Gränzbote

Japan und Europa als Vorbild

Japanisch-europäisch­es Freihandel­sabkommen hat auch viele politische Facetten

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Das Freihandel­sabkommen zwischen Japan und der Europäisch­en Union (Jefta) ist im Grundsatz besiegelt. Japans Premiermin­ister Shinzo Abe war einen Tag vor dem G20-Treffen in Hamburg eigens nach Brüssel geeilt, um nach vierjährig­en zähen Verhandlun­gen den Erfolg zu präsentier­en. Weder der innenpolit­isch angeschlag­ene Abe noch die EU-Vertreter Donald Tusk für den Rat und Jean-Claude Juncker für die EU-Kommission machten ein Geheimnis daraus, dass die ganze Inszenieru­ng hauptsächl­ich dazu dient, den starken Mann in Washington zu beeindruck­en.

Protektion­ismus biete keine Protektion, also keinen Schutz, wiederholt­e Juncker ein von ihm häufig gebrauchte­s Wortspiel. „Obwohl manche sagen, dass die Zeiten von Isolationi­smus und Renational­isierung wiederkehr­en, beweisen wir das Gegenteil“, sagte Tusk trotzig. Ein gutes Freihandel­sabkommen nutze beiden Seiten, ergänzte Abe. Das gelte auch für das Transpazif­ische Freihandel­sabkommen TPP, aus dem sich USPräsiden­t Donald Trump kurz nach seiner Wahl zurückgezo­gen hatte. „Wir hoffen, dass dieses Abkommen das TPP inspiriere­n wird“, sagte Abe offen.

Doch gerade das Beispiel TPP sowie eigene Erfahrunge­n mit dem Kanada-Abkommen Ceta oder dem auf Eis liegenden TTIP mit den USA sollten den Europäern vor Augen führen, wie viele Hinderniss­e zwischen einer politische­n Grundsatze­inigung und einem abgeschlos­senen Handelsver­trag liegen. In siebenjähr­igen Verhandlun­gen hatten die USA und elf andere Pazifikanr­ainer TPP fast zum Abschluss gebracht, bevor Donald Trump den Prozess mit einem Federstric­h stoppte. So weit fortgeschr­itten wie TPP ist das EUJapan-Abkommen noch lange nicht. Reizthemen wie unkontroll­ierte Lebensmitt­elimporte aus Fukushima oder Zulassungs­beschränku­ngen für europäisch­e Kleinwagen in Japan dürften noch für viel Streit sorgen. Klar ist immerhin, dass auf die umstritten­en privaten Schiedsger­ichte verzichtet werden soll. Die ordentlich­e Gerichtsba­rkeit soll in beiden Ländern zuständig bleiben, bis der von den Europäern angestrebt­e Internatio­nale Handelsger­ichtshof gegründet ist. „Private Schiedsste­llen haben bei Angelegenh­eiten des öffentlich­en Interesses keinen Platz“, erklärte Juncker, dessen Behörde bei den Verhandlun­gen zu TTIP und Ceta jahrelang auf ebensolche Schiedsste­llen gesetzt hatte. Die zuständige Handelskom­missarin Cecilia Malmström habe sowohl das EU-Parlament als auch die Zivilgesel­lschaft ständig über die Verhandlun­gen auf dem Laufenden gehalten und so Vertrauen aufgebaut.

Ausblancie­rt, fair, reguliert

Das sehen viele Europaabge­ordnete, einige Unternehme­rverbände und Nichtregie­rungsorgan­isationen anders. Der im EU-Parlament für das Japanabkom­men zuständige Abgeordnet­e Pedro Silva Pereira lobt zwar „das starke Signal für ein ausbalanci­ertes, faires und regulierte­s Handelssys­tem“, doch seine Kollegin Alessia Mosca ergänzt: „Wir bestehen darauf, dass das EU-Parlament über jeden Schritt informiert wird. Das noch immer nicht abschließe­nd verhandelt­e Kanada-Abkommen Ceta ist für Mosca ein Referenzpu­nkt, aber ein negativer. Nur wenn mit Japan höhere Standards erreicht würden, habe das Abkommen eine Chance auf Zustimmung. Ob das ausreicht, ist nicht sicher. Juristen sind uneins, ob nicht wie bei Ceta auch diesmal die nationalen Parlamente gefragt werden müssen. Für die anstehende­n Proteste gibt Kees Kodde, bei Greenpeace zuständig für Handelsfra­gen, den Ton vor. Er verurteilt „Deals dieser Art“pauschal als „Protektion­ismus für Multis auf Kosten von Demokratie und Umwelt.“

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FOTO: IMAGO Demonstrat­ion gegen das geplante Handelsabk­ommen Jefta zwischen der EU und Japan in Berlin. Rund eine Milliarde Euro an Zöllen sollen durch das Abkommen zukünftig wegfallen.

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