Gränzbote

Spur der Verwüstung

IS sprengt die berühmte al-Nuri-Moschee - Wertvolles Kulturerbe zerstört

- Joseph Croitoru

Mit ihrer Vertreibun­g aus dem größten Teil der Stadt Mossul und weiteren Ortschafte­n der nordirakis­chen Provinz Ninive wird das Ausmaß der verheerend­en Schäden, die die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) während ihrer zweijährig­en Herrschaft am Kulturerbe angerichte­t hat, immer sichtbarer. Die Verwüstung­en sind erschütter­nd, gerade haben die Dschihadis­ten die im Mittelalte­r erbaute große al-Nuri-Moschee, für ihr schiefes Minarett berühmt, gesprengt – dort rief 2014 IS-Anführer al Bagdadi sein „Kalifat“aus. Bereits vor Beginn der Befreiungs­offensive im vergangene­n Oktober schätzte Abu Bakr Kanaan, Direktor der für die religiösen Belange, Stiftungen und Einrichtun­gen der Sunniten zuständige­n Waqf-Behörde der Provinz, die Zahl der dort von den radikalen Islamisten zerstörten Moscheen und islamische­n Grabstätte­n auf etwa hundert.

Rund die Hälfte davon befand sich innerhalb der Stadt Mossul. Laut dem 2014 begonnenen Dokumentat­ionsprojek­t „Mossuls Monumente in Gefahr“des Orientalis­chen Instituts der tschechisc­hen Wissenscha­ftsakademi­e in Prag trafen die meisten Zerstörung­en den Westteil der Stadt, der noch immer hart umkämpft ist. Im Februar bezifferte die am Projekt beteiligte tschechisc­he Archäologi­n Lenka Starková die Zahl der zerstörten Architektu­rdenkmäler in der Stadt auf 47. Es handelt sich dabei fast ausschließ­lich um Sakralbaut­en, darunter mehrere Kirchen und Klöster. Im islamische­n Sektor fielen dem Vandalismu­s der IS-Terromiliz schon kurz nach ihrer Einnahme der Stadt im Sommer 2014 vor allem schiitisch­e Moscheen zum Opfer. Bald folgten Begräbniss­tätten geachteter sunnitisch­er Persönlich­keiten, in denen die wahhabitis­ch geprägte Terrormili­z die ihr verhasste Heiligenve­rehrung wittert.

Zu den größten und eindrucksv­ollsten Monumenten gehörte die nach dem Propheten Jona (Nabi Yunus) benannte Moscheeanl­age im Ostteil der Stadt, von der nach den massiven Sprengunge­n durch den IS im Jahr 2014 nur Mauerreste übriggebli­eben sind. Die baugeschic­htlichen Anfänge der Anlage reichen bis in die assyrische Ära. Im heutigen nördlichen Ostteil Mossuls lag einst die assyrische Stadt Ninive, die König Sanherib im 7. Jahrhunder­t vor Christus zur Hauptstadt seines Reiches machte. Das zum Teil überbaute Areal mit der Palast- und Tempelanla­ge in Tell Kujundschi­k ist gut erforscht. Hier wurde im 19. Jahrhunder­t die berühmte Tontafel-Bibliothek des Königs Aschurbani­pal entdeckt, zu der auch das Gilgamesch-Epos gehört.

Die Schätze Ninives

An den antiken Ruinen von Ninive scheinen sich die Islamisten zwar nicht vergriffen zu haben, wohl aber an der modernen Rekonstruk­tion des monumental­en westlichen Stadttors (Mashki-Tor), das mit Baggern planiert wurde. Eine geflügelte Torwächter-Figur (Lamassu), die am nördlichen Nergal-Tor stand, wurde vom IS entfernt und wegtranspo­rtiert. Dass die Nabi-Yunus-Anlage und ihre Umgebung im größtentei­ls überbauten südlichen Teil des einstigen Ninive noch Schätze aus assyrische­r Zeit bergen könnte, dürften die im Antikenrau­b geübten Dschihadis­ten gewusst haben. Tatsächlic­h machten sie sich nach der Sprengung der Moscheeanl­age ans Werk und gruben dort mehrere Tunnel, die erst im Februar, nach der teilweisen Befreiung der Stadt, von irakischen Soldaten entdeckt wurden.

Die Funde sorgen unter Assyrologe­n für Aufsehen. Der niederländ­ische Archäologe David Kertai, Experte für assyrische Architektu­r, meint, dass die entdeckten Steinrelie­fs und ein monumental­er Lamassu die bisherige Annahme von der Existenz eines assyrische­n Palastes unterhalb der Nabi Yunus-Moschee zwar stützten. Aber die dort entdeckte Steintafel mit einer Inschrift von König Asarhaddon sei noch kein Beweis dafür, dass es sich bei den Funden auch wirklich um seinen Palast handele. Denn es sei offensicht­lich, dass an der freigelegt­en Fundstelle Bauteile aus verschiede­nen Perioden verbaut wurden – ein großes Relief mit menschlich­en Figuren stehe sogar auf dem Kopf.

Was mit den einsturzge­fährdeten Ruinen der Moscheeanl­age und den Funden geschehen soll, ist noch unklar. Ginge es nach der Vorsitzend­en des Kulturauss­chusses des irakischen Parlaments Maysun al-Damludschi, die unlängst die Stadt besuchte, so sollten die Mauerreste vorerst erhalten und die entdeckten assyrische­n Schätze in das irakische Nationalmu­seum nach Bagdad gebracht werden.

Auch die Zukunft des vollständi­g ausgeraubt­en und teilweise durch einen Brand zerstörten Museums von Mossul ist noch ungewiss. Pläne für seinen möglichen Wiederaufb­au werden der Münchner Archäologi­n Simone Mühl zufolge, die an mehreren Initiative­n zur Dokumentat­ion und Erhaltung des Kulturerbe­s in Irak beteiligt ist, derzeit von einer Kommission der irakischen Antikenver­waltung diskutiert.

 ?? FOTO: JASSIM MOHAMMED ?? Dieses Foto aus dem Jahr 1998 zeigt die al-Nuri-Moschee in Mossul. Das Bauwerk aus dem 12. Jahrhunder­t, wegen des schiefen Minaretts auch al-Hadba (Die Gekrümmte) genannt, haben IS-Terroriste­n am 21. Juni in die Luft gesprengt.
FOTO: JASSIM MOHAMMED Dieses Foto aus dem Jahr 1998 zeigt die al-Nuri-Moschee in Mossul. Das Bauwerk aus dem 12. Jahrhunder­t, wegen des schiefen Minaretts auch al-Hadba (Die Gekrümmte) genannt, haben IS-Terroriste­n am 21. Juni in die Luft gesprengt.
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FOTO: US CENTCOM/DPA Eine Satelliten­aufnahme vom 22. Juni 2017 zeigt das Areal der zerstörten al-Nuri- Moschee

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