Der Verbraucherschutz bröckelt
In fünf Labors im Land fehlt es an Veterinären und Lebensmittelkontrolleuren
STUTTGART - Sie kontrollieren, wie sicher unsere Lebensmittel sind oder ob Tierbestände von Seuchen befallen sind: die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter (CVUA) sowie das Staatliche Tierärztliche Untersuchungsamt (STUA) Aulendorf. Doch den Einrichtungen fehlt das Personal. Grüne und CDU fordern Abhilfe, das letzte Wort hat Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne).
Derzeit fehlen in den fünf Kontrolllabors im Land mehr als 50 Stellen. Das geht aus einer Antwort des Agrarministeriums auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Martin Hahn (Grüne) und Klaus Burger (CDU) hervor. „Trotz vielfacher Maßnahmen sind die CVUAs und das STUA aus Sicht des Ministeriums personell nicht ausreichend ausgestattet“, heißt es in der Antwort aus dem Landwirtschaftsministerium von Peter Hauk (CDU).
Der Minister selbst will sich nicht dazu äußern, wie viele neue Stellen die Behörden brauchen. Der Grund: Hauk steckt – wie seine Kollegen – in den Haushaltsverhandlungen mit dem Finanzministerium. Bevor diese nicht beendet sind, will er öffentlich keine Unruhe verursachen.
Die Ämter selbst haben intern vorgearbeitet. Nach ihrer Analyse fehlen 40 Stellen im höheren Dienst (Sachverständige), zehn Jobs für Labormitarbeiter und drei Stellen in der Verwaltung. Thomas Miller, Chef des Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamts Aulendorf, beschreibt die Folgen des Personalmangels: „Die Situation ist sehr angespannt. Wenn eine Seuche wie die Vogelgrippe ausbricht, sind wir hier jeden Tag voll im Dienst, und das über Monate.“
Das zuständige Ministerium warnt ebenfalls vor Konsequenzen. Nicht alle Untersuchungen, die zum Schutz der Verbraucher erforderlich wären, können demnach durchgeführt werden. Am CVUA Sigmaringen etwa, einer deutschlandweit anerkannten Kontrollstelle für Tabakprodukte, können demnach E-Zigaretten und Wasserpfeifen-Tabake derzeit nicht ausreichend gründlich untersucht werden.
Sorgen bereitet Experten in den Ämtern und in der Politik noch etwas anderes. Sie erwarten noch mehr Arbeit für die Behörden. Schon in den vergangenen Jahren haben diese immer mehr Aufgaben übernommen. Ein Beispiel: Die Laboranten untersuchen Obst und Gemüse auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Vor 25 Jahren testeten sie auf 50 solcher Stoffe, heute müssen sie nach 750 Pestiziden suchen. Die Technik entwickelt sich rasch weiter und ist so komplex, dass auch die Schulung des Personals länger dauert.
Der Boom von vermeintlich gesundheitsfördernden Superfoods, immer neue Produkte aus dem Inund Ausland, irreführende Werbung: Solche Phänomene machen den Kontrolleuren ebenfalls Arbeit. Hinzu kommen strengere Anforderungen von Bund und EU – die letztlich sicherstellen sollen, dass Lebensmittel nicht krank machen.
Kompliziertere Kontrollen
Vor allem das STUA in Aulendorf ist eine wichtige Anlaufstelle für Landwirte. Sie reichen dort Proben ein, um Tierseuchen in ihren Ställen zu erkennen. „Landwirte brauchen schnelle Untersuchungen, um im Krisenfall handeln zu können“, sagt Martin Hahn, Grünen-Politiker und selbst Landwirt im Bodenseekreis. Auch in diesem Bereich sind die Aufgaben mehr geworden. Der globale Handel etwa mit Futtermitteln birgt auch Risiken. So treten in BadenWürttemberg bislang unbekannte Tierkrankheiten wie etwa die Blauzungenkrankheit auf. „Ein globaler Handel birgt immer auch Gefahr, dass Krankheiten nicht nur auf Menschen sondern auch auf Tiere überspringen und somit, letztlich auf den Höfen der Bauern ankommen. Untersuchungen sind daher auch ein Schutz für die Tierbestände der Landwirte“, sagt der Sigmaringer CDU-Abgeordnete Klaus Burger.
Selbst die oppositionelle FDP begrüßt die Initiative der beiden Regierungsfraktionen – sie hält sie für überfällig. Denn die Liberalen hätten die Landesregierung schon im Oktober 2016 darauf hingewiesen, dass es an Veterinären und Verbraucherschützern mangle. „Rechtsstaatliche Pflichtaufgaben werden vernachlässigt und Mindeststandards der EU für Kontrollen nicht eingehalten“, moniert der Salemer FDP-Mann Klaus Hoher. „Wir brauchen aber vor allem auch Entlastung vor Ort in den Landratsämtern.“Dort gebe es in den entsprechenden Ämtern einen flächendeckenden Personalmangel.