Spur der Verwüstung
IS sprengt die berühmte al-Nuri-Moschee - Wertvolles Kulturerbe zerstört
Mit ihrer Vertreibung aus dem größten Teil der Stadt Mossul und weiteren Ortschaften der nordirakischen Provinz Ninive wird das Ausmaß der verheerenden Schäden, die die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) während ihrer zweijährigen Herrschaft am Kulturerbe angerichtet hat, immer sichtbarer. Die Verwüstungen sind erschütternd, gerade haben die Dschihadisten die im Mittelalter erbaute große al-Nuri-Moschee, für ihr schiefes Minarett berühmt, gesprengt – dort rief 2014 IS-Anführer al Bagdadi sein „Kalifat“aus. Bereits vor Beginn der Befreiungsoffensive im vergangenen Oktober schätzte Abu Bakr Kanaan, Direktor der für die religiösen Belange, Stiftungen und Einrichtungen der Sunniten zuständigen Waqf-Behörde der Provinz, die Zahl der dort von den radikalen Islamisten zerstörten Moscheen und islamischen Grabstätten auf etwa hundert.
Rund die Hälfte davon befand sich innerhalb der Stadt Mossul. Laut dem 2014 begonnenen Dokumentationsprojekt „Mossuls Monumente in Gefahr“des Orientalischen Instituts der tschechischen Wissenschaftsakademie in Prag trafen die meisten Zerstörungen den Westteil der Stadt, der noch immer hart umkämpft ist. Im Februar bezifferte die am Projekt beteiligte tschechische Archäologin Lenka Starková die Zahl der zerstörten Architekturdenkmäler in der Stadt auf 47. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Sakralbauten, darunter mehrere Kirchen und Klöster. Im islamischen Sektor fielen dem Vandalismus der IS-Terromiliz schon kurz nach ihrer Einnahme der Stadt im Sommer 2014 vor allem schiitische Moscheen zum Opfer. Bald folgten Begräbnisstätten geachteter sunnitischer Persönlichkeiten, in denen die wahhabitisch geprägte Terrormiliz die ihr verhasste Heiligenverehrung wittert.
Zu den größten und eindrucksvollsten Monumenten gehörte die nach dem Propheten Jona (Nabi Yunus) benannte Moscheeanlage im Ostteil der Stadt, von der nach den massiven Sprengungen durch den IS im Jahr 2014 nur Mauerreste übriggeblieben sind. Die baugeschichtlichen Anfänge der Anlage reichen bis in die assyrische Ära. Im heutigen nördlichen Ostteil Mossuls lag einst die assyrische Stadt Ninive, die König Sanherib im 7. Jahrhundert vor Christus zur Hauptstadt seines Reiches machte. Das zum Teil überbaute Areal mit der Palast- und Tempelanlage in Tell Kujundschik ist gut erforscht. Hier wurde im 19. Jahrhundert die berühmte Tontafel-Bibliothek des Königs Aschurbanipal entdeckt, zu der auch das Gilgamesch-Epos gehört.
Die Schätze Ninives
An den antiken Ruinen von Ninive scheinen sich die Islamisten zwar nicht vergriffen zu haben, wohl aber an der modernen Rekonstruktion des monumentalen westlichen Stadttors (Mashki-Tor), das mit Baggern planiert wurde. Eine geflügelte Torwächter-Figur (Lamassu), die am nördlichen Nergal-Tor stand, wurde vom IS entfernt und wegtransportiert. Dass die Nabi-Yunus-Anlage und ihre Umgebung im größtenteils überbauten südlichen Teil des einstigen Ninive noch Schätze aus assyrischer Zeit bergen könnte, dürften die im Antikenraub geübten Dschihadisten gewusst haben. Tatsächlich machten sie sich nach der Sprengung der Moscheeanlage ans Werk und gruben dort mehrere Tunnel, die erst im Februar, nach der teilweisen Befreiung der Stadt, von irakischen Soldaten entdeckt wurden.
Die Funde sorgen unter Assyrologen für Aufsehen. Der niederländische Archäologe David Kertai, Experte für assyrische Architektur, meint, dass die entdeckten Steinreliefs und ein monumentaler Lamassu die bisherige Annahme von der Existenz eines assyrischen Palastes unterhalb der Nabi Yunus-Moschee zwar stützten. Aber die dort entdeckte Steintafel mit einer Inschrift von König Asarhaddon sei noch kein Beweis dafür, dass es sich bei den Funden auch wirklich um seinen Palast handele. Denn es sei offensichtlich, dass an der freigelegten Fundstelle Bauteile aus verschiedenen Perioden verbaut wurden – ein großes Relief mit menschlichen Figuren stehe sogar auf dem Kopf.
Was mit den einsturzgefährdeten Ruinen der Moscheeanlage und den Funden geschehen soll, ist noch unklar. Ginge es nach der Vorsitzenden des Kulturausschusses des irakischen Parlaments Maysun al-Damludschi, die unlängst die Stadt besuchte, so sollten die Mauerreste vorerst erhalten und die entdeckten assyrischen Schätze in das irakische Nationalmuseum nach Bagdad gebracht werden.
Auch die Zukunft des vollständig ausgeraubten und teilweise durch einen Brand zerstörten Museums von Mossul ist noch ungewiss. Pläne für seinen möglichen Wiederaufbau werden der Münchner Archäologin Simone Mühl zufolge, die an mehreren Initiativen zur Dokumentation und Erhaltung des Kulturerbes in Irak beteiligt ist, derzeit von einer Kommission der irakischen Antikenverwaltung diskutiert.