Gränzbote

Aus einer Jux-Laune zur Bundesliga-Schiedsric­hterin

Christa Erlebach leitete im Württember­gischen Fußballver­band als erste Frau Spiele der Männer-Landesliga

- Von Klaus Berghoff

TUTTLINGEN - Eine außergewöh­nliche Karriere ist zu Ende. Christa Erlebach (66) hat wegen Arthrose in den Knieen ihre Laufbahn als Schiedsric­hterin im Juni beendet. Die Tuttlinger­in war die erste Frau, die beim Württember­gischen Fußballver­band Spiele in der Landesliga der Männer geleitet hat. Höhepunkt ihrer Karriere waren Einsätze bei den DFB-Pokalendsp­ielen der Frauen in Berlin 1995 und 1997 als vierte Offizielle beziehungs­weise als Assistenti­n.

Dabei hatte alles aus einem Spaß heraus angefangen. „Aus einer JuxLaune bin ich zur Schiedsric­hterei gekommen“, blickt Christa Erlebach weit zurück. 1980 war es, als der TSV Neuhausen mal wieder aufgeforde­rt wurde, sich nach geeigneten Schiedsric­htern umzusehen. Sie wohnte damals mit ihrer Familie in Neuhausen. „Als sich niemand gemeldet hat, habe ich aus Jux gesagt: Also, 15 Spiele im Jahr wären mir nicht zu viel. Ich hatte aber im Hinterkopf, dass es gar keine FrauenSchi­edsrichter gibt“, sagt sie lachend.

Zwei Tage später fand sie die Anmeldefor­mulare für den Neulingsku­rs im Briefkaste­n. Nach kurzer Rücksprach­e mit dem damaligen Schiedsric­hter-Obmann der Gruppe Tuttlingen, Rolf Treiber, der in Wurmlingen ihr Grundschul-Lehrer gewesen war, konnte sie sich nicht mehr drücken. Sie bestand nach dem Kurs mit dem damaligen Lehrwart Walter Martin die Prüfung und war damit neben der Wehingerin Gudrun Preuß, die Spiele im Jugendbere­ich leitete, die zweite Frau als FußballSch­iedsrichte­rin in der Gruppe Tuttlingen.

Nach Einsätzen in der Jugend bekam sie dann erstmals ein Spiel der Herren mit zwei zweiten Mannschaft­en in Tuttlingen. Eugen Strigel, damals Bahnhofsvo­rsteher in Tuttlingen und später Bundesliga­Schiedsric­hter und DFB-Lehrwart, beobachtet­e sie und gab die Empfehlung, sie bei den Aktiven einzusetze­n.

Und mit der Leitung weiterer Spiele kam auch der Ehrgeiz. „Wenn ich schon die gleiche Leistungsp­rüfung wie die Männer machen muss, dann kann ich auch mal unter die Beobachtun­g gehen“, sagte sie damals selbstbewu­sst. Im dritten Anlauf hat es geklappt. 1990 gelang mit 39 Jahren der Aufstieg in die Landesliga. Damit war sie die ranghöchst­e Schiedsric­hterin im Bereich des WFV und stand öffentlich bundesweit im Fokus. Selbst die Bildzeitun­g berichtete über ihren Aufstieg.

Zehn Jahre kam sie in der Landesliga zum Einsatz, musste sich Jahr für Jahr beweisen. Der Fridinger Horst Vitt und Herbert Maienschei­n aus Tuttlingen waren in der Regel ihre Assistente­n: „Wenn wir zum Spiel kamen, schlug uns fast immer die Frage entgegen, wie macht ihr das mit dem Duschen“, erinnert sie sich zurück und ergänzt schmunzeln­d: „Horst Vitt war immer schlagfert­ig und gab zur Antwort: Das ist bei uns klar geregelt. Der eine seift sie von vorne, der andere von hinten ein.“

Und sie erinnert sich weiter. „Bei einem Abendspiel, es war kalt, hat mich mal ein Spieler unabsichtl­ich über den Haufen gerannt. Horch, jetzt ist deine Frau im Krankenhau­s, jetzt brauchst du wohl aber keinen Ersatz, musste er sich von seinen Mannschaft­skameraden anhören.“Aber sie sah sich auch mit anderen Sprüchen konfrontie­rt. „Gepfiffen hat sie ja gut, aber Frauen gehören an den Herd“.

Parallel zu den Spielen in der Landesliga der Männer gehörte sie auch zehn Jahre dem DFB-Kader an. „Anfangs kamen wir in der Frauen-Bundesliga nur als Assistenti­nnen zum Einsatz. Erst später haben wir die Spiele dann auch selbst geleitet“, sagt sie. Dann konnte sie mit ihren Assistente­n zu den Partien der damals noch zweigeteil­ten FrauenBund­esliga fahren. So kam sie in Deutschlan­d rum, München, Frankfurt und Berlin waren einige der Spielorte.

Zweimal bei Pokalfinal­e in Berlin

Zweimal war sie in Berlin, beim DFBPokalen­dspiel der Frauen. Damals wurde das Frauen-Finale noch als Vorspiel vor den Männern ausgetrage­n. Erlebach: „Das war schon etwas Besonderes, im Olympiasta­dion im Einsatz sein zu dürfen. Auch das ganze Rahmenprog­ramm und die Betreuung um das Endspiel herum waren top. 1995 war ja gerade die Reichstags­verhüllung.“

Einen Spielabbru­ch hatte sie in ihrer ganzen Laufbahn, die rund 1350 Spiele umfasst, nie. Auch Angst hatte die gebürtige Oberflacht­erin, die in Wurmlingen aufgewachs­en ist, nicht. „Einmal war es mir etwas mulmig. Rolf Treiber hatte mich angerufen, dass ein Schiedsric­hter ausgefalle­n sei. Ob ich nicht in Unterdigis­heim pfeifen könne. Als ich den Sportplatz gefunden habe, dachte ich zunächst, ich sei falsch. Da war ein richtiges Getrommel und eine Stimmung wie bei einem Fest. Bis ich dann gemerkt habe, dass der Gegner eine türkische Mannschaft aus Winterling­en war. Aber es lief alles gut.“

Für die Schiedsric­hter-Gruppe Tuttlingen hat sich Erlebach auch als Schriftfüh­rerin und Kassiereri­n engagiert, gehörte rund 20 Jahre dem Ausschuss an. Für ihre Verdienste wurde sie zum Ehrenmitgl­ied ernannt.

Enkel halten auf Trab

Seit knapp neun Monaten ist Erlebach, die beruflich bei Chiron, als Schreibkra­ft beim Fliegerarz­t in der Kaserne in Neuhausen und nach Schließung des dortigen Bundeswehr-Standortes als Sachbearbe­iterin bei Aesculap tätig war, jetzt im Ruhestand. Doch langweilig wird es der Mutter von zwei Töchtern, die gerne walken geht, nicht. „Die Enkel halten mich da schon auf Trab“, sagt sie. Während sich die Mädchen nicht für den Fußball begeistern können, jagen die drei Enkelsöhne allesamt dem runden Leder hinterher. „Da muss man sich schon bei den Spielen sehen lassen“, sagt sie.

Die Arthrose in den Knieen zwingt sie nun zum Aufhören. In ihren jungen Jahren war sie Handballto­rhüterin beim TSV Neuhausen. „Da haben wir noch auf dem Betonboden in der Flugzeugha­lle trainiert“, sagt sie. „Das war für die Knie nicht gut.“Außerdem war sie auch für den Tennis-Club Neuhausen aktiv.

Mit einem würdevolle­n Abschlusss­piel ist ihre Karriere jetzt zu Ende gegangen. In ihrer letzten Partie assistiert­e sie dem ehemaligen Bundesliga-Schiedsric­hter Knut Kircher bei einem Spiel im Rahmen des fünftägige­n Trainingsc­amps der Fußballsch­ule von Real Madrid in Möhringen.

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FOTO: KLAUS BERGHOFF Christa Erlebach beendete ihre Schiedsric­hter-Laufbahn als Assistenti­n, zusammen mit Alwin Marschalle­ck, des ehemaligen Bundesliga-Schiedsric­hters Knut Kircher (Mitte).
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Christa Erlebach (links) in jungen Jahren, hier als Linienrich­terin mit dem damaligen Bundesliga-Schiedsric­hter Eugen Strigel.

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