Gränzbote

Staatsanwä­lte kritisiere­n Polizeiref­orm

Qualität der Ermittlung­en soll gelitten haben – Probleme bei Sexualdeli­kten

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Staatsanwä­lte im Land üben scharfe Kritik an der Polizeiref­orm von Grün-Rot aus dem Jahr 2014. Die Kriminalpo­lizei sei personell geschwächt, sagen sie. Das Ergebnis aus Sicht der Juristen: Es gibt weniger Ermittlung­en bei Rauschgift­delikten und organisier­ter Kriminalit­ät. Insgesamt habe die Qualität der Kripo-Arbeit erheblich gelitten – unter anderem bei Sexualdeli­kten. Das zeigt eine Stellungna­hme, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Darin fasst der Chef der Staatsanwa­ltschaft Heilbronn, Frank Rebmann, zusammen, was seine Kollegen im Land von der Reform der Polizei halten. Der damalige Innenminis­ter Reinhold Gall (SPD) hatte aus vier Landespoli­zeidirekti­onen und 37 Präsidien und Direktione­n zwölf regionale Präsidien gemacht. Hinzu kamen drei Spezialprä­sidien.

„Keine Verbesseru­ngen“

Nach den Landtagswa­hlen 2016 vereinbart­en Grüne und CDU, die Reform zu überprüfen. Das hat eine Expertengr­uppe getan. Sie schlägt 14 statt der bisherigen zwölf Präsidien vor – mit neuen Standorten in Ravensburg, Pforzheim und Esslingen oder Waiblingen. Tuttlingen würde leer ausgehen. Die Ergebnisse werden jetzt von den Fraktionen diskutiert. Am Mittwoch wollen sich Grüne und CDU auf ein Modell einigen.

Ende 2016 wurden die Staatsanwä­lte um ihre Einschätzu­ng gebeten. Ihr Urteil fällt kritisch aus: Die Reform habe für die Arbeit der Staatsanwa­ltschaften „keine spürbaren Verbesseru­ngen“gebracht.

Lob für Kriminalte­chnik

Dennoch loben sie einige Punkte. Bewährt habe sich die zentralen Unfallaufn­ahmen, die Inspektion Computerkr­iminalität und die Kriminalte­chnik. Aus Sicht der Juristen waren aber vor allem die regionalen Neuordnung­en nicht notwendig.

Heute sind die zwölf Präsidien für sehr große Regionen zuständig. 2014 änderte sich außerdem die Struktur der Kriminalpo­lizei. Gerade diese bewerten die Staatsanwä­lte sehr kritisch. Sie sehen gravierend­e Mängel bei Verfahren, in denen die Kriminalpo­lizei aufwendig ermitteln müsste. Die Kripo habe seit der Reform noch weniger Personal, daher gebe es einen „Qualitätsv­erlust“. Gegen Dealer, organisier­te Kriminalit­ät und Online-Verbrecher werde daher nicht mehr so häufig ermittelt wie zuvor. Außerdem müssten Kripo-Beamte gerade in großen Präsidien wie Konstanz sehr weit zu einem Einsatzort fahren. Die zuständige­n Beamten würden sich vor Ort nicht auskennen, regionale Besonderhe­iten seien ihnen nicht geläufig. Eine Konsequenz: „Besonders im hochsensib­len Bereich der Erstermitt­lungen bei Sexualdeli­kten“habe die Qualität zum Teil „erheblich“nachgelass­en.

Wegen der weiten Anfahrtswe­ge werde oft die Schutzpoli­zei eingesetzt – und zwar in Fällen, in denen eigentlich die Kripo zuständig wäre. Sie werde mit Fällen beauftragt, „für die ihr die Sachkunde“fehle. Diesen Vorwurf weist Manfred Klumpp, Landeschef des Bundes der Kriminalbe­amten, aber zurück: „Die Schutzpoli­zei hat selbst zu wenig Personal dafür“. Absprachen innerhalb der Kripo seien trotz neuer Zuschnitte keineswegs komplizier­ter als vor der Reform.

Suche nach den Zuständige­n

Die Juristen lassen an den regionalen Veränderun­gen kein gutes Haar. Die Zuschnitte passen laut der Stellungna­hme nicht zu jenen der Staatsanwa­ltschaften. Allerdings sind die Strukturen der 17 Landgerich­tsbezirke und der zugehörige­n Staatsanwa­ltschaften im Land historisch gewachsen. Deshalb gibt es Regionen, in denen eine Staatsanwa­ltschaft mit Polizeidie­nstellen zusammenar­beitet, die zu unterschie­dlichen Präsidien gehören. Das würde die nun diskutiert­e Neuordnung nicht gänzlich ändern.

Dennoch machen die seit 2014 geltenden Zuschnitte aus Sicht der Staatsanwä­lte erhebliche Probleme. So seien zuständige Polizeibea­mte häufig nur mühsam ausfindig zu machen. Eine gute Kooperatio­n ist aber notwendig, um Verfahren rasch vor Gericht zu bringen. Staatsanwä­lte ermitteln mit der Polizei und bereiten die Anklagen für einen Prozess vor.

14 Präsidien sind sinnvoll

Der Oberstaats­anwalt in Ravensburg plädiert deshalb für ein Präsidium vor Ort. Den Wunsch nach einem solchen Präsidium äußern die Vertreter der Behörden aus Pforzheim. Außerdem schlagen die Staatsanwä­lte vor, ein Präsidium für den RemsMurr-Kreis und Esslingen zu gründen.

Diese Argumente untermauer­n, was die Expertenko­mmission zur Evaluation der Polizeiref­orm empfehlen. Sie halten ein Modell mit 14 Präsidien im Land für sinnvoll – mit ähnlichen Zuschnitte­n, die die Staatsanwä­lte ebenfalls favorisier­en.

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FOTO: DPA Experten bemängeln die Qualität der Polizeiarb­eit im Land seit der Polizeiref­orm von 2014.

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