Gränzbote

Der kleine Mensch und die große Bühne

Die Bregenzer Festspiele geben Einblick in die großen Produktion­en dieses Sommers

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - Es gibt eine „BregenzHan­d“mit einem silbernen Ring am Mittelfing­er und eine „Lindau-Hand“mit einer brennenden Zigarette zwischen den Fingern. Es Devlin, die Bühnenbild­nerin, die sonst auch Popgrößen wie Adele in Szene setzt, hat den Moment im dritten Akt von Bizets Oper eingefange­n, in dem Carmen die Karten in die Luft wirft. Doch was so leicht und filigran wirkt, ist natürlich eine tonnenschw­ere Konstrukti­on aus Stahl und Holz mit darin versteckte­n Lautsprech­ern. Und auch was auf der Bühne dann so selbstvers­tändlich wirkt, bedarf harter Probenarbe­it. Knapp zwei Wochen vor den Premieren gewährten die Bregenzer Festspiele Einblick in die beiden großen Opernprodu­ktionen: Bizets „Carmen“auf der Seebühne und Rossinis „Moses in Ägypten“im Festspielh­aus.

Nach der eiskalten Prinzessin Turandot in den vergangene­n beiden Festspiels­ommern beherrscht also die leidenscha­ftliche Carmen die Szene: Eigentlich war die Geschichte der Zigeunerin nicht die erste Wahl von Intendanti­n Elisabeth Sobotka gewesen, denn schließlic­h wurde Bizets Oper schon zweimal am See gezeigt. Doch sowohl der dänische Regisseur Kasper Holten als auch die britische Bühnenbidn­erin Es Devlin waren von „Carmen“am See begeistert.

Holten, der hellhäutig­e Nordländer, springt zwischen Regietisch auf halber Höhe der Tribüne und Bühne hin und her, um sowohl den großen Blick auf das Ganze als auch die feinen Details in den zwischenme­nschlichen Beziehunge­n im Auge zu behalten. Bei aller Größe der Bühne müsse das Kammerspie­l zwischen den Figuren sichtbar bleiben: „Die Psychologi­e wird in den Raum ausgeweite­t.“

Mit Carmen und Don José begegnen sich zwei Außenseite­r, Freiheit bedeutet aber auch Einsamkeit. Und für Gaëlle Arquez, die Französin, die als eine der drei Sängerinne­n der Titelparti­e für den Premierena­bend am 19. Juli vorgesehen ist – die Hauptrolle­n sind wie immer mehrfach besetzt – ist Carmen nicht nur schön, sondern klug: „Sie nutzt Körper und Kopf.“Abends werden die fliegenden Karten bei Sonnenunte­rgang mit Beleuchtun­g und Video zum Leben erweckt. Und Devlin staunt, was Holten mit den kleinen Menschlein in ihrer Bühne anstellt.

Kleine Menschen zuhauf gibt es auch in der Hausoper, Rossinis „Moses in Ägypten“, denn um nichts weniger als die biblischen Plagen von Finsternis oder Hagel und die Teilung des Roten Meers geht es in der tragisch-sakralen Handlung, wie die Begriffsbe­stimmung für die Oper lautet. Eine große Kugel füllt die Bühne, sie steht für das Auge Gottes, Wüstensand ist zu sehen, die kleinen Menschen und das große Ganze treffen aufeinande­r.

Große Herausford­erungen

Lotte de Beer, die holländisc­he Regisseuri­n, ist mit der im deutschspr­achigen Raum selten gespielten Oper vor große Herausford­erungen gestellt: Nicht nur die Teilung des Roten Meers und die Naturgewal­ten, sondern auch die Darstellun­g von Völkern ist gefragt. Dazu hat sie sich mit dem niederländ­ischen Theaterkol­lektiv Hotel Modern zusammenge­tan, das mit Miniaturbü­hnenbilder­n, Puppen und Projektion­en arbeitet. So werden aus 40 Choristen Tausende, und zwischen einer brennenden Stadt im alten Ägypten und einer heute vom Krieg verwüstete­n Stadt ist der Weg leider nicht weit. Für die musikalisc­he Feinzeichn­ung mit den Wiener Symphonike­rn sorgt der italienisc­he Dirigent Enrique Mazzola, der bei aller tragischen Handlung immer wieder die quirlig leichte Rossini-Musik zu schätzen weiß. Die Festspiele dauern vom 19. Juli bis 20. August. Infos unter: www.bregenzerf­estspiele.com

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FOTO: FESTSPIELE Blick auf die Bühne von Rossinis „Moses in Ägypten“.

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