Der kleine Mensch und die große Bühne
Die Bregenzer Festspiele geben Einblick in die großen Produktionen dieses Sommers
BREGENZ - Es gibt eine „BregenzHand“mit einem silbernen Ring am Mittelfinger und eine „Lindau-Hand“mit einer brennenden Zigarette zwischen den Fingern. Es Devlin, die Bühnenbildnerin, die sonst auch Popgrößen wie Adele in Szene setzt, hat den Moment im dritten Akt von Bizets Oper eingefangen, in dem Carmen die Karten in die Luft wirft. Doch was so leicht und filigran wirkt, ist natürlich eine tonnenschwere Konstruktion aus Stahl und Holz mit darin versteckten Lautsprechern. Und auch was auf der Bühne dann so selbstverständlich wirkt, bedarf harter Probenarbeit. Knapp zwei Wochen vor den Premieren gewährten die Bregenzer Festspiele Einblick in die beiden großen Opernproduktionen: Bizets „Carmen“auf der Seebühne und Rossinis „Moses in Ägypten“im Festspielhaus.
Nach der eiskalten Prinzessin Turandot in den vergangenen beiden Festspielsommern beherrscht also die leidenschaftliche Carmen die Szene: Eigentlich war die Geschichte der Zigeunerin nicht die erste Wahl von Intendantin Elisabeth Sobotka gewesen, denn schließlich wurde Bizets Oper schon zweimal am See gezeigt. Doch sowohl der dänische Regisseur Kasper Holten als auch die britische Bühnenbidnerin Es Devlin waren von „Carmen“am See begeistert.
Holten, der hellhäutige Nordländer, springt zwischen Regietisch auf halber Höhe der Tribüne und Bühne hin und her, um sowohl den großen Blick auf das Ganze als auch die feinen Details in den zwischenmenschlichen Beziehungen im Auge zu behalten. Bei aller Größe der Bühne müsse das Kammerspiel zwischen den Figuren sichtbar bleiben: „Die Psychologie wird in den Raum ausgeweitet.“
Mit Carmen und Don José begegnen sich zwei Außenseiter, Freiheit bedeutet aber auch Einsamkeit. Und für Gaëlle Arquez, die Französin, die als eine der drei Sängerinnen der Titelpartie für den Premierenabend am 19. Juli vorgesehen ist – die Hauptrollen sind wie immer mehrfach besetzt – ist Carmen nicht nur schön, sondern klug: „Sie nutzt Körper und Kopf.“Abends werden die fliegenden Karten bei Sonnenuntergang mit Beleuchtung und Video zum Leben erweckt. Und Devlin staunt, was Holten mit den kleinen Menschlein in ihrer Bühne anstellt.
Kleine Menschen zuhauf gibt es auch in der Hausoper, Rossinis „Moses in Ägypten“, denn um nichts weniger als die biblischen Plagen von Finsternis oder Hagel und die Teilung des Roten Meers geht es in der tragisch-sakralen Handlung, wie die Begriffsbestimmung für die Oper lautet. Eine große Kugel füllt die Bühne, sie steht für das Auge Gottes, Wüstensand ist zu sehen, die kleinen Menschen und das große Ganze treffen aufeinander.
Große Herausforderungen
Lotte de Beer, die holländische Regisseurin, ist mit der im deutschsprachigen Raum selten gespielten Oper vor große Herausforderungen gestellt: Nicht nur die Teilung des Roten Meers und die Naturgewalten, sondern auch die Darstellung von Völkern ist gefragt. Dazu hat sie sich mit dem niederländischen Theaterkollektiv Hotel Modern zusammengetan, das mit Miniaturbühnenbildern, Puppen und Projektionen arbeitet. So werden aus 40 Choristen Tausende, und zwischen einer brennenden Stadt im alten Ägypten und einer heute vom Krieg verwüsteten Stadt ist der Weg leider nicht weit. Für die musikalische Feinzeichnung mit den Wiener Symphonikern sorgt der italienische Dirigent Enrique Mazzola, der bei aller tragischen Handlung immer wieder die quirlig leichte Rossini-Musik zu schätzen weiß. Die Festspiele dauern vom 19. Juli bis 20. August. Infos unter: www.bregenzerfestspiele.com