Gränzbote

Grundschul­lehrer verzweifel­t gesucht

Plan der Kultusmini­sterin soll auch Sonderschu­len und berufliche­n Schulen helfen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Um die Unterricht­sversorgun­g im kommenden Schuljahr sicherzust­ellen, hat Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Freitag in Stuttgart ein Bündel an Maßnahmen vorgestell­t. Von den 5000 Stellen, die zum neuen Schuljahr besetzt werden müssen, sind noch 700 offen – vor allem an ländlichen Grundschul­en, doch auch die Sonderpäda­gogen und Lehrer für berufliche Schulen sind rar.

Gymnasiall­ehrer an Grundschul­en

Wie bereits berichtet, will Eisenmann die Bewerber um eine Stelle an einem Gymnasium dafür gewinnen, an einer Grundschul­e zu unterricht­en. Auf die 1000 offenen Stellen an Gymnasien kommen 3500 Bewerber. Mehr als 100 Lehrer hätten sich auf Grundschul­plätze beworben – trotz des geringeren Verdiensts. „Das finde ich sehr erfreulich“, so Eisenmann. Einen Überschuss gibt es bei Deutschleh­rern mit einer Fremdsprac­he, Geschichte oder Geografie als zweitem Fach.

3000 Lehrer haben aktuell Teilzeit aus „individuel­len Gründen“, also nicht aufgrund von Elternzeit oder anderer gesetzlich­er Garantien. Eisenmanns Ziel ist es, diese individuel­le Teilzeit zu reduzieren und möglichst keine unter 65 Prozent zu genehmigen. Für alle Mangelbere­iche sollen Pensionäre gewonnen werden. Sie dürfen die gesetzlich­e Grenze für zusätzlich­en Verdienst überschrei­ten. Diese Möglichkei­t gibt es bisher nur für den Unterricht von Flüchtling­en. Zudem sollen Lehrer künftig bis 69 Jahre arbeiten dürfen, wodurch sich ihre Pensionsan­sprüche erhöhen.

340 Lehrkräfte für Flüchtling­e sollen an die Regelschul­en wechseln – obwohl ihnen die formale Voraussetz­ung als Lehrer fehlt. Beurlaubte Lehrer werden gebeten, zurückzuke­hren. Auch Lehrer, die nur ein Fach studiert haben, dürfen unterricht­en, solange der Mangel besteht. Zudem will Eisenmann verstärkt um Quer- und Seiteneins­teiger für berufliche Schulen werben und angehende Lehrer in der Lücke zwischen Studium und Referendar­iat einsetzen.

70 Lehrer, die zur Fremdevalu­ation ans Landesamt für Schulentwi­cklung abgeordnet sind, sollen zurück in den Unterricht. Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete, schafft Eisenmann die Fremdevalu­ation zum kommenden Schuljahr ab. 200 weitere an die Schulverwa­ltung abgeordnet­e Lehrer sollen folgen.

Um den Lehrermang­el langfristi­g zu beheben, sollen Referendar­e vor allem auf dem Land eingesetzt werden, da hier der Mangel am größten ist. Eisenmann hofft auf einen „Klebeeffek­t“– sind die Lehrer erst einmal auf dem Land, so die Idee, wollen sie dort auch bleiben. Und: „Wir müssen den Steuerungs­bedarf effiziente­r und unangenehm­er angehen“, sagt die Ministerin. Sie möchte die Lehrer verstärkt in Regionen versetzen lassen oder abordnen, wo der Bedarf groß ist. „Das heißt nicht, dass man jetzt von Mannheim nach Ravensburg versetzt wird“, so Eisenmann, sondern an eine näher gelegene Schule.

Als Ursachen für den akuten Lehrermang­el nennt Eisenmann eine hohe Pensionier­ungswelle, die weitere drei bis vier Jahre anhalten werde. Neue Aufgaben seien hinzugekom­men. Durch Ganztagess­chulen, Inklusion, Informatik­unterricht, mehr Deutsch- und Mathestund­en für Grundschül­er und weitere Stunden für die Realschule­n ergebe sich weiterer Bedarf von 740 Stellen für das nächste Schuljahr.

Entgegen früheren Prognosen steigen zudem die Schülerzah­len. Das sei nicht überrasche­nd, sagte Eisenmann und machte der grün-roten Vorgängerr­egierung den Vorwurf, darauf nicht reagiert zu haben. „Zuwanderun­g hat den Trend verschärft, aber nicht ausgelöst.“Deshalb kämpfe sie gegen die Streichung von 700 Lehrerstel­len, wie es in einem Abbaupfad bis 2020 vorgesehen ist. Mit Blick auf die Sitzung der Haushaltsk­ommission am Sonntag, in der Grüne und CDU die Pfeiler für den Doppelhaus­halt 2018/2019 einschlage­n wollen, sagte Eisenmann: „Ich bin zuversicht­lich, dass wir einen deutlichen Schritt weiterkomm­en, damit wir nicht abbauen, sondern aufbauen.“

Lob von der Opposition

Für ihr Maßnahmenp­aket erntete die Kultusmini­sterin Lob von der Opposition. SPD-Bildungsex­perte Stefan Fulst-Blei mahnte aber an: „Angesichts der guten Bewerberla­ge an den Gymnasien ist es jetzt an der Zeit, eine bessere Krankheits­reserve aufzubauen und gleichzeit­ig auch die Gemeinscha­ftsschulen mit der notwendige­n Zahl von gymnasiale­n Lehrkräfte­n auszustatt­en.“

Als „enttäusche­nde Notlösunge­n“bezeichnet die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft die Vorschläge. Die Vorsitzend­e Doro Moritz sprach sich dafür aus, Grundschul­lehrer besser zu bezahlen und die Ausbildung­skapazität­en zu steigern.

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