Chefin weg, alle Fragen offen
Personalie Kaltenborn überrascht auch Pascal Wehrlein
BAKU (SID/dpa) - Pascal Wehrlein wusste, was da auf ihn zukam. Mit knappen und unverfänglichen Antworten versuchte der Sauber-Pilot aus Worndorf (Landkreis Tuttlingen), die hartnäckigen Nachfragen zum nebulösen Aus von Teamchefin Monisha Kaltenborn zu bedienen. „Sehr überrascht“sei er gewesen, als die erste Frau an der Spitze eines Formel-1-Teams ihn am Dienstagabend von ihrer Demission unterrichtete. „Ich bin sehr gut mit ihr ausgekommen. Aber für mich persönlich ändert sich nichts. Ich will immer mein Bestes geben“, sagte der 22-Jährige vor dem Großen Preis von Aserbaidschan in Baku (Sonntag, 15 Uhr/RTL, Sky). Während sich Wehrlein und das Team einfach nur Ruhe wünschen, stellen sich Beobachtern von außen zwangsläufig Fragen: Wie kam es zur Trennung? Und wie geht es weiter mit dem eidgenössischen Rennstall?
In der Nacht zu Donnerstag bestätigte die Sauber Holding AG, hinter der sich die schwedischen Teambesitzer von Longbow Finance verbergen, in sechseinhalb schmucklosen Zeilen, was zu diesem Zeitpunkt längst kein Geheimnis mehr war. „Unterschiedliche Sichtweisen führten zu einer sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit in beidseitigem Einvernehmen“, erklärte Pascal Picci, Chef der Holding. Nach fast 20 Jahren ist die streitbare Österreicherin Kaltenborn in Hinwil Geschichte.
Zugleich trat Picci vehement Medienberichten entgegen, wonach der schwedische Pilot Marcus Ericsson gegenüber seinem Teamkollegen Wehrlein bevorteilt würde. Das finanziell angeschlagene Team war im vergangenen Juli durch Millionenzahlungen aus Schweden gerettet worden. Die Behauptung sei „nicht nur offensichtlich unwahr“, sie stehe auch im Gegensatz zur Verpflichtung des Teams zum fairen Wettbewerb, so Picci. „Wir haben ein normales Verhältnis, sind uns auf der Strecke nie zu nah gekommen“, sagte Wehrlein.
Vor ihrer Berufung zur Teamchefin als Nachfolgerin von Gründer Peter Sauber war die gelernte Juristin Kaltenborn seit 1998 in verschiedenen Funktionen für den Rennstall tätig, der seit 25 Jahren in der Formel 1 mitmischt – nur Ferrari, McLaren und Williams sind länger ununterbrochen dabei. Die Verantwortlichkeiten nach der Demission der 46-Jährigen sind zunächst nur für das anstehende Rennen geregelt. Teammanager Beat Zehnder und der Technische Direktor Jörg Zander haben in Baku die operative Führung inne. Hinter den Kulissen wird bereits an einer Dauerlösung gearbeitet. Als Kandidaten sind offenbar frühere Teamchefs wie Colin Kolles, Fréderic Vasseur und Graeme Lowdon im Gespräch. „Ich weiß nicht, was ich davon erwarten soll“, sagt Pascal Wehrlein mit Blick auf die Teamchef-Suche.