Gränzbote

Symbol des Deutschen Herbstes

Auswärtige­s Amt bevorzugt nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“Friedrichs­hafen als Standort für die „Landshut“

- Von Hagen Schönherr

FRIEDRICHS­HAFEN - Friedrichs­hafen hat offenbar gute Chancen, das 1977 entführte Flugzeug „Landshut“dauerhaft auszustell­en. Das Auswärtige Amt favorisier­t die Stadt nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“als Standort für das Symbol des Deutschen Herbstes und des Siegs über den RAF-Terror. Doch die Finanzieru­ng ist ungewiss: Wenn ein anderer Investor Geld vorschießt, könnte er Friedrichs­hafen das künftige Mahnmal wegschnapp­en. Auch die Stadtpolit­ik scheint wenig begeistert von der Idee.

Seit vergangene­n Freitag ist öffentlich bekannt, dass David Dornier, jüngst zum Chef des defizitäre­n Dornier-Museums ernannt, die Lufthansa-Maschine „Landshut“gerne in seinem Museum ausstellen möchte. Dazu, so Dornier, gebe es bereits Gespräche mit dem Auswärtige­n Amt (AA) und ein ausgefeilt­es Museumskon­zept. Nur eines stellte Dornier klar: Finanziere­n will die Familie Dornier beziehungs­weise das Dornier-Museum dieses Projekt nicht.

Verrottet in Brasilien

Die Boeing 737 „Landshut“der Lufthansa ist eines der eindrucksv­ollen Überbleibs­el des „Deutschen Herbstes“1977, als Deutschlan­d unter dem Eindruck des RAF-Terrors stand (siehe Kasten). Ihre Ausstellun­g als Denk- und Mahnmal würde auf die ganze Bundesrepu­blik und über die Grenzen der Stadt Friedrichs­hafen ausstrahle­n. Auf Initiative des Mainzer Zeithistor­ikers, HelmutSchm­idt-Biografs und Journalist­en Martin Rupps, hat die Bundesregi­erung das Flugzeug offenbar vor Kurzem gekauft: „Bei der Befreiung der Landshut wurde die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng des Staates verteidigt, der die Grundlage für den Wohlstand der damals lebenden Generation gelegt hat“, sagt er.

Bis dato rottet die „Landshut“allerdings auf einem brasiliani­schen Flughafen vor sich hin, nachdem sie nach dem Terrorakt über Jahrzehnte für etliche Fluggesell­schaften um die Welt geflogen war. Dem Kaufpreis von mutmaßlich 20 000 Euro stehen nun erhebliche Kosten für den Rücktransp­ort und die Restaurier­ung der Maschine als Mahnmal entgegen. Bis zu 1,5 Millionen Euro sind dafür laut Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“fällig. Und weil zu einem Mahnmal auch ein Museumskon­zept samt Halle gehört, dürfte das Projekt in einem zweiten Schritt nochmals kosten – die Summe von vier Millionen Euro steht im Raum.

Überzeugen­des Konzept

Recherchen haben jetzt ergeben, dass das Projekt sehr gute Chancen hätte, in Friedrichs­hafen verwirklic­ht zu werden. „Das Auswärtige Amt hat sich im Herzen auf Friedrichs­hafen festgelegt. Dieser Herzenswun­sch geht in Erfüllung, wenn genügend Spenden für die Zerlegung und den Transport der Maschine zusammenko­mmen“, sagte Martin Rupps am Freitag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung.“Das verwundert auf den ersten Blick, doch offenbar hat das Amt Gründe für diese Entscheidu­ng: Es scheint grundsätzl­ich schwer, das Drama von Mogadischu überhaupt irgendwo in Deutschlan­d zu verorten. Gerade deshalb istoffenba­r für das AA als Auswahlkri­terium weniger der Ort selber ausschlagg­ebend, als vielmehr die Möglichkei­t, das Flugzeug überhaupt vor Publikum zu zeigen. Öffentlich schweigt das Amt zu diesen Fragen, Projektini­tiator Rupps findet dagegen deutliche Worte: „Das Dornier-Museum mit der ,Landshut’ hätte deutlich mehr Besucher. Friedrichs­hafen liegt an der offensten Grenze Deutschlan­ds zu seinen Nachbarn. Es gibt auch keine Sprachbarr­iere. Die meisten Gäste und Urlauber am Bodensee gehören der Generation an, die den Deutschen Herbst 1977 als Jugendlich­er oder Erwachsene­r bewußt erlebt hat. Der Besuch der ,Landshut’ würde zu einem Besuch im eigenen Leben.“

Dazu kommt: Das Dornier-Museum hat einen Bezug zum RAF-Terror. Schließlic­h wurde 1986 ein Anschlag von RAF-Sympathisa­nten auf das damalige Dornier-Werk Immenstaad begangen. Auch der einstige Chef der MTU Friedrichs­hafen fiel einem RAF-Attentat zum Opfer.

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“soll sich nun nicht nur das Auswärtige Amt, sondern sogar Vizekanzle­r Sigmar Gabriel hinter den Kulissen dafür eingesetzt haben, das Flugzeug nach Friedrichs­hafen zu bringen. Glaubwürdi­ge Quellen berichten außerdem, es hätten auch schon Gespräche zwischen Auswärtige­m Amt und der Häfler Zeppelin-Stiftung stattgefun­den. Es ist offensicht­lich, dass es dabei auch um finanziell­e Interessen geht und den Versuch, Stadt oder Stiftung in das Projekt einzubring­en. Auswärtige­s Amt und Bundesregi­erung versuchen wohl auf mehreren Wegen eine Finanzieru­ng zu sichern, denn der Bund steckt in Sachen „Landshut“in einem Dilemma.

Bis zum 18. Oktober, dem 40. Jahrestag der Landshut-Befreiung, soll das Flugzeug in Deutschlan­d als Mahnmal bereitsteh­en. Planungen für den zugehörige­n Fest- und Gedenkakt soll es schon geben. Davor müssten die Überführun­g, Sanierung und Wiederhers­tellung des Flugzeugs und ein museales Konzept dafür aus dem Boden gestampft werden. Aus vertraulic­hen Quellen heißt es, der enge zeitliche Rahmen lasse für die Regierung keinen Spielraum für eine öffentlich­e Ausschreib­ung des Projekts. Ob das stimmt, darf auch bezweifelt werden. Als sicher gilt dagegen: Das Auswärtige Amt will die Landshut möglichst mit privaten Geldern zurückhole­n. So dürfte sich auch die Kooperatio­n mit dem derzeit noch in privater Hand liegenden Dornier-Museum erklären.

Das Dornier-Museum müsste nun 750 000 Euro bis Oktober aufbringen oder organisier­en, um Sanierung und Rückholung der Maschine zu finanziere­n. Weitere 750 000 Euro sollen dagegen aus unbekannte­r Hand schon gesammelt worden sein. Mit diesen 1,5 Millionen Euro wäre zumindest der Zeitplan bis Oktober zu schaffen. Doch David Dornier will das Geld nicht aus eigener Tasche zahlen. Unverhohle­n hat er im Gespräch klar gemacht: „Weder das Dornier-Museum noch die DornierSti­ftung können dafür Geld ausgeben, zumal wir derzeit mit der Stadt Friedrichs­hafen verhandeln. Wie bekannt ist, möchten wir, dass uns die Stadt hilft. Deshalb können wir für die ,Landshut‘ kein Geld ausgeben.“Das bedeutet im Klartext: Die Stadt Friedrichs­hafen oder ihre millionens­chwere Zeppelinst­iftung sollen das Landshut-Projekt indirekt subvention­ieren.

„Wenig verantwort­ungsvoll“

Und davon scheint man in Friedrichs­hafen wenig begeistert: „Hier geht es schließlic­h um eine unternehme­rische und museale Entscheidu­ng, auf die wir als Stadt weder einwirken können noch wollen“, so Friedrichs­hafens Oberbürger­meister Andreas Brand. Eine Finanzieru­ng des Projekts, so Friedrichs­hafens CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Achim Brotzer, sei außerdem „Sache des Bundes“. „Meiner persönlich­en Überzeugun­g nach eignet sich die ,Landshut’ nicht für eine Auf- oder Ausstellun­g in Friedrichs­hafen“, ergänzt er auf Anfrage. Wenn überhaupt, müsse man sie in Berlin zeigen. „Das Thema in die Hände privater Interessen­ten zu geben, weil der Bund die mit einem Konzept zwangsläuf­ig verbundene­n Kosten nebst dauerndem Zuschussbe­darf scheute, wäre wenig verantwort­ungsvoll und mehr als widersprüc­hlich“, sagt er. Sein Kollege, SPDMann Dieter Stauber, will mit der Projektfin­anzierung auch nichts zu tun haben: „Die Stadt sehe ich hier jedenfalls nicht in der Pflicht. Wenn private Geldgeber auftreten, ist das natürlich eine andere Sache.“Freie Wähler und Grüne äußern sich in Statements ähnlich.

Wenn sich der Widerstand der Stadt Friedrichs­hafen und die Weigerung von Museumsche­f Dornier, selbst Geld zuzuschieß­en, nun weiter halten, könnte es für das Landshut-Projekt am Bodensee allerdings so schnell ein Ende geben, wie es aufgekomme­n ist. Ein so tragischer wie fasziniere­nder Anziehungs­punkt in der Zeppelinst­adt wäre wohl in dem Moment verloren, in dem ein Investor irgendwo anders in der Bundesrepu­blik eine Finanzieru­ngszusage macht: „Wenn er auch das Problem der Kosten für Zerlegung und Transport der Maschine löst, würde seine Offerte im Auswärtige­n Amt ernsthaft erwogen“, sagt Martin Rupps.

 ?? FOTO: DPA;UPI ?? Das am 13. Oktober 1977 entführte Flugzeug „Landshut“nach der Landung in Mogadischu (Somalia). Am 18. Oktober stürmte die GSG-9 die Maschine und befreite die Geiseln. Der Staat hatte sich vom Terror der RAF und seinen Komplizen nicht erpressen lassen.
FOTO: DPA;UPI Das am 13. Oktober 1977 entführte Flugzeug „Landshut“nach der Landung in Mogadischu (Somalia). Am 18. Oktober stürmte die GSG-9 die Maschine und befreite die Geiseln. Der Staat hatte sich vom Terror der RAF und seinen Komplizen nicht erpressen lassen.

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