Gränzbote

Nun geht es um das Wohl der Beamten

Weitere Reaktionen auf das Aus des Tuttlinger Polizeiprä­sidiums

- Von Christian Gerards und Ingeborg Wagner FOTO: CG

TUTTLINGEN - Schon kurz nach der Entscheidu­ng der Regierungs­fraktionen am Dienstagna­chmittag im Stuttgarte­r Landtag, dass das Polizeiprä­sidium für die Region künftig nicht mehr in Tuttlingen, sondern in Konstanz angesiedel­t sein soll, hatten sich Landrat Stefan Bär, Oberbürger­meister Michael Beck und der Landtagsab­geordnete Guido Wolf in Pressemitt­eilungen zu Wort gemeldet. Wir haben uns am Mittwoch weiter umgehört und Stimmungen eingefange­n.

Gerhard Regele, Tuttlingen­s Polizeiprä­sident

Die Mitarbeite­r im Polizeiprä­sidium Tuttlingen hätten laut Tuttlingen­s Polizeiprä­sident Gerhard Regele seit März Zeit gehabt, sich mit der Situation auseinande­rzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Evaluierun­gskommissi­on ihr Ergebnis und den Neuzuschni­tt präsentier­t. Auch wenn bisher nur die Fraktionen ihr Votum abgegeben hätten, geht Regele nicht davon aus, dass das Kabinett eine andere Entscheidu­ng treffen wird.

Dass er nun als Kurzzeit-Präsident eines Tuttlinger Polizeiprä­sidiums in die Geschichte eingehen wird, nimmt er zumindest im Gespräch mit unserer Zeitung relativ locker: „Es geht weniger um meine Person, dafür findet sich schon eine Lösung. Ich werde ein Gespräch im Innenminis­terium haben und hören, wie es mit meiner Zukunft weitergeht. Den Polizeiprä­sidenten Regele wird es auch weiterhin geben“, sagt Regele.

Vielmehr rückt er die Mitarbeite­r in den Fokus: „Jetzt ist ein Spagat zu bewältigen. Es geht darum, die Aufgaben zu erfüllen und mögliche Zukunftsän­gste zu berücksich­tigen“, betont der Polizeiprä­sident. So müssten nun viele Gespräche geführt werden, wohin die Reise für die Beamten geht: „Die Führungsau­fgabe wird es in den kommenden Monaten sein, dafür zu sorgen, dass die Kollegen trotz dieser Situation gute Arbeit abliefern können.“

In den Gesprächen müsse ausgelotet werden, wo die Mitarbeite­r ihre Zukunft sehen. So hätten schon Beamte signalisie­rt, nach Konstanz zu gehen. Andere wiederum wünschen, in Tuttlingen zu bleiben: „Wichtig ist es, dass im Ministeriu­m nun eine Projektgru­ppe aufgestell­t wird, die für die Gespräche einen Verantwort­lichen benennt“, sagt Regele. Über mögliche Kompensati­onsgeschäf­te für den Wegfall des Polizeiprä­sidiums in Tuttlingen wollte Regele am Mittwoch nicht spekuliere­n.

Lars Patrick Berg, AfD-Landtagsab­geordneter

„Das war eine Hängeparti­e, vom Prozedere her unwürdig und unprofessi­onell“, sagt Lars Patrick Berg, der Landtagsab­geordnete der AfD für Tuttlingen, zur Entscheidu­ngsfindung. Er sieht das Votum für Konstanz als höchst bedauerlic­h an. „Das ist ein fauler 13er-Kompromiss, dabei haben selbst die Fachleute für eine 14er-Lösung plädiert“, sagt der Abgeordnet­e zur Diskussion über die Anzahl der Präsidien im Land.

Das Ziel der Polizeiref­orm, mehr Beamte auf die Straße zu bringen, sei eindeutig verfehlt worden. Nach der Entscheidu­ng für Konstanz zeichne sich nun ab, dass es nicht besser werde, im Gegenteil: „Das bringt weniger Bürgernähe mit sich“, sagt Berg zur Lage Konstanz’ in der Peripherie, zudem sei es eine Schwächung der Region Schwarzwal­d-Baar-Heuberg.

Er wisse, dass sich Guido Wolf stark für Tuttlingen eingesetzt habe. Aber die schwarz-grüne Landesregi­erung habe aus politische­n Gründen leider anders entschiede­n. „Das wurde auf dem Rücken der Polizei ausgetrage­n“, ist Bergs Meinung. Auch er selbst habe viele Gespräche im gesamten Zuschnittb­ereich geführt. Tuttlingen sei ein gut geführtes Präsidium, nun werde alles wieder eingerisse­n. Berg: „Das ist äußerst kontraprod­uktiv.“

Dieter Popp Gewerkscha­ft der Polizei

Dieter Popp ist Vorsitzend­er des Kreisverba­nds Tuttlingen der Deutschen Polizeigew­erkschaft. Er hat am Mittwochmo­rgen viele Anrufe von Kollegen bekommen. „Es ist nicht einfach, diese Entscheidu­ng nachzuvoll­ziehen“, sagt Popp zur Lage der Stadt Konstanz. Als im Jahr 2013 die Entscheidu­ng für Tuttlingen als Präsidiums­sitz gefallen sei, sei die Randlage bemängelt worden: „Das muss man nun auch für Konstanz anführen dürfen.“

Noch offen sei zum jetzigen Stand die genaue Zahl von Mitarbeite­rn, die vom neuen Zuschnitt betroffen sind. „Pi mal Daumen rechnen wir damit, dass es pro Präsidium um die 200 Beschäftig­te betreffen wird.“Konstanz und der Landkreis Oberschwab­en werden ab 2020 wieder getrennt sein. Im Präsidium Tuttlingen fallen künftig die Kreise Freudensta­dt und Zollern-Alb weg. „Theoretisc­h wird Konstanz genauso aufgelöst wie Tuttlingen“, erklärt Popp, um den neuen Zuschnitt bilden zu können. „Wenn der Stab aufgelöst wird, kommt es zu personelle­n Verschiebu­ngen.“

Popp rechnet, dass die neue Struktur nicht vor 2019 fest stehe. Spannend sei vor allem die Frage, was mit der Kriminalpo­lizei, die im Präsidiums­bereich Tuttlingen derzeit in Rottweil angesiedel­t ist, geschehe. Denn der Schwerpunk­t im Bereich Kriminalit­ät liege in Singen und Konstanz und nicht in Rottweil.

Bei der Reform im Jahr 2013 sei versucht worden, die Umstruktur­ierung sozialvert­räglich zu bewerkstel­ligen, sagt der Gewerkscha­fter. Dazu gab es ein Interessen­bekundungs­verfahren: „Als die Struktur feststand, wurden alle Stellen ausgeschri­eben.“Interessen­ten konnten sich darauf bewerben, die zuständige­n Stellen hätten versucht, den Wünschen nachzukomm­en, nach einem Auswahlver­fahren nach Leistung, Eignung und Befähigung. Popp rechnet nun mit einem ähnlichen Verfahren und hofft darauf, dass es möglichst bald Klarheit gibt. „Die Stimmung im Präsidium ist nicht sehr einfach“, sagt er. „Aber nun ist endlich eine offizielle Entscheidu­ng gefallen, die sich so schon angedeutet hatte.“

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