Auch Wald steht Arten im Weg
Besuch des Grünen-Staatssekretärs wird Lehrstück über Bürokratie
BÖTTINGEN/MAHLSTETTEN - Eigentlich hatte der Grüne Staatssekretär im Landes-Umweltministerium und promovierte Biologe Andre Baumann zwei Landschaftspflegemaßnahmen auf dem Heuberg anschauen wollen: die von Schäfer Gustav Villing und dem Albverein sowie anderen Akteuren im Naturschutzgebiet Alter Berg; und einen anstehenden im Lippachtal zum Schutz des seltenen Schwarzen Apollo-Falters. Aber dann ist der Besuch auch dank der hochkarätigen Teilnehmer zu einem Lehrstück über Bürokratie geworden.
Hauptredner waren Thomas Stehle, Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbands im Kreis und Alois Kapfer, Landschaftsökologe und Kreisvorsitzender der Grünen. Neben weiteren Grünen Vorstandsmitgliedern und dem Bundestagskandidaten waren auch die Vorsitzenden des BUND im Kreis und Stadt Tuttlingen, des NABU Tuttlingen und Spaichingen und weitere Landwirte da.
Bürgermeister Benedikt Buggle appellierte daran, mit Naturschutz die Entwicklung der Gemeinden nicht zu ersticken. Ein Böttinger Betrieb habe zwei bis drei Jahre warten müssen, bis ein seltener Vogel umgesiedelt worden sei und damit eine sechsstellige Summe an Aufträgen verloren. Und wenn die Gemeinden Innen- statt Außenentwicklung vorantrieben, dann stehe der Denkmalschutz im Weg. Er appellierte daran, den Naturschutz „mit Maß und Mitte“zu verfolgen.
Baumann erinnerte daran, dass Helmut Kohl vor 25 Jahren die FFHRichtlinie zum Schutz der Arten unterschrieben habe. „Wir haben Verantwortung, diese für unsere Nachkommen zu erhalten. Und je länger er sich die Lage am alten Berg erläutern ließ, desto mehr schwoll ihm der Hals.
Denn: Landschaftspflege nach der ersten Auslichtaktion muss sich für einen Schäfer lohnen, er lebt ja davon. Die artenreichen Rasen und Wiesen können nur bei Beweidung erhalten bleiben, sonst verfilzt der Boden und der Wald macht sich breit. Das sei schon jetzt so. Und dann kommt’s: Die Flächen gelten auch als Flächen, nach denen Landwirte bezuschusst werden. Und dann würden die Kontrolleure des Regierungspräsidiums darüber diskutieren, ob das Gras unter den Sitzbänken subventionierte Fläche sei oder nicht. Und noch mehr: Bei der Auslichtaktion wurde eine Fläche ausgebuscht und plötzlich verfiel wegen ein paar stehender Bäume der Forst auf den Gedanken, dass dies, also auch die Grasfläche dazwischen, nun Wald sei und nicht landwirtschaftliche Fläche. Also kein Geld für den Schäfer.
Dabei, und das bewies Stehle eindrücklich mit Bildern, habe sich die Waldfläche am Alten Berg enorm ausgebreitet und zwar mit Monokulturen, die genau das Gegenteil von Artenreichtum seien. Mehr noch: Vermutlich als Ausgleich für die Daimler-Baustelle würden Flächen aufgeforstet, die dringend notwendige Sichtachsen des Raubwürgers, eines sehr seltenen Vogels, versperrten, so Oliver Burry. Aus Artenschutzgründen seien lichte Wälder wünschenswert, so Baumann, die auch wie früher beweidet werden könnten. Die Übergänge von Freifläche zu Wald seien für viele Arten sehr wichtig. Und was sich hier noch nicht herumgesprochen zu haben scheint: „Das Walderhaltungsgebot ist ausgesetzt“, so Baumann.