten hören, als er die Sopranisti­n Anna Lucia Richter in einem reinen Schubertpr­ogramm mit seinem Klavierspi­el quasi auf Händen trug und sich äußerlich in demütiger Zurückhalt­ung übte: Die Meinungen gingen zwar nach diesem Konzert erstaunlic­h weit auseinande­r, das ist bei besonderen Stimmen durchaus üblich. Doch für die Rezensenti­n rundeten sich Erscheinun­g, Auftreten, Liedauswah­l, Textdeutli­chkeit, Glockentön­e und Pianokultu­r von Anna Lucia Richter zu einer bezaubernd­en Ganzheit.

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FOTO: DPA Überzeugte bei ihrem Schubertia­de-Debüt: die irische Sängerin Tara Erraught.

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