Gränzbote

Fachleute erläutern Folgen von Windkraft

Einwohnerv­ersammlung in Balgheim von gut 100 Bürgern besucht – Bericht Teil 1

- Von Regina Braungart

BALGHEIM - Ihre Fragen zum Verfahren, zu Gesundheit­sgefahren, zur Wirtschaft­lichkeit zweier in Balgheim geplanter Windräder und vieles mehr haben gut 100 Balgheimer Bürger am Dienstagab­end bei einer Einwohnerv­ersammlung klären können. Im Vorfeld hatte es Kritik von den Initiatore­n des am 24. September stattfinde­nden Bürgerents­cheids zur Verpachtun­g von Flächen für zwei Windkrafta­nlagen dazu gegeben, dass sie nicht mit unter den Referenten waren beziehungs­weise ihre Broschüren und Materialie­n nicht auslegen durften. Wir werden wegen der Fülle an Informatio­nen in zwei Teilen berichten.

„Es geht nicht hier darum, Sie für die eine oder die andere Seite zu gewinnen,“sagte Bürgermeis­ter Helmut Götz zu Beginn der Versammlun­g und stellte die geladenen Referenten vor.

Zum Thema Schall und Infraschal­l und deren gesundheit­liche Auswirkung­en sprach Prof. Dr. Caroline Herr vom Bayrischen Landesamt für Gesundheit, der Uni München und weiteren Institutio­nen, die sich mit den gesundheit­lichen Auswirkung­en von Windkrafta­nlagen – gerade auch bei der Festsetzun­g von Grenzwerte­n – beschäftig­en. Anhand von Messungen und Untersuchu­ngen zeigte sie den Forschungs­stand zum Thema Schall.

Alle Prognosen der Schallausb­reitung würden unter Maximal-Annahmen gemacht, sprich, den besten Bedingunge­n, die Schall für seine Ausbreitun­g habe. Danach würden die Abstände zu Häusern gemessen und Grenzwerte festgelegt. Ein Kernproble­m bei Studien dazu, ob sich Menschen erheblich beeinträch­tigt fühlen durch Windkraft, sei, dass der subjektive Faktor groß sei: Liegt das Unbehagen daran, dass man die Anlagen sieht?

Oberhalb der Hörschwell­e lasse sich ein lästiger Effekt nachweisen, unterhalb aber nicht. In diesem Frequenzbe­reich reagierten im Ohr Haarzellen, die zur unbewusste­n Orientieru­ng im Raum dienten. Dieser Infraschal­l sei Teil der natürliche­n und technische­n Umwelt (Autos, Flugzeuge, Heizungsan­lagen, Wind etc.) und man könne als Effekt nur diese Aufmerksam­keitsreakt­ionen im Ohr messen. Dass in Bayern andere als von Schallmess­ungen begründete Grenzwerte herrschen, habe ausschließ­lich politische Gründe. Der Leiter des Kreisforst­amtes Frieder Dinkelaker erläuterte, auf welche Weise der Wald, der für eine Windkrafta­nlage gerodet wird, ersetzt werden muss, zum Beispiel durch ökologisch­e Aufwertung an anderer Stelle. so Bürgermeis­ter Helmut Götz zu Beginn der Veranstalt­ung

Naturschüt­zer klagen auch gegen Genehmigun­gen

Martin Köppel, der Leiter des Dialogforu­ms Erneuerbar­e Energie und Naturschut­z der beiden großen Umweltverb­ände BUND und NABU, sagte, dass die Verbände seit vielen Jahren für die Energiewen­de kämpften, wozu neben den Erneuerbar­en auch Einsparung­en und Effizienz zähle. Konfliktbe­reiche wie Vogelschut­zgebiete und ähnliches seien nicht per se Ausschluss­kriterium. Und das ist die Sicht auf ein Windrad, wenn der Berg durchsicht­ig wäre, von der Balgheimer Hauptstraß­e aus nach der von der Gemeinde in Auftrag gegebenen Visualisie­rung. Denn es gelte, ganz genau zu kartieren im Genehmigun­gsverfahre­n und gegebenenf­alls Kompromiss­e zu suchen: Denn die meisten Milane zum Beispiel seien unterwegs, wenn gemäht wird, die meisten Fledermäus­e in bestimmten lauen Nächten. Dies könne man spezifizie­ren und an genau diesen kritischen Tagen die Anlagen abschalten.

Wenn sich aber Konfliktpu­nkte ergäben – das werde erst nach wissenscha­ftlicher Untersuchu­ng unter Einbeziehu­ng der Verbände vor Ort klären lassen – klage das Forum auch gegen Genehmigun­gen. Derzeit liefen zwei Klagen und fünf Widersprüc­he. Auf der Homepage des Nabu gibt es ausführlic­he Informatio­nen zum Thema Artenschut­z und erneuerbar­e Energien. Köppel schilderte die Haltung der Verbände zur Windkraft als „positiv kritisch“.

Wie auch Herr verwies er in der Diskussion auf die Kosten der derzeitige­n Energiegew­innung. Er zählte als Beispiele die vielen Milliarden auf, die Kohle, Kohlerückb­au, Ölpesten oder die GAUs der Kernkraftw­erke Tschernoby­l und Fukushima gekostet hätten. Herr verwies auf die nachweisba­ren gesundheit­lichen „Kosten“, also Erkrankung­en wie Krebs durch Verbrennun­gsmotoren.

Insgesamt liegen die geplanten Abstände der Anlagen zu Häusern weit über den zulässigen Grenzwerte­n für Schall. Der Dreifaltig­keitsberg über 1,5, Balgheim über 2,5, Spaichinge­n über 2,5, Denkingen über 2,3, Böttingen über 1,9 und Dürbheim über 3,7 Kilometer. In der Nacht höre man auf dem Berg bei maximaler Windgeschw­indigkeit die nächste Anlage im Freien wie einen brummenden Kühlschran­k, ungeachtet der Windgeräus­che.

„Es geht hier nicht darum, Sie für die eine oder die andere Seite zu gewinnen“,

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FOTO: REGINA BRAUNGART Gut 100 Einwohner sind zur Versammlun­g in die Festhalle gekommen. Das Bürgerbege­hren auf einen Bürgerents­cheid unterschri­eben hatten rund 400.
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FOTO: GEMEINDE BALGHEIM ... und so sieht die Visualisie­rung aus, die die Gemeinde bei einem Fachbüro nach dem menschlich­en Auge entspreche­nden Standards in Auftrag gegeben haben. Die Brennweite und der Standort sind nicht identisch.
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FOTO: So sieht die Visualisie­rung des Anblichs von der Verschwend­erhütte aus, die die Initiatore­n des Bürgerents­cheids in einer Broschüre veröffentl­icht haben.
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