Der Gipfel ist beim Dieselskandal noch nicht erreicht
Kraftfahrt-Bundesamt prüft nun auch Daimler – Der Konzern hält seine Motoren für legal
Beschuldigter Audi-Manager bleibt in Haft
MÜNCHEN (dpa) - Der im Zusammenhang mit der Dieselaffäre verhaftete Audi-Manager sitzt weiterhin im Untersuchungsgefängnis. Audi-Vorstände seien weiterhin nicht unter den Beschuldigten, gegen die die Münchner Staatsanwaltschaft ermittle, sagte die Münchner Oberstaatsanwältin Andrea Grape. Der am 3. Juli festgenommene Manager war von 2006 bis zu seiner Beurlaubung 2015 einer der führenden Motorenentwickler bei Audi in Neckarsulm gewesen. Die US-Justiz wirft dem heute 60-Jährigen vor, er habe „Audi-Mitarbeiter angewiesen, Software zu entwickeln und einzubauen, mit der die standardmäßigen USAbgastests getäuscht werden“. Audi hat ihm fristlos gekündigt.
Kaum Hoffnung für VW-Großkunden vor Gericht
BRAUNSCHWEIG (dpa) - Mit seiner Schadenersatzklage gegen Volkswagen wegen manipulierter Abgaswerte kann der VW-Großkunde Deutsche See kaum auf Erfolg hoffen. In der Verhandlung habe der Richter erkennen lassen, dass es wenig Hoffnung auf Erfolg für die Ansprüche des Fischverarbeiters gebe, sagte eine Sprecherin des Landgerichts Braunschweig. Wegen arglistiger Täuschung im Dieselskandal will der Fischverarbeiter 11,9 Millionen Euro Schadenersatz. Etwa 500 Fahrzeuge des VW-Flottenkunden sind nach Unternehmensangaben betroffen.
US-Gericht verschiebt Urteil für VW-Ingenieur erneut
DETROIT (dpa) - Das erste USUrteil gegen einen VW-Mitarbeiter im Abgasskandal verschiebt sich erneut. Die Verkündung der Strafe für einen geständigen Ingenieur, der als Kronzeuge mit der US-Justiz kooperiert, verschiebt sich vom 26. Juli auf den 25. August. Das erklärte das Gericht in Detroit ohne Angabe von Gründen. Die USA werfen dem VW-Angestellten Mittäterschaft an einer Verschwörung zur Manipulation des Stickoxidausstoßes Hunderttausender Dieselwagen vor. BERLIN/STUTTGART/RAVENSBURG Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann überzeugte sich kürzlich auf einer Daimler-Teststrecke selbst von der Möglichkeit, saubere Dieselmotoren zu bauen. Die Messgeräte im Fahrzeug bestätigten ihm dies. Deshalb bleibt der Grünen-Landesvater angesichts der Manipulationsvorwürfe gegen den Konzern auch zurückhaltend. „Ich gehe nicht davon aus, dass ein Automobilkonzern mit einem Messgerät mit mir in der Gegend herumfährt und das hinterher nicht stimmt“, sagt Kretschmann am Donnerstag am Rande eines Pressetermins. Doch im Testfahrzeug war ein anderer Motor eingebaut, als die nun ins Visier der Staatsanwaltschaft geratenen Baureihen. Diese will Daimler unrechtmäßige Abschalteinrichtungen nachweisen.
Das Bundesverkehrsministerium geht diesem Verdacht auf Tricksereien des Daimler-Konzerns nun nach. „Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nimmt Fahrzeuge in die Prüfung“, sagte der Sprecher des Ministeriums, Ingo Strater, am Freitag. Am Abend zuvor musste der Entwicklungschef des Unternehmens, Ola Källenius, den Fragen der Abgas-Untersuchungskommission im Ministerium stellen. Daimler habe bestritten, dass in etwa eine Million Motoren eine illegale Abschalteinrichtung verwendet worden sein, erläuterte Strater. Nun soll das KBA die Abgaswerte messen.
Probleme mit dem „Wundermotor“
Konkret geht es um zwei Motorenreihen von Daimler, den OM 642 sowie den OM 651 wie das Verkehrsministerium bestätigte. Ersterer ist ein V6 Turbodiesel, der vor allem bei Modellen der Oberklasse verwendet wird. Letzterer ist ebenfalls ein Turbodiesel, jedoch mit geringerem Hubraum. Bei seiner Premiere im Jahr 2008 wurde er als „Wundermotor“gepriesen. Beide Motoren werden nicht nur in den Pkw eingesetzt, sondern auch bei den Kleintransportern von Mercedes. Der Konzern will sich wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens zur Sache derzeit nicht äußern. „Spekulationen kommentieren wir nicht“, teilte Daimler auf Anfrage mit. Unternehmenschef Dieter Zetsche hatte öffentlich stets beteuert, dass keine Abgaseinrichtungen manipuliert worden seien. Das stellt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nun massiv infrage.
Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer von der Uni Duisburg-Essen warnt derweil vor einer Vorverurteilung des Konzerns. „Bisher handelt es sich nur um Behauptungen“, sagt er. Sollten sie sich bestätigen, läge die Dimension des Falles weit unterhalb der Probleme im Fall VW. Hier gehe es nur um in Europa verkaufte Fahrzeuge. Der finanzielle Schaden dürfte daher weit geringer ausfallen.
Doch Dudenhöfer glaubt, dass Strafen nur die geringste Folge für die Branche ist. „Der Dieselantrieb ist tot“, sagt er. In vielen Ländern gebe es Untersuchungen gegen die Unternehmen. Und er sieht einen Grund dieser Entwicklung in Fehlern der Politik „Die Ursache liegt in der schlechten Regulierung der Autoindustrie“, kritisiert Dudenhöfer, „die Bundesregierung hat Hinweise und Kritik der EU-Kommission zum hohen Schadstoff-Ausstoß der Dieselfahrzeuge jahrelang nicht ernst genommen.“Auch Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kritisiert, dass sich der Staat von der Durchsetzung von Recht und Gesetz bei den großen Autokonzernen zurückgezogen hat. „Die Bundesregierung pflegt ein eheähnliches Verhältnis zur Autoindustrie“, bemängelt Resch.
Tatsächlich stehen derzeit sowohl die Regierungen als auch die Branche selbst unter schwerem Druck. In vielen Städten könnte es zu Fahrverboten für ältere Diesel kommen. Das wäre ein schwerer Schlag für die Besitzer der Fahrzeuge, die einen massiven Wertverlust verdauen müssten. Deshalb fordern Verbraucherschützer Schadenersatz für die Kunden, bisher jedoch vergeblich.
Dieselgipfel: „Budenzauber“
Für die Bundesregierung ein Ende des Dieselantriebs umweltpolitisch ein großes Problem. Die Motoren verbrauchen weniger Sprit als Benziner. Der Diesel wird benötigt, damit Deutschland seine Klimaziele einhalten kann. Die Probleme könnten sich noch weiter verschärfen, wenn sich die Deutsche Umwelthilfe mit ihren Klagen vor Gericht durchsetzen kann. Der Verband will damit erreichen, dass VW und auch Daimler die Typzulassung für die betreffenden Baureihen entzogen wird. Dann dürften sie nicht mehr im Straßenverkehr unterwegs sein.
Weder Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) noch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wollen die Vorwürfe gegen den Stuttgarter Konzern derzeit bewerten. Beide Häuser verweisen auf den für den 2. August geplanten Dieselgipfel. Eine Sprecherin von Hendicks stellte die Erwartungshaltung der Bundesregierung schon mal klar. „Die Luft in Deutschland muss besser werden“, fordert sie.
An dem Treffen werden neben den beteiligten Ministerien der Bundesregierung auch die fünf Bundesländer teilnehmen, in denen die Autohersteller ihre Sitz haben. Darüber hinaus kommen Vertreter der Branchenverbände und der Unternehmen zum Gipfel, der voraussichtlich im Bundesverkehrsministerium stattfinden wird. Inhaltlich geht es um die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen, damit die Abgasreinigung besser funktioniert. So wollen Politik und Wirtschaft drohende Fahrverbote in den Städten verhindern. „Das Ziel ist saubere Luft und nicht Fahrverbote“, machte Kretschmann am Donnerstag noch einmal deutlich. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hatte kürzlich angekündigt, das drei Millionen ältere Fahrzeuge der Schadstoffnorm Euro 5 mit einem Software-Update nachgerüstet werden können.
Offen ist noch, wer dafür zur Kasse gebeten wird. Die Hersteller wollen bisher nur für das Software-Update, nicht jedoch für den fälligen Werkstattbesuch geradestehen. Die Politik verlangt dagegen eine volle Kostenübernahme durch die Autohersteller. Auf die Frage, wer für die Nachrüstung aufkommen solle erklärte Kretschmann: „Die Ministerpräsidenten der Automobilländer gehen davon aus, dass das die Automobilindustrie finanziert und nicht die Kunden.“
Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer hält den Gipfel für „Budenzauber“kurz vor der Bundestagswahl. Auch von der nun angekündigten Nachprüfung der Daimler-Motoren erwartet der Verkehrsexperte wenig. „Da kommt wieder nichts heraus“, vermutet er. Einer der Antriebe sei beim KBA schon 2016 wegen zu hoher Messwertabweichungen aufgefallen, ohne dass darauf eine Reaktion erfolgt sei.