Japan und Europa als Vorbild
Japanisch-europäisches Freihandelsabkommen hat auch viele politische Facetten
BRÜSSEL - Das Freihandelsabkommen zwischen Japan und der Europäischen Union (Jefta) ist im Grundsatz besiegelt. Japans Premierminister Shinzo Abe war einen Tag vor dem G20-Treffen in Hamburg eigens nach Brüssel geeilt, um nach vierjährigen zähen Verhandlungen den Erfolg zu präsentieren. Weder der innenpolitisch angeschlagene Abe noch die EU-Vertreter Donald Tusk für den Rat und Jean-Claude Juncker für die EU-Kommission machten ein Geheimnis daraus, dass die ganze Inszenierung hauptsächlich dazu dient, den starken Mann in Washington zu beeindrucken.
Protektionismus biete keine Protektion, also keinen Schutz, wiederholte Juncker ein von ihm häufig gebrauchtes Wortspiel. „Obwohl manche sagen, dass die Zeiten von Isolationismus und Renationalisierung wiederkehren, beweisen wir das Gegenteil“, sagte Tusk trotzig. Ein gutes Freihandelsabkommen nutze beiden Seiten, ergänzte Abe. Das gelte auch für das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP, aus dem sich USPräsident Donald Trump kurz nach seiner Wahl zurückgezogen hatte. „Wir hoffen, dass dieses Abkommen das TPP inspirieren wird“, sagte Abe offen.
Doch gerade das Beispiel TPP sowie eigene Erfahrungen mit dem Kanada-Abkommen Ceta oder dem auf Eis liegenden TTIP mit den USA sollten den Europäern vor Augen führen, wie viele Hindernisse zwischen einer politischen Grundsatzeinigung und einem abgeschlossenen Handelsvertrag liegen. In siebenjährigen Verhandlungen hatten die USA und elf andere Pazifikanrainer TPP fast zum Abschluss gebracht, bevor Donald Trump den Prozess mit einem Federstrich stoppte. So weit fortgeschritten wie TPP ist das EUJapan-Abkommen noch lange nicht. Reizthemen wie unkontrollierte Lebensmittelimporte aus Fukushima oder Zulassungsbeschränkungen für europäische Kleinwagen in Japan dürften noch für viel Streit sorgen. Klar ist immerhin, dass auf die umstrittenen privaten Schiedsgerichte verzichtet werden soll. Die ordentliche Gerichtsbarkeit soll in beiden Ländern zuständig bleiben, bis der von den Europäern angestrebte Internationale Handelsgerichtshof gegründet ist. „Private Schiedsstellen haben bei Angelegenheiten des öffentlichen Interesses keinen Platz“, erklärte Juncker, dessen Behörde bei den Verhandlungen zu TTIP und Ceta jahrelang auf ebensolche Schiedsstellen gesetzt hatte. Die zuständige Handelskommissarin Cecilia Malmström habe sowohl das EU-Parlament als auch die Zivilgesellschaft ständig über die Verhandlungen auf dem Laufenden gehalten und so Vertrauen aufgebaut.
Ausblanciert, fair, reguliert
Das sehen viele Europaabgeordnete, einige Unternehmerverbände und Nichtregierungsorganisationen anders. Der im EU-Parlament für das Japanabkommen zuständige Abgeordnete Pedro Silva Pereira lobt zwar „das starke Signal für ein ausbalanciertes, faires und reguliertes Handelssystem“, doch seine Kollegin Alessia Mosca ergänzt: „Wir bestehen darauf, dass das EU-Parlament über jeden Schritt informiert wird. Das noch immer nicht abschließend verhandelte Kanada-Abkommen Ceta ist für Mosca ein Referenzpunkt, aber ein negativer. Nur wenn mit Japan höhere Standards erreicht würden, habe das Abkommen eine Chance auf Zustimmung. Ob das ausreicht, ist nicht sicher. Juristen sind uneins, ob nicht wie bei Ceta auch diesmal die nationalen Parlamente gefragt werden müssen. Für die anstehenden Proteste gibt Kees Kodde, bei Greenpeace zuständig für Handelsfragen, den Ton vor. Er verurteilt „Deals dieser Art“pauschal als „Protektionismus für Multis auf Kosten von Demokratie und Umwelt.“