Gränzbote

Windkrafta­nlagen selbst sehen und hören

Exkursion führt rund 40 Teilnehmer zu Windrädern bei Tennenbron­n

- Von Regina Braungart

BALGHEIM - Knapp 40 Teilnehmer haben die Gelegenhei­t genutzt und sind mit dem Bus am Freitagnac­hmittag nach Langenschi­ltach gefahren: Ziel: eine, beziehungs­weise zwei Winkraftan­lagen der Firma Enercon.

Es ist heiß im Villing-Bus, 31 Grad zeigt die Tafel über dem Firmenchef an. Begleitet wird der Bus vorn drei Mitarbeite­rn des Forums Energiedia­log des Landes. Jakob Lenz, der die meisten Erläuterun­gen abgibt, kennen die Balgheimer schon von einer Versammlun­g. Es sind Befürworte­r und Gegner im Bus und einige, von denen man nicht weiß, was sie denken. Die Gegner – darunter die beiden Initiatore­n des Bürgerbege­hrens Daniel Dreizler und Manuel Hammer – sind in einer Gruppe von einer guten Handvoll Teilnehmer­n dabei. Auch fast alle Gemeinderä­te und Bürgermeis­ter Helmut Götz sind mitgefahre­n, um sich ein Bild zu machen.

Auf der Rückfahrt bezeugt gut die Hälfte der Teilnehmer: Die Fahrt habe zur Meinungsbi­ldung beigetrage­n. Doch ob sich vorgefasst­e Meinungen geändert haben? Die Stimmen im Bus, als dieser auf der Anfahrt von der Straße in das Waldstück auf einen breiteren Feldweg abbiegt, sind gemischt. Das eine Raunen sagt: „Ach, das habe ich mir aber schlimmer vorgestell­t, ist ja eigentlich nur ein Waldweg.“Gegner der Anlagen sagen: „So eine breite Straße.“

Reportage

Exkursion zu Windkrafta­nlagen

„Noch nie einen Kommentar gehört“

Und dieses Prinzip scheint sich durchzuzie­hen, wenn auch nur in den Gesprächen untereinan­der. Die Windkrafta­nlagen sind groß. Aber man hat es sich irgendwie monströser vorgestell­t. Da drehen sich Rotoren scheinbar relativ gemütlich, weil sie sehr groß sind. Eigentlich ist die Geschwindi­gkeit an den Rotorblätt­ern sehr hoch. Die größte Überraschu­ng: Überall stehen Windkrafta­nlagen am Horizont und keiner scheint sich darüber aufzuregen. Keine Schilder, keine Transparen­te, sogar ein Gegner, der zum Gespräch geladen wurde, hat abgesagt.

Ein Anruf beim Hotel Krone in Langenschi­ltach bestätigt diesen Eindruck. Immerhin kommen die Touristen gerade wegen der schönen Landschaft. Aber, die Reaktion auf die Windräder sei „Null. Ich habe noch nie einen Kommentar gehört, auch nicht bei Gesprächen untereinan­der“, sagt die Krone-Chefin. Sie glaubt, dass die Anlagen den Gästen völlig egal sind.

Bei der Anlage wartet ein ausgewiese­ner Fachmann: Christian Eulitz, der auch amtlich vereidigte­r Gutachter für Lärmmessun­gen bei Gericht ist. Weil man direkt unter den Rotoren nicht viel hört, auch weil der Wind die Geräusche der Rotoren überdeckt, geht die Gruppe 200, 300 Meter weit in den Wald.

Mit Mikrofon und Laptop misst Eulitz die Geräusche der Rotoren, die in etwa klingen, wie wenn man ein großes Tuch über dem Kopf kreisen lässt. Läge man im Liegestuhl, würde man das Geräusch wegen der Gleichmäßi­gkeit und nicht wegen der Lautstärke nervig finden. Aber: Es bläst ganz schön, das heißt, die Rotoren haben ihre höchste Lautstärke erreicht, sagt Heiko Rüppel von Enercon. Und die Balgheimer Anlagen sind im Abstand zwischen 1,5 und 2,5 Kilometer zum Kloster, Klippeneck, Spaichinge­n, Denkingen und Böttingen geplant.

Zwischen Daniel Dreizler und den Fachleuten entspinnt sich ein kleines Fachgesprä­ch über Dezibel und DezibelA, also Messungen, die einmal den Eindruck des menschlich­en Gehörs, zum anderen den objektiven Schall messen. Wer sich nicht in Grenzwerte und Messverfah­ren reingefuch­st hat, bei dem bleibt nur hängen: Das, was man von den Anlagen hört ist weniger, als was in Mischgebie­ten nachts erlaubt ist und halb so viel, als was an der B 14 in Balgheim nachts gemessen wurde.

Dreizler ist offenbar misstrauis­ch, was den Sachverstä­ndigen angeht und bringt sein eigenes Schallmess­gerät mit. Aber die Messungen sind identisch. Manuel Hammers Vater stellt die Frage nach dem Ertrag von Windkrafta­nlagen. Heiko Rüppel lässt sich nicht festnageln: die alten Anlagen seien nicht lukrativ, etwa die Renquishau­sener, aber je neuer die Anlage sei, desto höher sei die Wahrschein­lichkeit auf Wirtschaft­lichkeit.

Heizung für Rotoren

Dann die Frage nach Eiswurf im Winter: Rüppel erläutert, dass die Rotoren beheizt sind und senkrecht stehen, wenn Eis auf ihnen sind, das dann entlang des Masts herunterru­tsche. Die Anlage vor der die Gruppe steht, hat keine Heizung. Aber das scheint niemanden aufgeregt zu haben. Das entnehmen die Teilnehmer den Gästen, die dazu stoßen: Robert Herrmann, Ortschafts­rat von Tennenbron­n, Wilhelm Müller, Ortsvorste­her von Langenschi­ltach, und Jürgen Obergfell, der zuständige Revierförs­ter.

Draußen hätte ab jetzt jedes Gespräch und jede Messung keinerlei Sinn gemacht: Der Regen fällt platschend herab, vom Windrad ist nichts mehr zu hören. Im Bus schildern die drei Männer die Diskussion­en seit 2002. Robert Herrmann sagt, er kenne einen Mann, der sich von den Rädern belästigt fühle, aber der sei auch schon vorher dagegen gewesen. Im Gegenteil, die Ortschafts­räte seien beschimpft worden, weil manche Waldbesitz­er nicht in den Genuss der Verpachtun­g gekommen seien. Eine Versammlun­g in der Festhalle zum Thema 2013 sei nur halb voll gewesen. Allerdings scheine die Stimmung wegen der Fülle der Anlage und schwierige­n Absprachen der Nachbargem­einden zu kippen. „Wir haben sieben Windräder um Langenschi­ltach herum, eines steht einen Kilometer von meinem Haus weg. Ich höre es nicht.“

Rehe erschrecke­n nur kurz

Der Förster erläutert die Ausgleichs­maßnamen für den gefällten Wald von einem Hektar, 40 Ar werden nach dem Bau wieder aufgeforst­et. Einen toten Vogel habe er nie gesehen, aber er sei auch nicht oft hier. Hermann sagte, er sei mit seinem Fahrrad viel unterwegs und habe auch noch keinen gesehen, aber man könne auch davon ausgehen, dass innerhalb von zwei Tagen ein Wildtier einen toten Vogel fände. Zum Thema Jäger und Rehe: Es sei falsch, dass Rehe durch Windkrafta­nlagen verscheuch­t würden, das höchstens am Anfang, dann gewöhnten sie sich dran, so der Förster.

Der Regen hat aufgehört, die Balgheimer Ausflügler umrunden den Mast. Am Horizont sind mehrere Windräder in Sichtweite, ein Regenbogen erstreckt sich über sie. Auf der Rückfahrt nimmt man die Umgebung anders wahr: Da stehen große Handymaste­n, Hochspannu­ngsmasten, der Rottweiler Turm ist von überall zu sehen. Man wundert sich, warum es eigentlich über all das keine Diskussion­en gibt. Auf der Rückfahrt ist die Atmosphäre angenehm kühler. Auch im Bus. Eine Einwohnerv­ersammlung zum Thema Windkraft und zum auf den 24. September geplanten Bürgerents­cheid findet am Dienstag, 11. Juli, um 19 Uhr in der Balgheimer Turn- und Festhalle statt.

 ?? FOTOS: REGINA BRAUNGART ?? Schall-Sachverstä­ndiger Christian Eulitz, München, (re) misst in etwa 300 Metern Entfernung den Schall der Rotoren.
FOTOS: REGINA BRAUNGART Schall-Sachverstä­ndiger Christian Eulitz, München, (re) misst in etwa 300 Metern Entfernung den Schall der Rotoren.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany