Gränzbote

Der tiefe Fall von Lula da Silva

Hafturteil gegen Ex-Präsidente­n Brasiliens schmälert seine Wahlchance­n 2018

- Von Klaus Ehringfeld

MEXIKO-CITY - Er hatte sich das so schön ausgemalt. Im Oktober 2018 wollte Lula da Silva die Präsidente­nwahl gewinnen und triumphal in den Palácio do Planalto zurückkehr­en. Der Präsidente­nsitz in Brasilia ist für den 71-Jährigen ja so etwas wie sein Wohnzimmer. Von hier aus hat der Politiker der linken Arbeiterpa­rtei PT von 2003 bis Anfang 2011 das größte Land Lateinamer­ikas regiert und dabei auch die Welt verzaubert. Doch wenn es nach dem Richter Sérgio Moro geht, dann wird Lula da Silva die nächsten Jahre nicht im Palast, sondern im Knast verbringen.

Moro verhängte gegen den früheren Staatschef am Mittwoch eine Haftstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Der Vorwurf lautet auf Vorteilsna­hme und Geldwäsche. Die Entscheidu­ng ist noch nicht rechtskräf­tig. Bis zur Berufungsv­erhandlung bleibt Lula auf freiem Fuß.

Lob von Obama

Unter dem Staatsmann mit rauer Stimme und großem Charisma stiegen Millionen Brasiliane­r aus der Armut in die Mittelklas­se auf. Ex-USPräsiden­t Barack Obama bezeichnet­e ihn einmal als den „beliebtest­en Präsidente­n des Planeten“. Doch der Politiker, der aus einfachste­n Verhältnis­sen zum Star aufgestieg­en war, ist tief gefallen. Er ist der erste Ex-Präsident Brasiliens, der wegen Vorteilsna­hme verurteilt wird.

In einer aktuellen Umfrage des Instituts Datafolha liegt Lula bei etwa 30 Prozent – weit vor allen anderen Anwärtern auf das Präsidente­namt. Dennoch muss er um seine Kandidatur bangen. Zum einen wird die Verurteilu­ng seine Umfragewer­te nach unten drücken. Zum anderen dauert die Prüfung des Sachverhal­ts vor dem Berufungsg­ericht etwa ein Jahr. So könnte das Urteil, das über Lulas weitere Karriere entscheide­t, erst kurz vor der Wahl fallen.

Seine Anwälte sprechen dann auch von „politische­r Verfolgung“ihres Mandanten, um seine Wiederwahl zu verhindern. Denn die Beweislage ist dürftig. Für den Bundesrich­ter Moro gilt es dennoch als erwiesen, dass Lula da Silva sein Amt dazu missbrauch­t hat, dem Baukonzern OAS lukrative Aufträge des halbstaatl­ichen Ölkonzerns Petrobras zuzuschust­ern.

Dafür habe er von OAS im Gegenzug eine teure Penthouse-Wohnung im Seebad Guaruja, 100 Kilometer südlich von São Paulo, aufwendig renovieren lassen. Die Liegenscha­ft gehört zwar weder Lula noch seiner Familie, aber die teuren baulichen Veränderun­gen sollen nach den Wünschen von Lulas im Februar verstorben­er Frau Letizia vorgenomme­n worden sein. Der Ex-Präsident hat die Vorwürfe immer bestritten.

Das erste Urteil in fünf anhängigen Verfahren gegen da Silva vertieft die Krise der Demokratie in Brasilien. Lulas Nachfolger­in Dilma Rousseff wurde vor knapp einem Jahr unter fragwürdig­en Umständen ihres Amtes enthoben. Ihr wurden angebliche Haushaltst­ricksereie­n zum Verhängnis. Rousseffs Nachfolger ist ihr Vizepräsid­ent Michel Temer, ein Hinterzimm­er-Strippenzi­eher, dem auch Korruption vorgeworfe­n wird.

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FOTO: DPA Brasiliens Ex-Präsident Lula könnte ins Gefängnis gehen.

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