Brahms wie gesungen
Müssen wir uns Johannes Brahms als glücklichen Menschen vorstellen? Vermutlich eher nicht. Trotzdem entlässt Brahms seine Zuhörer geistig behütet nach Hause, gerade bei Werken, bei denen es um Tod und Abschied geht. Auch Hölderlins „Schicksalslied“mit seinem heillosen Ende („es fallen die leidenden Menschen ins Ungewisse hinab“) stattet Brahms mit einem Nachspiel aus, das aus der Dramatik des Textes herausführt. Das „Schicksalslied“ist zusammen mit der „Alt-Rhapsodie“ein beeindruckendes Zeugnis der Kunst Philippe Herreweghes, seines Chores und Orchesters.
Herreweghe hat sich zum 70. Geburtstag eine Brahms-CD in seinem Label „Phi“gegönnt, in der die beiden Chorwerke auf die 4. BrahmsSinfonie folgen. Auf der CD erlebt man den Auftritt des Chores als Qualitätssprung. Im Booklet schreibt der Jubilar, dass Brahms vom Gesang her denke. Die Kombination von Brahms’ Sinfonik und Chorwerk hatte schon Abbado in seiner Berliner Ära aufs Programm gesetzt.
Die Ergebnisse sind trotzdem unterschiedlich. Am auffälligsten ist, dass Herreweghe die Sinfonie in einer ausgeglichenen Affektstufe plaziert. Man hört ihm mit Interesse zu, weil die Musik zügig voranschreitet, er allen Übertreibungen und auch dem Spiel von Gas- und Bremspedal aus dem Weg geht. Sie bleibt allerdings, gerade im 1. Satz, auch konturschwach. (man) Brahms: Sinfonie Nr. 4, Herreweghe, Orchestre des ChampsElysées, LPH 025.