Nun geht es um das Wohl der Beamten
Weitere Reaktionen auf das Aus des Tuttlinger Polizeipräsidiums
TUTTLINGEN - Schon kurz nach der Entscheidung der Regierungsfraktionen am Dienstagnachmittag im Stuttgarter Landtag, dass das Polizeipräsidium für die Region künftig nicht mehr in Tuttlingen, sondern in Konstanz angesiedelt sein soll, hatten sich Landrat Stefan Bär, Oberbürgermeister Michael Beck und der Landtagsabgeordnete Guido Wolf in Pressemitteilungen zu Wort gemeldet. Wir haben uns am Mittwoch weiter umgehört und Stimmungen eingefangen.
Gerhard Regele, Tuttlingens Polizeipräsident
Die Mitarbeiter im Polizeipräsidium Tuttlingen hätten laut Tuttlingens Polizeipräsident Gerhard Regele seit März Zeit gehabt, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Evaluierungskommission ihr Ergebnis und den Neuzuschnitt präsentiert. Auch wenn bisher nur die Fraktionen ihr Votum abgegeben hätten, geht Regele nicht davon aus, dass das Kabinett eine andere Entscheidung treffen wird.
Dass er nun als Kurzzeit-Präsident eines Tuttlinger Polizeipräsidiums in die Geschichte eingehen wird, nimmt er zumindest im Gespräch mit unserer Zeitung relativ locker: „Es geht weniger um meine Person, dafür findet sich schon eine Lösung. Ich werde ein Gespräch im Innenministerium haben und hören, wie es mit meiner Zukunft weitergeht. Den Polizeipräsidenten Regele wird es auch weiterhin geben“, sagt Regele.
Vielmehr rückt er die Mitarbeiter in den Fokus: „Jetzt ist ein Spagat zu bewältigen. Es geht darum, die Aufgaben zu erfüllen und mögliche Zukunftsängste zu berücksichtigen“, betont der Polizeipräsident. So müssten nun viele Gespräche geführt werden, wohin die Reise für die Beamten geht: „Die Führungsaufgabe wird es in den kommenden Monaten sein, dafür zu sorgen, dass die Kollegen trotz dieser Situation gute Arbeit abliefern können.“
In den Gesprächen müsse ausgelotet werden, wo die Mitarbeiter ihre Zukunft sehen. So hätten schon Beamte signalisiert, nach Konstanz zu gehen. Andere wiederum wünschen, in Tuttlingen zu bleiben: „Wichtig ist es, dass im Ministerium nun eine Projektgruppe aufgestellt wird, die für die Gespräche einen Verantwortlichen benennt“, sagt Regele. Über mögliche Kompensationsgeschäfte für den Wegfall des Polizeipräsidiums in Tuttlingen wollte Regele am Mittwoch nicht spekulieren.
Lars Patrick Berg, AfD-Landtagsabgeordneter
„Das war eine Hängepartie, vom Prozedere her unwürdig und unprofessionell“, sagt Lars Patrick Berg, der Landtagsabgeordnete der AfD für Tuttlingen, zur Entscheidungsfindung. Er sieht das Votum für Konstanz als höchst bedauerlich an. „Das ist ein fauler 13er-Kompromiss, dabei haben selbst die Fachleute für eine 14er-Lösung plädiert“, sagt der Abgeordnete zur Diskussion über die Anzahl der Präsidien im Land.
Das Ziel der Polizeireform, mehr Beamte auf die Straße zu bringen, sei eindeutig verfehlt worden. Nach der Entscheidung für Konstanz zeichne sich nun ab, dass es nicht besser werde, im Gegenteil: „Das bringt weniger Bürgernähe mit sich“, sagt Berg zur Lage Konstanz’ in der Peripherie, zudem sei es eine Schwächung der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg.
Er wisse, dass sich Guido Wolf stark für Tuttlingen eingesetzt habe. Aber die schwarz-grüne Landesregierung habe aus politischen Gründen leider anders entschieden. „Das wurde auf dem Rücken der Polizei ausgetragen“, ist Bergs Meinung. Auch er selbst habe viele Gespräche im gesamten Zuschnittbereich geführt. Tuttlingen sei ein gut geführtes Präsidium, nun werde alles wieder eingerissen. Berg: „Das ist äußerst kontraproduktiv.“
Dieter Popp Gewerkschaft der Polizei
Dieter Popp ist Vorsitzender des Kreisverbands Tuttlingen der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er hat am Mittwochmorgen viele Anrufe von Kollegen bekommen. „Es ist nicht einfach, diese Entscheidung nachzuvollziehen“, sagt Popp zur Lage der Stadt Konstanz. Als im Jahr 2013 die Entscheidung für Tuttlingen als Präsidiumssitz gefallen sei, sei die Randlage bemängelt worden: „Das muss man nun auch für Konstanz anführen dürfen.“
Noch offen sei zum jetzigen Stand die genaue Zahl von Mitarbeitern, die vom neuen Zuschnitt betroffen sind. „Pi mal Daumen rechnen wir damit, dass es pro Präsidium um die 200 Beschäftigte betreffen wird.“Konstanz und der Landkreis Oberschwaben werden ab 2020 wieder getrennt sein. Im Präsidium Tuttlingen fallen künftig die Kreise Freudenstadt und Zollern-Alb weg. „Theoretisch wird Konstanz genauso aufgelöst wie Tuttlingen“, erklärt Popp, um den neuen Zuschnitt bilden zu können. „Wenn der Stab aufgelöst wird, kommt es zu personellen Verschiebungen.“
Popp rechnet, dass die neue Struktur nicht vor 2019 fest stehe. Spannend sei vor allem die Frage, was mit der Kriminalpolizei, die im Präsidiumsbereich Tuttlingen derzeit in Rottweil angesiedelt ist, geschehe. Denn der Schwerpunkt im Bereich Kriminalität liege in Singen und Konstanz und nicht in Rottweil.
Bei der Reform im Jahr 2013 sei versucht worden, die Umstrukturierung sozialverträglich zu bewerkstelligen, sagt der Gewerkschafter. Dazu gab es ein Interessenbekundungsverfahren: „Als die Struktur feststand, wurden alle Stellen ausgeschrieben.“Interessenten konnten sich darauf bewerben, die zuständigen Stellen hätten versucht, den Wünschen nachzukommen, nach einem Auswahlverfahren nach Leistung, Eignung und Befähigung. Popp rechnet nun mit einem ähnlichen Verfahren und hofft darauf, dass es möglichst bald Klarheit gibt. „Die Stimmung im Präsidium ist nicht sehr einfach“, sagt er. „Aber nun ist endlich eine offizielle Entscheidung gefallen, die sich so schon angedeutet hatte.“