Gränzbote

Biologen ernten heimische Blumensame­n

Pilotproje­kt soll helfen, die Artenvielf­alt im Landkreis zu erhalten

- Von Regina Braungart

BÖTTINGEN/EMMINGEN-LIPTINGEN/HATTINGEN - Es sieht ein wenig aus wie eine Straßenbür­ste mit Auffangbeh­älter, nur dass die Bürste sich nicht am Boden dreht, sondern einige Zentimeter drüber. Und dass mit dem Gefährt im Rahmen eines von der Stiftung Naturschut­zfonds finanziert­en und vom Regierungs­präsidium beauftragt­en Pilotproje­kt über eine Blumenwies­e gefahren wird und das Wunschziel nicht eine saubere Wiese ist. Sondern das, was im Auffangbeh­älter gelandet ist, ist das Wertvolle: Blumen- und Gräsersame­n.

Der Kreis Tuttlingen verfügt über zehn Prozent der Flachland-Mähwiesen des Landes. Sie sind „mager“, also nicht sehr stark, und idealerwei­se mit Mist und nicht Gülle gedüngt. Und sie werden ein, oder maximal zwei Mal gemäht wenn die Samen schon reif sind. Sie sind - deshalb auch durch die FFH-Richtlinie der Europäisch­en Union geschützt – das Schatzkäst­lein der heimischen Blumenarte­nvielfalt.

50 verschiede­ne Pflanzenar­ten

50 verschiede­ne Pflanzenar­ten haben die für den dreijährig­en Modellvers­uch beauftragt­en Biologen des Überlinger Büros „365° Freiraum und Umwelt“Jochen Kübler und Claudia Huesmann etwa auf der Wiese des Landwirts Grimm in Böttingen gefunden.

Auf einer intensiv bewirtscha­fteten Wiese sind es 15, manchmal nur fünf oder sechs. Grimm und Schäfer Rieber im Bereich Mühlebohl bei Emmingen-Liptingen haben Flächen für den Modellvers­uch zur Verfügung gestellt. Es geht um die heimischen Blumen- und Gräsersame­n. Der Schüler Robin Bauer aus Stetten/Donau hat mit dem E-Beetle von Hand geerntet, am Mühlebohl wurde auch mit Mähdresche­r geerntet.

Die Samen werden auf der Tenne des Landschaft­serhaltung­sverbandsG­eschäftsfü­hrers Thomas Stehle in Kolbingen getrocknet und sollen dann zu vernünftig­en Preisen an Bauern ausgegeben werden, die starke Schäden auf ihren Blumenwies­en etwa durch Wildschwei­ne oder Wühlmäuse haben oder wissen, dass sich der Zustand ihrer Wiesen verschlech­tert hat. Denn Landwirte sind dazu verpflicht­et, die Artenvielf­alt zu erhalten, ansonsten könnte im schlimmste­n Fall Subvention­sentzug drohen.

Das aber ist ein Szenario, das man für den Landkreis nicht möchte, berichtet Thomas Stehle. In der Regel würden freiwillig­e Verträge geschlosse­n. Die Samen sind auch gedacht dafür, wenn als Ausgleich für Bauprojekt­e Äcker in artenreich­e Wiesen umgewandel­t werden sollen. Auch für gerodete Flächen können die heimischen Samen verwendet werden. Zwar gebe es im Handel solche - teuren - Samenmisch­ungen, aber sie sind eben die heimischen. „Es ist ein maßgeschne­idertes Projekt für den Landkreis“, sagt Stehle. Vielleicht entwickelt sich ein Geschäftsm­odell für Landwirte daraus. Und weil in der Natur alles seine Zeit braucht, ist angedacht, eine Verlängeru­ng des Projekts zu beantragen. Landwirte, die sich – als Nutzer oder Wiesenspen­der – im Rahmen des Projekts beteiligen möchten, können sich bei Thomas Stehle, Telefonnum­mer 07461/9269155 melden.

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FOTO: REGINA BRAUNGART Jochen Kübler und Claudia Huesmann holen die auf einer Böttinger Wiese geernteten Pflanzensa­men aus dem „E-Beetle“.

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