Anton Schleckers unternehmerisches Denken
Ehemaliger Drogeriemarktkönig erklärt, bis zuletzt an Erfolg geglaubt zu haben
STUTTGART - Der ehemalige Drogeriemarktkönig Anton Schlecker hat am Montag vor dem Landgericht Stuttgart Einblicke in sein unternehmerisches Denken gewährt. Es war das zweite Mal nach einer Erklärung am zweiten Prozesstag Mitte März, dass der 72-Jährige im Gerichtssaal sprach. Die Anklage wirft dem Ehinger Unternehmer vor, die Insolvenz der Schlecker-Kette Anfang 2012 verschleppt und zuvor mindestens 25 Millionen Euro beiseitegeschafft zu haben. Seine Kinder Lars und Meike sind wegen Beihilfe angeklagt.
Eigentlich sollte zu Beginn des Prozesstags um 9 Uhr eine Zeugin gehört werden, doch die war unauffindbar. Stattdessen sprach Anton Schlecker. Der Unternehmer im schwarzen Anzug, der seine Drogeriemarktkette mit Milliardenumsätzen als eingetragener Kaufmann führte, stand von seinem Platz auf und las mit tiefer, fester Stimme eine Erklärung vor. Der Tenor der Rede war derselbe, den sein Vortrag vom 13. März prägte: Er habe fest an den Erfolg des Erneuerungsprozesses seiner Märkte geglaubt. Ein Scheitern sei für ihn undenkbar gewesen.
Der öffentlichkeitsscheue Schlecker bestätigte in seiner halbstündigen Rede vieles von dem, was über ihn gesagt wird. Etwa, dass er enorm aufs Geld achtete. „Ich war nie als Wohltäter verschrien“, sagte er. Und doch habe er noch im Jahr 2011 seinen Mitarbeitern Weihnachtsgeld gezahlt – entgegen aller Empfehlungen seiner Berater und Kinder. „Ich lehnte das verärgert ab“, schließlich habe er immer Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt.
Schlecker sprach über seine Erfahrungen mit Unternehmensberatern – etwa mit Roland Berger, die er als „teuer“und wenig hilfreich bei seiner Übernahme der Drogeriemarktkette Ihr Platz erlebt habe. „Unternehmensberatungen hatten bei mir einen schlechten Ruf.“Deshalb habe er sich auch bei der Beauftragung von Wieselhuber und Partner geziert. „Aber 2010 wurde mir zuneh- mend klar, dass wir Beratung von außen benötigen“, so Schlecker. Denn der Markt hatte sich verschärft. „Was zunächst befreundete Unternehmen waren, wurde Konkurrenz.“Immer mehr Kommunen hatten Gewerbegebiete am Ortsrand ausgewiesen, immer mehr Drogeriemärkte nutzten die günstigen Standorte dort und zogen von den Schlecker-Filialen in den Innenstädten die Kunden ab. „Ich dachte, dass das eine vorübergehende Erscheinung sei“, doch damit habe er sich getäuscht, so Schlecker.
Von „Fit for Future“überzeugt
Also engagierte er 2010 Wieselhuber und Partner, und „meine Skepsis verflog schnell“. Deren Konzept „Fit for Future“, mit dem das Unternehmen modernisiert und für die Kunden attraktiv gemacht werden sollte, habe ihn überzeugt. Und nicht nur ihn. „Die Begeisterung und Motivation bei unseren Direktoren war so hoch wie nie.“Doch habe er im Sommer 2010 den Verdacht gehegt, dass die Unternehmensberater sein Lebenswerk schlechter bewerteten als nötig, um an Folgeaufträge zu gelangen.
Als Wieselhuber und Partner im Herbst 2010 vorschlugen, bei Banken einen dreistelligen Millionenbetrag zu leihen, sei ihm nicht klar gewesen, dass dieses Fremdkapital zwingend nötig gewesen sei. Er habe fest daran geglaubt, dass Rationalisierungen und der angestoßene Umwälzungsprozess genug seien. „Mir war immer wichtig, von Banken unabhängig zu sein“, so der Kaufmann.
Seine Kinder hatten dafür plädiert, aber auch ihm sei klar gewesen, dass es Veränderungen bedurfte. „Meine Kinder wollten, dass wir neue Wege gehen, nicht die alten.“Am „Fit for Future“-Konzept der Berater habe ihm dabei gefallen, dass es auf dem Schlecker-System mit seinen vielen kleinen Filialen in den Ortskernen aufbaute. „Es fiel mir schwer, Filialen aufzugeben“, sagte Schlecker und betonte zugleich: „Ich wehre mich gegen den Vorwurf, ich hätte das Filialschließungskonzept verhindert oder verzögert.“Er habe die Berater lediglich beauftragt, jede Schließung nochmal genau zu prüfen.
Zwischen 2009 und 2011 seien im Unternehmen viele Modernisierungsversuche gelaufen, zum Teil zeitgleich. „Alles schien in positivem Fluss zu sein“, sagte Schlecker – unter anderem der Aufbau eines Onlinegeschäfts, die Übernahme von 100 Woolworth-Läden, der Aufbau von XL-Filialen seiner Schlecker-Kette und die Übernahme des insolvent gegangenen Konkurrenten Ihr Platz. Kein Gedanke an eine mögliche eigene Insolvenz, „es gab nicht den einen Zeitpunkt einer Erkenntnis“.
Noch bis Oktober hat das Landgericht weitere Prozesstage angesetzt. Anton Schlecker kündigte an, dass er sich auch weiter erklären wolle.