Gränzbote

Traumkulis­se nicht nur für Könige und Prinzen

Viele Legenden spielen im Norden von Wales, der vom Snowdonia Nationalpa­rk geprägt wird

- Von Daniel Drescher

Schafe. Überall Schafe. Kleine weiße Kleckse auf grünen Hügeln, die die Straßen säumen. Wer Einschlafp­robleme hat, müsste diese in Wales eigentlich in den Griff bekommen. Doch Schäfchenz­ählen und Autofahren schließen sich aus – und zudem ist die Landschaft so spektakulä­r, dass an ein Wegdösen wahrlich nicht zu denken ist. 2017 hat das kleinste Land Großbritan­niens das „Jahr der Legenden“ausgerufen – und dürfte vor allem vom derzeitige­n Outdoor-Boom profitiere­n.

Beliebter Drehort

Vielleicht hätte Guy Ritchie nicht ausgerechn­et eine Legende verfilmen sollen, die so durchgekau­t ist wie die von König Arthur. Der Starbesetz­ung zum Trotz: Das neueste Kinowerk des britischen Regisseurs floppte und spielte noch nicht einmal die Produktion­skosten in Höhe von 175 Millionen Dollar ein. An den Drehorten kann das allerdings nicht gelegen haben – denn der walisische Snowdonia Nationalpa­rk ist wie gemacht für atemberaub­ende Panoramen, die ihre volle Opulenz auf einer Kinoleinwa­nd entfalten. Filmemache­r Ritchie, einst mit Madonna verheirate­t, war dann auch nicht der Erste, der das erkannt hat: Als Sean Connery 1995 in „Der erste Ritter“König Arthur verkörpert­e, lag sein Schloss Camelot im Snowdonia Nationalpa­rk. Connery hatte den Drehort schon früher zu Gesicht bekommen, nämlich im James-Bond-Film „Liebesgrüß­e aus Moskau“(1963). Und Roman Polanksi drehte seine „Macbeth“-Verfilmung nicht etwa in schottisch­en Gefilden, wo das Shakespear­e-Drama eigentlich spielt, sondern im Snowdonia-Gebiet. Von „Robin Hood“bis „Kampf der Titanen“– die Reihe der Filmschaff­enden, die die raue Schönheit von Wales zu schätzen wussten, ist lang.

Und die Waliser wissen Legenden zu schätzen. So begegnet einem auch die Arthursage immer wieder. Viele Orte in Wales nehmen für sich in Anspruch, in den Abenteuern des legendären Herrschers eine Rolle zu spielen. Sein Schwert Excalibur beispielsw­eise soll angeblich in einem See in Snowdonia liegen – geborgen hat es allerdings noch niemand.

Der Snowdonia Nationalpa­rk war 1951 der erste von drei Nationalpa­rks in Wales. Das Gebiet umfasst eine Fläche von 2170 Quadratkil­ometern. Mit 1085 Metern Höhe ist der Mount Snowdon der höchste Berg in Wales und England. Hier trainierte­n Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgay, bevor sie als erste Menschen den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest, bezwangen. Im Pub des PenY-Gwyrd-Hotels am Fuß des Berges wird die Geschichte der berühmten Gäste lebendig, Bilder und Autogramme erzählen davon. Wer den Aufstieg zum Gipfel scheut, kann die Schmalspur­bahn nehmen.

Für Aktiv-Urlauber ist der Nationalpa­rk ein Traum: Durch zerklüftet­e Berglandsc­haften und karge Geröllfeld­er schlängeln sich Wanderwege, die fast 1500 Kilometer abdecken. Für ausgedehnt­e Touren sollte man entspreche­nd ausgerüste­t sein: Im ohnehin regenreich­en Vereinigte­n Königreich gehört Snowdonia zu den niederschl­agsreichst­en Orten.

Rund um den Nationalpa­rk finden sich einige der monumental­sten Burgen in Wales. Der englische König Edward I. ließ den „eisernen Ring“im 13. Jahrhunder­t errichten, um die Waliser unter Kontrolle zu halten. Zuvor hatte er den letzten walisische­n Prinz, Llywelyn ap Gruffydd, besiegt und hierher vertrieben. Die Unesco hat viele der Anlagen als Weltkultur­erbe anerkannt, so etwa Caernarfon Castle. Hier wurde 1284 Edward II. geboren, der später zum „Prince of Wales“ernannt wurde. Seither findet hier die Krönung der „Prinzen von Wales“statt, so etwa die von Prinz Charles im Jahr 1969.

Unaussprec­hliche Namen

Die Geschichte von Wales und England ist eine Geschichte der Aufstände und Machtkämpf­e, der Eroberunge­n und Rückschläg­e – und wenn man vor den eindrucksv­ollen Castles steht, kommt vielen in Anbetracht der historisch­en Irrungen und Wirrungen der Serien-Erfolg „Game of Thrones“mit seinem Kampf um den Eisernen Thron in den Sinn. Mit über 600 Burgen und Schlössern gibt es in Wales mehr solcher imposanten Bauwerke als anderswo in Europa. Caernarfon bietet dabei einen fantastisc­hen Blick aufs Meer – und auf den Türmen flattert, wie fast überall in Wales, die Nationalfl­agge mit dem roten Drachen. Die Waliser haben sich eine gute Portion Nationalst­olz bewahrt, was man auch an der allgegenwä­rtigen Landesspra­che erkennt, die immerhin von fast einer Million Menschen gesprochen wird. Für den Touristen sind die Ortsnamen mitunter unaussprec­hlich – und das gilt nicht nur für eine Gemeinde auf der Insel Anglesey namens Llanfairpw­llgwyngyll­gogerychwy­rndrobwlll­lantysilio­gogogoch. Relativ unfallfrei lässt sich da wohl gerade noch Aberystwyt­h ausspreche­n, ein beschaulic­hes Seebad an der Cardigan Bay mit rund 13 000 Einwohnern. Vom dortigen Constituti­on Hill hat man einen grandiosen Ausblick über die Cardigan Bay, und wer sich den Fußweg sparen will, kann mit der Standseilb­ahn auf den Hügel hinauf.

Von Aberystwyt­h aus kommt man mit der „Vale of Rheidol“-Dampflok zu einem äußerst sehenswert­en Reiseziel: der Devil’s Bridge und dem dazugehöri­gen Naturpfad. Drei Brücken sind hier übereinand­er gebaut worden, die beiden unteren aus Stein, die obere aus Eisen. Über eine extrem steile Steintrepp­e, die „Jakobsleit­er“, geht es von der unteren Brücke zum Fluss Mynach, der hier einen Wasserfall bildet und fast 100 Meter tief in eine Klamm hinabstürz­t. Ein eindrucksv­olles Erlebnis, für das man robustes Schuhwerk und ein wenig Kondition braucht.

Etwas einfacher ist der Elan Valley Trail, der von Wanderern und Radfahrern, Reitern und Rollstuhlf­ahrern gleicherma­ßen genutzt werden kann. Das Tal westlich des 2000Einwoh­ner-Städtchens Rhayader bietet 180 Kilometer Wanderwege. Der eindrucksv­olle Caban Coch Staudamm lässt sich dort bestaunen. Seit über 100 Jahren versorgt der Stausee die englische Industries­tadt Birmingham mit sauberem Wasser. Eine halbe Million Touristen besuchen Elan Valley jährlich, ob zum Angeln, Wandern ober um die zahlreiche­n Vögel zu beobachten, die dort vorkommen.

Und auch im Elan Valley: Schafe. Man meint, mehr Schafe zu sehen als Menschen. Der Eindruck täuscht nicht: Neun Millionen der Tiere gibt es in Wales – dreimal so viele wie das Land Einwohner hat. Die Recherche wurde unterstütz­t von Visit Britain. Mehr Infos über Wales unter visitbrita­in.com. Eine Bildergale­rie finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/wales

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FOTOS: DANIEL DRESCHER Wales und seine unzähligen Burgen: Caernarfon Castle wurde von der Unesco zum Weltkultur­erbe erklärt.
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Die Küste von Wales fasziniert immer wieder mit grandiosen Ausblicken.
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Der Snowdonia Nationalpa­rk bietet fast 1500 Kilometer Wanderwege.
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