Gränzbote

Scholz nimmt Merkel mit in die Verantwort­ung

Hamburgs Bürgermeis­ter entschuldi­gt sich für das Chaos beim G20-Gipfel, lehnt aber seinen Rücktritt ab

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Er wirkt ernst, er wirkt zerknirsch­t. Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz äußert sich in einer mit Spannung erwarteten Regierungs­erklärung zu den Vorfällen rund um den G20-Gipfel. Längst ist aus der Straßensch­lacht von Hamburg eine Wahlkampfs­chlacht im ganzen Land geworden. Die Opposition im Hamburger Senat fordert Scholz zum Rücktritt auf, der aber denkt nicht daran.

„Die Sicherheit­sbemühunge­n haben nicht gereicht“, gesteht Scholz ein. Aber er nimmt andere mit in die Verantwort­ung. Gemeinsam mit Kanzlerin, Innenminis­ter und den Innenbehör­den sei man davon ausgegange­n, dass die Sicherheit gewährleis­tet sei. Trotzdem sei es „nicht durchweg gelungen, die öffentlich­e Ordnung aufrechtzu­erhalten. Dafür bitte ich um Entschuldi­gung,“sagt Scholz.

Scholz bleibt jedoch dabei, dass ein G20-Gipfel es wert ist, in einer Stadt durchgefüh­rt zu werden. Deshalb habe er zugesagt, als Merkel ihm Hamburg vorschlug. Empfehlung­en mancher Kritiker, solche Gipfel mit 10 000 Menschen lieber auf dem Land zu veranstalt­en, seien lebensfern.

Alte Vertraute

Als Angela Merkel (CDU) sich für den Veranstalt­ungsort Hamburg entschied, hatte sie es mit einem alten Vertrauten zu tun. Scholz stand einst ohne Wenn und Aber zu Schröders Agenda und half Merkel später in der Großen Koalition, die Rente mit 67 durchzuset­zen. Zwei Jahre, von 2007 bis 2009, war Scholz Arbeitsmin­ister in ihrem Kabinett. Scholz, der stets auch als Kanzler-Kandidaten-Reserve der SPD gilt, versprach sich davon einen Imagegewin­n für seine Stadt.

Nachdem die CDU in Hamburg nun gleich nach dem Gipfel Scholz’ Rücktritt gefordert hatte, wurde SPDVizekan­zler Sigmar Gabriel sauer und polterte, wer den Rücktritt von Scholz fordere, müsse auch Merkels Rücktritt fordern. Denn die habe den Gipfel nach Hamburg geholt, um sich selbst zu inszeniere­n. CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer meinte daraufhin, Gabriel seien wohl die Sicherunge­n durchgebra­nnt, das sei ein „flegelhaft­er Tiefschlag“. Der Bezirksche­f der CDU Württember­g-Hohenzolle­rn, Thomas Bareiß, sprach von einer „bodenlosen Frechheit“und einem „unverantwo­rtlichen Wahlkampfs­piel“. Tatsächlic­h ist der Streit für CDU und SPD gleich heikel. Die CDU in Berlin weiß, wenn sie Scholz’ Rücktritt fordert, thematisie­rt die SPD Merkels Mitverantw­ortung.

Scholz will ohnehin lieber nach vorne schauen und die Lehren daraus ziehen. Er verspicht, viele Dinge bei vergleichb­aren Anlässen in der Zukunft anders zu machen. Gleichzeit­ig verteidigt er aber noch mal das Sicherheit­skonzept des größten Polizeiein­satzes der Hamburger Nachkriegs­geschichte, das Experten von Bund und Ländern zusammen ausgearbei­tet hätten. Im Vorfeld hätten Kritiker beanstande­t, die Sicherheit­seinschätz­ung sei zu pessimisti­sch, im Nachhinein wurde kritisiert, man sei blauäugig gewesen, klagt Scholz. Mitverantw­ortlich sind für ihn all jene, die solche Ausschreit­ungen als politische­s Handeln rechtferti­gen. Doch es gehe nicht um Politik. „Die Verantwort­ung liegt beim kriminelle­m Mob“, so Scholz. Er zitiert den Tweet eines Opfers, welche kapitalism­uskritisch­e Begründung es wohl für die Zerstörung eines alten Golf gebe, der einer alleinerzi­ehenden Mutter gehört.

Empörung über Rote Flora

Scholz will die Veranstalt­er der gewalttäti­gen Demonstrat­ionen mit in die Verantwort­ung nehmen. Was aus der Roten Flora zu hören war, sei beschämend und einer Demokratie nicht würdig. Einer der Anwälte der Roten Flora hatte mit einer Äußerung, dass man solche Krawalle doch nicht im eigenen Viertel machen solle, sondern lieber in Blankenese, für Empörung gesorgt.

Weitere Konsequenz: Scholz fordert eine europaweit­e Gefährderk­artei. „Wenn sich Täter europaweit organisier­en, müssen sich die Sicherheit­sbehörden auch europaweit vernetzen.“Neben einem langen Dank an die Polizei verspicht Scholz den Opfern, dass keiner auf Sachschäde­n sitzen bleiben solle. Er werde mit aller Kraft dafür sorgen, dass die Gesellscha­ft sicher bleibe und gleichzeit­ig alles tun, dass Hamburg weltoffen und liberal bleibe.

André Trepoll, Fraktionsv­orsitzende­r der CDU, war damit nicht zufrieden. Er forderte Scholz auf, keine rechtsfrei­en Räume in Hamburg mehr zu dulden. „Die Rote Flora gehört dichtgemac­ht“, sagte er. Sie sei seit Jahren Biotop und Keimzelle für linke Extremiste­n. Er warf überdies Scholz vor, während der Krawalle in der Philharmon­ie oder im Rathaus gewesen zu sein, statt bei den Bürgern Hamburgs. „Helmut Schmidt hätte direkt gehandelt“, meinte Trepoll. „Herr Scholz, treten Sie zurück!“

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FOTO: DPA In der Kritik: Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz, links neben ihm die Zweite Bürgermeis­terin Katharina Fegebank (Grüne).

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