Liechtensteiner Pfarrer ist ein Mahlstetter
Helmut Sobko wollte nicht „Zwangspensionär“sein und leitet jetzt die Gemeinde in Vaduz
Spezialeinsatzkommando auf Drogenrazzia
BAD DÜRRHEIM (wst)- Die schwarzvermummten Männer kamen plötzlich und unvermittelt gegen 3 Uhr nachts: In Bad Dürrheim gab es eine Drogenrazzia. Zeugenaussagen nach war vermutlich das ehemalige Gasthaus „Engel“Ziel des Spezialeinsatzkommandos (SEK) und Mobileinsatzkommandos (MEK). Nach Angaben eines Polizeisprechers ging es bei dem Einsatz um eine Durchsuchung, welche mit Drogen zu tun hatte. Herr des Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft Konstanz. Diese wie auch die Polizei gaben sich gestern sehr zurückhaltend mit Informationen – aus ermittlungstaktischen Gründen. Zunächst will man nun das Ergebnis der Durchsuchung prüfen, eventuell müssen weitere Maßnahmen vorgenommen werden. Zeitgleich zum Einsatz in Bad Dürrheim schlugen die Beamten in mehreren Orten zu. MAHLSTETTEN - Der Leiter der evangelisch-lutherischen Kirche im Fürstentum Liechtenstein ist ein Mahlstetter. Diese verblüffende Tatsache hat aber ganz feine, bescheidene Hintergründe. Denn in Liechtenstein ist die katholische Kirche Staatskirche und durch gute Verbindungen trotz der Minigröße von 36000 Einwohnern sogar ein Erzbistum. Außerdem gibt es die Reformierten wie in der benachbarten Schweiz. Kurz: Pfarrer Helmut Sobko betreut rund 270 Gemeindemitglieder, die allerdings weit verstreut leben: In Liechtenstein selbst und im unteren Rheintal von St. Gallen bis Chur.
Sobko pendelt nach Vaduz. An drei Wochenenden bietet er Gottesdienste an, an einem nicht. An 13 Tagen ist er in Liechtenstein, den Rest zuhause bei seiner Frau in Mahlstetten – oder bei seinen Kindern, Enkeln und inzwischen sogar einem Urenkel in Thüringen, seiner Heimat. Und wenn etwas Dringendes sein sollte – es war schon zweimal der Fall – dann sei er in zwei Stunden bei seiner Gemeinde.
Sobko hat als Pfarrer an den Reformbestrebungen in der DDR teil genommen und den Konflikt nicht gescheut. Aus privaten Gründen nach Baden-Württemberg gekommen, hat er in der Nähe von Stuttgart gearbeitet. Er sei nach seiner Pensionierung „selbstverständlich davon ausgegangen, dass ich kostenlos weiter arbeiten kann“. Da hat er aber nicht mit den Regeln der Landeskirche gerechnet, die nicht wollte, trotz Pfarrermangels. „Aber ich fühlte mich nicht als Pensionär. Ich habe gelernt, Pfarrer ist man ein Leben lang“. Ein sozialarbeiterischer Telefondienst war ihm nicht genug, zwischenzeitlich war er ganz nach Mahlstetten gezogen und hat hier in der zugehörigen Gemeinde Rietheim während der Vakanz ausgeholfen. Als dann die Ausschreibung der Liechtensteiner Gemeinde im Pfarrerblatt kam, habe er auf die Karte geschaut, gesehen, dass es „nur“160 Kilometer sind, und sich beworben.
Sobko sagt, er wundere sich selbst, dass er den Schritt mit 70 Jahren gewagt hat – das war vor zwei Jahren. Aber die so eingeteilte Arbeit, rund die Hälfte in Vaduz und die andere Hälfte auf seiner „Insel“, wie er sagt in Mahlstetten, scheinen ihn eher zu verjüngen. Die Gemeinde profitiert, denn sie trägt zwar die Kosten, auch die für eine Wohnung in Vaduz, aber Gehalt bekommt Sobko keines. Er ist ja Pensionär.
Wie eine Welt im Brennglas
Eigentlich ist die evangelisch-lutherische Johannes-Gemeinde mit ihrem Holzbaukirchlein – einst eine Notkirche aus Stuttgart – auch eine Insel. Die persönlichen Beziehungen seien wichtig, sagt Sobko. Aber auch diese Gemeinde werde immer älter. Sie besteht überwiegend aus beruflich in die angrenzende Schweiz und nach Liechtenstein gezogenen Mitgliedern. Die Jüngeren zögen allerdings oft weg, es sei ihnen zu eng, meint Sobko.
Mit seiner neuen Arbeitsheimat hat sich der Pfarrer intensiv beschäftigt, beobachtet diesen Kleinstaat von der Größe einer kleinen Kreisstadt mit allem, was es braucht, vom Parlament über ein Verwaltungsund Gesundheitssystem, Feuerwehr, Polizei und mehr, genau. Den Fürsten, der sich um sein Land kümmere und den die Bewohner lieben, die Bewohner, die sich glücklich schätzen, dort zu leben, die Kleinlichkeiten und gleichzeitig die Größe des Finanzplatzes mit astronomischen Mieten für Büros, die teils reaktionären Ansichten der Bevölkerung und die soziale Verantwortung seiner Gemeinde für Entwicklungsprojekte in Lateinamerika und Afrika.
Gerade für die älteren Gemeindeglieder sei die Johanneskirche ein Stück Heimat. Immer gebe es Kirchenkaffee nach den Gottesdiensten und auch sonst bietet die Gemeinde Vorträge und ähnliches an. Manche Mitglieder nehmen viel auf sich, um am Sonntag dazu zu stoßen, etwa eine 95-jährige Frau, die Zug und Bus mit dreimal Umsteigen benutzt, um zu kommen. „Für Gott, Fürst und Vaterland“lautet der Leitspruch der Liechtensteiner. Sobko beobachtet diese Kombi genau und mit einem Schmunzeln. Und die beiden Welten werden einander begegnen, denn der evangelische Pfarrer ist ja nach wie vor Mitglied im katholischen Kirchenchor in Mahlstetten: Im August macht dieser einen Ausflug nach Vaduz und singt im Gottesdienst, und im September macht die Gemeinde ihren Ausflug nach Mahlstetten.